Sonntag, 23. September 2012

KopfversusefühL

Ich will nach Leh! Das hab ich mir von Beginn an vorgenommen, das muss jetzt auch so passieren. Basta!

Ich ignoriere die Tatsache, dass der Pass am 15.9. gesperrt wird und glaube lieber denen, die behauten, dass sei quatsch.
Gut, die Camps bestehen dann nicht mehr, aber wer brauch die überteuerten Touristationen schon.
Gut es wird dann keine Haftung mehr übernommen und Hilfe von Seiten der Region sind nicht zu erwarten, aber es gibt genügend hilfsbereite Menschen dort oben.
Gut, morgen ist der 15.9., aber die norwegischen Muskalpakete vom Nachbartisch kommen grad von da und sagen, mit meinem Moped sei das kein Problem auch der knietiefe Matsch war nur ein kurzes Stück und die eingestürzte Brücke.. naja, da haben sie ein Paar Rupis unter den Indern verteilt und die haben die Mopeds dann rüber gebracht. Klingt doch prima.
Gut, es regnet seit Tagen und heute Abend Katzen und Hunde, dass noch nicht mal Internet aufgebaut werden kann, aber bisher regnete es doch jeden verf... Tag und vormittags war schöner Sonnenschein.
Ich hab also beschlossen, mir um 4 Uhr morgen früh das Wetter anzuschauen und trinke erstmal mit Javi und Robert ein Bier auf die Entscheidung und auf unseren letzten Abend.

er konnte sogar noch Tortilla de Patata für uns kochen
„Was sagt dein Gefühl?“, hatte mich Javi heute Mittag gefragt, als wir wegen strömenden Regen statt einer Wanderung zu heiligen Wasserfällen in einem Kiffercafe irgend ein unheiliges Kraut in die Zigaretten haben mixen lasen. Was will man auch sonst tun bei dem Wetter …
Mein Gefühl sagt: „Es ist Schwachsinn...␜, nein das ist der Kopf! Oder? Ich fühl nochmal hin, so sicher kann ich mir da nicht sein. So schwierige Fragen soll ich in dem Zustand beantworten, in dem sogar die Augen schon doppelt sehen. Fatal.
Es ist der Kopf, der alle Anzeichen zusammenwirft und mir deutlich sagt, dass es Schwachsinn ist. Mein Gefühl schreit sozusagen nach der Herausforderung, nach dem Erlebnis und nach den Bildern, die ich zu sehen bekommen könnte. Mein Gefühl hört aber auch ein bisschen auf den Verstand, denn der ist ja nicht zum Spaß da und lässt sich auf einen Kompromiss ein: „Ich versuchs. Und wenn es zu schwierig wirt, dann dreh ich um und komm mit euch nach Rishikesh“, sag ich und bin glücklich mit der Entscheidung. Denn den Ort möchte ich auch sehen und die zwei Spanier sind lustige und amüsante Reisepartner.

Diese Nacht wird schlaflos, denn Kopf und Gefühl waren im permanenten Streit zwischen:
„Ich muss mal wieder allein sein und richtig Moped fahren“ gegen: „Reisen mit Javier und jetzt noch Robert ist einfach entspannend – warum dräng ich schon wieder weg“ und: „Das war mein Plan und mein einzig festes Ziel in Indien“ gegen: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm deine Pläne“ oder : „Wer Pläne hat, kann enttäuscht werden“ und: „Ich hab erzählt ich fahr den Pass, was sollen die anderen denken“ gegen: „Was scheren mich die anderen, die wissen doch nichts von meinen Plänen“ und „Das ist viel zu gefährlich“, gegen: „Wer weiß, ich noch nicht“...
Gut, um 4 Uhr bin ich nicht aufgestanden, sondern eingeschlafen. Gewonnen hat nach einem harten Zweikampf, unzählbaren gelben Karten und mindestens einem Eigentor das Gefühl und ich bin gefahren.

Wann mein Verstand dann endgültig den Kampf aufgegeben hat, kann ich nicht sagen. Aber ich glaube er hat.

urgemütlich....
In der nächsten Nacht liege ich wieder wach. Der Kopf bollert, mir ist übel und jede Bewegung verursacht Schwindel. Das ist die Höhe. Ich habe wahnsinnigen Durst, aber Trinken würde bedeuten, dass ich mich aus meinem Schlafsack pellen müsste. In dem liege ich mit Skiunterwäsche und Mopedhose und Socken und Wanderschuhen und mit zwei Fleecepullis und Mütze und Schal und Mopedjacke. Und nach einige Zeit pack ich auch noch das Zelt aus und breite es als Kälteschutz über uns allen aus, denn ich hör auch Sandish neben mir bibbern.

...und fast romantisch

Ich liege auf 4500 m draußen, lediglich im leichten Schutz einer Mauerecke von Straßenarbeitern, aber der Wind pfeift unerbitterlich über uns. Neben mir kuscheln sich zwei Inder aneinander und an mich, denn Nähe ist das Einzige, was Wärme produziert, denn das Feuer aus gesammelter Schafscheiße wärmt schon lange nicht mehr.

Bin ich verrückt? Wie konnte ich in diese bescheuerte Situation kommen? Wo ist mein Verstand geblieben? Irgendwann hat er mich verlassen..


Was hat mich dazu veranlasst mich durch den Kilometerlangen Matsch zu quälen, obwohl ich doch umdrehen wollte, wenn es zu schwierig wird? Alle paar Meter rutsche ich aus, dass ich schon nach den ersten Umfallern kqum noch Kraft mehr im Körper hab.
unzählige davon
Die Mopedstiefel versinken bis zur Wade im Matsch und saugen sich fest. Viel besser kann das nur noch der Seitenkoffer, denn wenn er plan in die k|ebrige Masse fällt, entsteht beim Aufheben ein Sog in dem Modder, dass vier Mann nötig sind um das Bike aufzuheben. Ich zitter schon beim Aufsteigen und bin froh um jede Pause, die mir ein Jeep oder Truck liefert, der vor mir freigeschaufelt werden muss, weil er wieder mal feststeckt. Ich such die beste Spurrinne, bleib mit den Seitenkoffern an den aufgeworfenen Seiten hängen, verklemme mir die Füße unterm Reservekanister, wenn ich die Beine beim füßeln nicht schnell genug rausziehe und versuche immer wieder mit „GAAAAAS“ Meter zu machen.

festgefahren
 Na gut, manchmal bin ich bei diesen Manövern in der Gegenfahrbahn gelandet, das bleibt nicht aus, wenn man eine vernünftige Spur verfolgt, aber die entgegenkommenden haben nicht nur vier haben Räder, sondern auch Mitgefühl und wechseln einfach mal schnell. Meist - bis mir ein breitgesichter und -gewichtiger Glatzkopf mit schwarz tätowierten Augenbrauen und Eunuchenstimme entgegenbrüllt: „Please stay on your line“. „Arschloch!!“ Dem Kerl hätte ich den Rest seiner Eier gerne auch noch abgerissen. Wahrscheinlich hat der noch nie versucht dreihundert Kilo auf zwei Rädern durch die Schlammberge zu kutschieren.
Mittlerweile ist ein Blinker lose, ein Spiegel aufgedreht, meine Nase wahrscheinlich gebrochen und die Kiste über und über voll Matsch.
Und meine Kopf ist immer noch schwach. Er meldet sich zwar noch „Dreh um“ - aber das Gefühl sagt, gleich wird’s besser. Ich muss den ganzen Hang hoch, an dem sich die Straße in Haarnadelkurven Meter für Meter nach oben schraubt und die unter der abgegangenen Schlammlawine begraben ist. Ich brauche knappe zwei Stunden, bis ein Schild und Fressbuden den Gipfel vermelden, der Matsch aufhört und mein GPS stolze 4500 m anzeigt. Geht doch!
Und dann geht’s runter. Schotter, Steine, Felsen, abgerissene Straßen, Sand, riesen Löcher, nahezu Gruben... Ich hab die Schnauze voll! Welche Hammerfrese hat denn gesagt oben wird’s besser? Ich lass nur noch laufen, denn bremsen wäre fatal. Zwischendurch ein paar Meter Asphalt, dann wieder Geröll. Ich werd irre. Ahhh! Schnell ein Foto schießen, die Aussicht ist herrlich und dann wieder kämpfen. "Asph...", vergiss es. Das Wort lässt sich nicht mal zu Ende denken, da ist es schon wieder vorbei. Mein Kopf sagt nochmal kurz: „Dreh um!!!!!“, aber er will weder durch den Matsch zurück, noch diese Enduroprologstrecke wieder rauf. Vielleicht ist es am nächsten Tag ja besser?
Und auf dieser Abfahrt begegne mir die zwei Inder auf einer Enfield, die den gleichen Traum in Alp erleben. Manchmal reden wir, dann fährt wieder einer, dann begegne wir uns wieder und dann fährt wieder einer und dann... dann stehen wir an einer Kreuzung und sie erklären, dass sie jetzt in diesen Schotterweg abbiegen, weil sie ins Spiti-Tal fahren, zum höchsten Dorf mit der ältesten Monastie.

Und wer jetzt hier entschieden hat, weiß ich nicht.
Irgendwas in mir sagte nur: „Coole Idee. Das ist besser als umdrehen. Ein näheres Ziel suchen, spektakulär ist es auch, und die Schotterpiste ist allemal leichter zu fahren, als dieser f*** Highway. In 50 km kommt ein See mit Camp, wo sie übernachten und an der Stelle kann ich immer noch überlegen ob ich die folgenden 80 km weiter mitkomme oder am See relaxe und dann zurückfahren.“
Mein Gefühl hatte anscheinend sofort gecheckt, dass die zwei Jungs nette Begleiter sind. Mein Kopf hätte vielleicht noch Fakten abgeklärt oder nach der Befahrbarkeit gefragt. Aber er schwieg.
Als ich im ersten Flussbett die Steine küsse, dämmert mir, dass der Kopf erneut eine kurze Auszeit hatte und ich den Weg nie alleine fahren kann. Als ein Wasserfall die Straße entlang fließt und ich wieder nur mit Bodenkontakt durch das wässrige Steinfeld komme, erkläre ich meinen neue Freunden, dass sie ab sofort Verantwortung für mich haben, denn hier komm ich weder alleine durch, noch zurück. Als nach dreißig Kilometern Vinish meine BMW fährt und ich als Sozia bei Sandesh endlich mal den Blick auf die Landschaft statt auf den Boden werfen kann, weiß ich, dass zumindest mein Gefühl nicht ausgesetzt hat, als es die Jungs eingeschätzt hat.
die zwei retten mein bike, während ich fotografiere

und wieder nix
Die beiden haben auch so ihre Schwierig-keiten mit der Strecke und maulen sich einige Male ab (fallen hin für die Nicht-Biker) aber mir gefällt es insgeheim, dass die zwei Jungs auch kämpfen müssen. Tut dem Ego gut. Gut, dabei zerbeult mein Seitenkoffer und der andere Spiegel, aber ich denke an Javiers Worte und ich genieße, dass ich in guten Händen bin und dass hinten drauf sitzen kann. Mulmig wird mir erst, a|s es dunkel wird, der See immer noch nicht in Sicht ist und ein Schild 14 km verspricht.

Wir schrauben uns in die Höhe, es wird kälter und kälter, 14 Kilometer bedeutet eine Stunde Fahrt. Vinish liegt wieder und zwar knapp neben dem Abgrund und mir stockt das bisschen Atem, was ich noch übrig habe - jetzt bitte nicht sowas. Mein Kopf meldet sich zaghaft mit Unwohlsein. „Schnauze – hätt´ste früher tun sollen, schon bei der Matsche am Rothang Pass!“, und das mulmige Gefühl bleibt. Aber ich finde auch hier noch was Positives – ich hatte nen guten Lehrmeister und viele noch bessere Vorsätze: Es ist hier oben noch ein bisschen heller.
dieselbe monastery drei tage später

Der See kommt und kommt nicht. Aber eine kleine Monastery, bei der wir das einzig Vernünftige in der Situation tun: wir beschließen die Nacht hier zu verbringen. Das ist besser als weiterfahren und hier gibt´s wenigstens eine Ecke, in die wir uns kuscheln können. Sandesh sammelt Scheiße zum verbrennen. Vinish baut n Joint, speziell für die Berge, dann friert man nicht so (alles Lüge) und ich versuche die nassen Schuhe und Strümpfe auszuziehen und irgendwie alles Warme für ein Nachtlager zusammen zu finden. Die zwei Ärmsten haben nur einen Schafsack, den sie sich teilen, eine Isomatte auf der sie sich zusammenkuscheln und je ein paar Schuhe, was komplett durchnässt ist. Aber alle Versuche, denen was anzubieten werden abgelehnt. Keiner hat übrigends einen Blick für den wunderschönen Sternenhimmel übrig, der funkelt, als wolle er uns Versöhnung anbieten.
Und so bin ich zu der zweiten Nacht mit dem Kopf-Gefühl-Rückspiel gekommen. Ich hab mich verflucht und mental gesteinigt. Ich hab mit Kopfschmerz und Übelkeit gekämpft. Ich hab das Fieber in mir aufsteigen und die Lungenentzündung vor der Tür stehen sehen. Ich hab mich mit nem LKW nach Manali zurückfahren und den Abhang hinunterstürzen sehen. Dann kamen Javiers Worte wieder in mir hoch und die Einfachheit des Wortes „enjoy“. Das hat aber auch nicht geholfen, machte mich aber ruhiger.
Keiner von uns schläft in dieser Nacht und am Morgen begrüßt uns nicht nur die leicht wärmende Sonne sondern auch Eis auf den Mopeds und den Pfützen. Was mir durch den Kopf geht kann wohl unausgesprochen bleiben. Aber wir haben überlebt und ich hab ne nette Geschichte fürs Lagerfeuer im Handgepäck.
soooo nett wars in der sonne - eine stunde lang

Und die Straße wurde noch schlechter.
Und ich bin in den nächsten Dorf geblieben.
Danach wurd die Straße besser, aber das erfahre ich erst hinterher.

spity-valley












Teilzwei

alu-parantha-meister-küche
Aber die Geschichte geht weiter, und dazu gehört jetzt nicht, dass es in dem idyllischen Ort, den wir bei Sonne erreichen und ich von einer ausgedehnten Wanderung und Relaxen träume eine Stunde später anfängt zu regnen. Zwei Tage lang. Neeein.
Dazu gehört auch nicht, dass ich hier die besten "alu prantha" zu esse bekommen habe...





polizeiposten - lange nicht gehabt!!
Dazu gehört, dass die Jungs am nächsten Abend zurück kommen und wir planen morgens früh loszuziehen.
Nachts schneit es, um sechs scheint die Sonne, um sieben ziehen Wolke auf und als wir um acht starten regnet es. - Ich mac  Druck an der Polizeikontrolle, denn eine riesen Gruppe belgischer Pauschalabenteurer in vier Jeeps mit Taschen voll Geld und teuren Kameras auf uns gerichtet, soll vor uns abgefertigt werden. Aber ich jammere als Frau einfach kräftig rum, sage dass ich Angst vor dem Regen auf dem Pass habe und manchmal hilft nerviges Frauengejammer ungemein, ich gewinne und es kann losgehen
.
Ein Traum voll Puderzucker überrascht uns in den hohen Bergen, der Schnee stört nicht, er ist nur kalt, aber wir fliegen fast den Pass hoch, genießen die Idylle und den feuchten Boden, auf dem der Grip besser ist, als auf staubig trocken Fels.
Na gut, ich hab auch Luft aus den Reifen gelassen, das erleichtert die Sache enorm und hlft beim entspannten Pistensegeln.




Fotos und gute Laune begleiten uns. Wir passiere unser erstes Nachtlager, lächeln und schießen ein Bild von den Gebetsfähnchen im Schnee und ich bin froh, dass meine Eltern nicht wissen, was ich schon wieder so treibe. Schon komisch, dass ich fast im Rentenalter noch solche Gedanken habe.

Bergab wird’s schon unangenehmer, weil die Kurven eng, extrem felsig und rutschig sind und als wir unter die Schneefallgrenze kommen, hört der Spaß auf. Die Piste  stehen unter Wasser, so dass eine Fahrrinne auf gut Glück gefunden werden muss. In leidlich trockenen Kehren hat das Wasser tiefe Furchen gespühlt. Einmal kommt ein kleiner Steinschlag vor uns nieder, dass wir grad noch bremsen können. Spuren von abgegangenen Felsen sind überall zu sehen. Schlaglöcher sind riesige Wasserlöcher geworden, dessen gelbbraunes Wasser beim passieren bis über den Tank spritzt. Solche Löcher sucht man sich für Actionfotos um einmal hindurch zu brettern und danach unter die heiße Dusche zu hüpfen, aber nicht bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit 150 km Heimweg durchs Gelände.
na! der hat auch die schnauze gestrichen voll

Unser Lächeln gefriert allmählich wie der Boden, die Finger folgen, und so gut wir uns auch durchbeißen... nach vier eiskalten Stunden durch den Regen, ist jeder froh, sich die Körperglieder und die durchnässten Klamotten an einem kleinen Feuer in einer Dherba leidlich zu wärmen. Wenn wir grad nicht gedanenversunken schweigen oder geräuschvoll bibbern, fluchen wir.
Ein vierter Mopedfahrer gesellt sich dazu und gemeinsam finden wir, dass die einzige Möglichkeit heute und lebend nach Manali zu kommen ein leerer Truck ist, dessen Fahrer Bock hat im stömenden Regen einen Zusaztverdienst einzuhandeln.
Wir bibbern und beten, zu welchem Gott auch immer, Buddah, Shiva oder der Allerheilige, vielleicht ist Allah auch mit dabei.
Jedenfalls hören die uns.
Und damit beginnt die eigentliche Tragödie in drei Akten.
Erster Akt - Verladung:
Wir verladen die Bikes auf die Ladefläche, indem der Wagen seitlich an einen alten Brückenaufläufer anfährt. Als ich mit meiner Dicken über die Notrampe auffahren will höre ich von der Seite: „Stop, it´s slippery,“ und ich wunder mich über den Kommentr, denn wenn etwas rutschig ist, dann der Weg der letzten Tage? 
Trotzdem halte ich lieber und beim Aufschieben weiß ich was der Kerl meint. Die gesamte Ladefläche der Truck ist mit einem schwarzen Altölfilm überzogen. Jede für die Eisschnellauf-Weltmeisterschaft präparierte Eisfläche hat mehr Grip. Wir rutschen, die Mopeds rutschen, Gepäck rutscht. Als würden wir fürs Altölcatchen bezahlt, überziehen wir in kürzester Zeit unsere Finger, unsere Klamotten, die Spanngurte, das Gepäck, die Helme, die Seitenplanken und alles, was mit uns in Kontakt kommt mit der schwarzen Pampe. Keine Zigarette, die weiß bleibt, kein Keks, der nicht nach Öl schmeckt, kein Kontakt zu irgendwas, was uns nicht entglitscht.
Und dann kommt die Frage der Sicherung der Bikes: Es ist unmöglich. Nicht nur wegen dem rutschigen Untergrund, sondern auch, weil jeder mögliche Fixpunkt am Truck über dem Schwerpunkt der Maschinen liegt. Ich opfer nahezu alles was ich an Spanngurten dabei habe, löse Gepäck und Notsicherungen und ziehe sogar noch die dünnen  Riemen hinzu - es ist also eine Menge. Hinzu kommen Tücher, Seile, Riemen, alles, ws gefunden wird, wird verwendet. Bikerarschloch vier ist ein Egoschweinehund und kümmert sich ausschließlich um das Wohl seiner Kiste. Wir drei anderen aber versuchen so gut es geht unsere Maschinen zu sichern. Wir suchen verzweifelt Fixierpunkte, die die Mopeds in eine Ecke oder gegen einen festen Punkt ziehen. Unmöglich.
Nachdem mich der Zustand der Ladefläche ernüchtert hat und der sichere Transport hoffnungslos zum Scheitern verurteilt ist, schaue ich mir unseren Lebensretter genauer an. Durch das Bodenblech im Fahrerraum kann ich die Fahrbahn unter uns beobachten, im Innenraum gibt es kein einziges Instrument, außer einer notangebrachten Hupe, und einer lose hängenden Glühbirne, die jedesmal leuchtet, wenn der Wagen absäuft (Und sie leuchtet oft. Und einige Male müssen wir schieben. Aber das macht nichts, denn das macht warm.) die Fenster lassen sich nicht schließen, so dass Regen und Schnee weiter auf uns einprasseln, die Reifen gleichen Slicks und ich bete, dass wenigstens die Bremsen funktionieren. Unser Lebensretter entpuppt sich als Seelenverkäufer.


Akt 2 - Transport:

Viermal halten wir während der Fahrt an, um die Fuhre neu aufrichten und verzurren, weil das gesamte Arrangement durch die Steine und Schlaglöcher auf dem Ölfilm in sich zusammensackt. Der Lenker der Enfield steht auf halb acht, meine Armaturen der linken Seite hängen in Fetzen. Immer wieder wandern unsere Blicke nach hinten auf die Ladefläche, jedes Schagloch schmerzt in der Seele und wir verziehen das Gesicht, als würden wir die Schläge selbst spüren.
Nachdem einer der unzähligen Blick von Winish nach hinten wieder von lautem Gestöhne begleitet wird, bitte ich ihn nur noch nach vorne zu schaun: „It´s only money,“ ich habe bereits resigniert, denn die Dollar purzeln vor meinem geistigen Auge, wie die Regentropfen vom Himmel. Ich konzentrier mich auf´s Wesentliche: „It´getting dark, and have seen the tires.... I want to come down alive.“
Er scheint zu verstehen, denn langsam verlässt uns alle die Zuversicht, ob dieser Entscheidung. Der Wagen rappelt und kracht den Pass hoch, durch die Wolken und Kälte, während durch das Fenster wahlweise Schnee oder Regen weht. Er brettert durch Schlaglöcher in denen man unauffällig eine Großfamilie hätte beerdigen können, durch Matsch, der die Richtung des Trucks mehr bestimmt, als das dafür vorgesehene Lenkrad, an entgegenkommenden LKW vorbei, dass mir nicht anderes einfällt, als die Augen zu zu drücken und den Atem anzuhalten.
 

Ich muss an den Songteyt von BAP denken: „Joh wenn et Bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät...“ und ich bete, gebetsmühlenmäßig, denn schaden kann es ja nun wirklich nicht...


Akt 3 -Verdauung:
To make a long story short:
Wir überleben. Natürlich nicht ohne, dass Vinish noch einige Male nach hinten schaut, und nicht ohne, dass meine einzige Kommunikation daraus besteht den Fahrer wahlweise mit „slowly-slowly““, „raaaiiiiight“ oder „fuck-passdochaufduarschloch“ anzuraunzen. Ich hab das Gefühl das animiert ihn zu Racheakten, denn danach fährt er extra auf glatten Passagen langsam und auf Gravelroads schnell.
die jungs dieser werkstatt sind einfach klasse

Wir erreichen meine Stamschrauber-werkstatt, in der ich vor einer Woche Öl gewechselt habe, im Dunkeln. Aber wie überall in der Welt sitzt man hier auch nach Feierabend noch gemütlich bei Bier und Joint zusammen und klönt. Und keiner kann es sich verkneifen mir Kommentare entgegenzschleudern, das man NIE NIE NIE einen Truck nimmt, wenn man noch einen Funken Verstand im Hirn und einen Tropfen Blut im Körper hat, um selbst zu fahren.
THANX - das Lehrgeld hab ich grad gezahlt.



Und dann lieber Herr Nideggen... dann hat sich das Beten vielleicht doch gelohnt:
Der Wagen des Seeenverkäufers schafft es genau bis hier hin. Danach ist Ende. Beim Versuch anzurollen nimmt er sogar noch ne Mauer mit und ramponiert sich die Auflage. Das ist jetzt zwar weder christlich noch buddistisch und auch menschlich ne Schweinerei, aber in dem Moment harmonisieren Kopf und Gefühl wieder einwandfrei miteinander: mein Gefühl jubiliert zum Himmel und mein Kopf verbreitet den leisen Hauch von Genugtuung.

auch ungedreht unverkennbar: eineinhalb tage hab ich in der werkstatt in vashisht dran gearbeitet, damit sie wieder fahrbar ist und die wichtigsten ersatzteile sind morgen im handgepäck von meinem liebsten. wieder ein schutzengel an meiner seite

2 Kommentare:

  1. Schwesterherz, ich weiß nicht, ob ich dich als wagemutige Abenteuerin bewundern, oder als leichtsinnige Verrückte einweisen lassen soll. Vielleicht liegt es an der kölschen Grundeinstellung ("Et hätt noch immer jot jejange") oder am hellmischen Grundoptimisums, aber aus irgendeinem Grund bin ich mir sicher, dass du alle Gefahren gut erhalten überstehen und meistern wirst.
    Das größte Problem wird wahrscheinlich die Resozialisierung am Ende deiner Fahrt, aber darüber brauchst du dir ja Gott sei Dank noch keine Gedanken zu machen.
    Bis dahin hoffe ich auf viele weitere tolle Beiträge von dir, die mich hier in meiner warmen, heilen Welt an deiner unglaublichen Reise teilhaben lassen. Fühl dich gedrückt!

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