Strand in Nowshahar |
Der Iraner an sich ist
Zeltfetischist. Das ist nicht an der Kleidung zu erkennen - da sind die Pakistanis besser,
sondern eher daran, dass er immer und überall zeltet.
In Tabriz
eskalierte die Situation wohl, weil drei Tage zuvor ein heftiges
Erdbeben der Region 250 Tote beschehrte und zwei Stunden vor unserer
Ankunft ein weiteres Beben die Menschen in Angst versetzten. Die
Stadt war übersäht mit Wurfzelten, weil Zelte in dem Moment mehr
Schutz als Häuser boten.
der Morgen danach |
Aber trotz alledem, sonst
bieten sie Lebensqualität und sie stehen überall im Land -
unterschieden nur durch die Farbe: auf nahezu jedem Stückchen
Grünfläche, auf dem Seitenstreifen einer Autostraße, auf dem
Gehweg einer Stadt, in einer Haltebucht an der Ladstraße, in einer
Lücke zwischen zwei parkenden Autos. Es wird gezeltet. Wild. Bei uns
unvorstellbr.
Wahrscheinlich hat die
Regierung irgendwann, um dies im Zaum zu halten, „Campingplätze“
errichtet, die großflächig, kostenfrei und mit Sanitären Anlagen
versehen ist. In meinen Augen ein Stück Freiheit, die es bei uns
nicht gibt.
Außerdem ist der Iraner
an sich Nachtaktiv.
Strand um dreiundzwanzig
Uhr in Nowshahar. Stefan schläft schon lange.
Rechts neben mir wir
Volleyball gespielt. Die Kleine hat ihr Kopftuch abgelegt und
schmettert die Bälle kraftvoll ihrem Dad um die Ohren. Zwei Meter
links neben mir, ist die Gebetsstunde zu Ende, der Grillduft hängt
noch in der Luft und die Familie speist, während die Kleinen munter
brabbeln. Hinter mir ist die Kohle der Shisha jetzt genügend
angewirbelt, der angenehme Duft mischt sich zum Fleisch von nebenan
und die Jungs sitzen gemütlich schmauchend drumrum. Eine neue Gruppe
Menschen läuft bepackt mit Samowar und Wasserpfeife an mir vorbei
und sucht noch ein Plätzchen.
Permanent knattert ein
Moped oben an der Straße vorbei, die Autos stauen sich und parken
mittlerweile in zweiter Reihe, ohne sich daran zu stören, dass
irgend jemand möglicherweise nicht ausparken könnte. Das scheint
auch niemanden in irgend einer Weise zu interessieren, wahrscheinlich
sind alle morgen noch da. Der Bürgersteig zwischen Straße und
Strand ist in Millimeterarbeit mit aneinandergereihten Wurfzelten
bestückt.
Hier sind die Iraner den Franzosen haushoch überlegen,
denn scheint es in Frankreich nur eine Outdoomarke zu geben, so
scheint es her nur eine Zeltart zu geben. So vermindert man Neid und
so fallen die zwei exotischen Behausungen von Stefan und mir sofort
ins Auge. Außerdem scheinen die Iraner nicht nur auf dem Autos
Perfektionisten im Packen und stapeln zu sein. Tetrismäßig wird
jede noch so kleine Lücke, wie bis eben noch neben Stefans Zelt,
sofort mit dem Teppich von neuen Nachtschwärmern gefüllt.
Die Familie, die sich
neben Stefan einquartiert hat, erwischte mich eben am Moped, als ich
ein Objektiv rausfischen wollte. Ich hatte lange überlegt
(mindestens so lange, wie kurz vorher, ob ich wirklich komplett
bekleidet schwimmen gehen sollte) ob ich mein Stativ zum
Fotografieren wirklich auspacken sollte. Der Mann hielt sich
fassungslos den Kopf, als er erfuhr, dass ich aus Deutschland bin,
zerrte direkt seine ganze weibliche Sippe aus dem Auto, stellte mich
vor und machte Fotos. Und obwohl wir uns nicht, aber auch gar nicht
verständigen konnten, war es mir unmöglich ein Bild mit dem bereits
aufgebautem Stativ zu machen, weil fünf Frauen, samt ihm um mich
herumstanden, redeten, lächelten und wenn dann auch wirklich nichts
mehr zu besprechen war auf die Einstellungen auf meinem Display
schauten. Die Situation rettete dann auch nicht der herbeigerufene
Shisharaucher von Stefans anderer Zeltseite, der zwar drei Worte
englisch sprach, aber eben nicht die nötigen.
Grillstände am Strand |
Überall steigt
Grillrauch zum Himmel, überall sitzen Gruppen von friedlichen
Menschen, spielen Kinder Ball oder flitschen leuchtende Ringe in die
Luft, Menschen scherzen, lachen, quatschen, ich versteh nix fühl
mich aber trotzdem wohl. Ringsherum am Strand stehen Zelte, wirbelnde
Shishakohle bringt Straßenkünstlerathmosphäe und, von Zeit zu Zeit
jagt ein Moped über den Strand - Zack – ein Ball gegen mein Zelt.
Die Kinder suchen ihn, wuseln um mein Zelt und das vielleicht
10-jährige Mädchen sagt freundlich „I´m sorry“. Wir suchen den
Ball, bis es von schräg gegenüber tönt: „Inside. inside“
Im Meer tummeln sich
immer noch Badende. Männer natürlich halbnackt und Frauen völlig
bekleidet. Mein Versuch eben auch schwimmen zu gehen, ließ mich nur
sehnsüchtig an mein letztes nackt baden in Van denken sondern es
führte auch dazu, dass mein Zelt von der nassen Garderobe unter
Wasser steht und die Jeans morgen bestimmt immer noch zwei Kilo
Nassgewicht hat. Ein Blick verrät, dass jetzt Wellen aufgekommen
sind, der Spaß würde sich also jetzt potenzieren aber der Gedanke
an den Aufwand lohnt das Vergnügen nicht. Das ist echte Scheiße an
dem Land.
Der fast
englischspechende Shisharucherkommt vorbei und drückt mir einen
Zettel mit seiner Telefonnummer in die Hand und erklärt ganz
selbstverständlich, dass er in Kashan wohnt, und dass wir ihn
unbedingt besuchen sollen, wenn wir dort vorbeikommen. Um die
Einladung zu untermauern hat er seinen Bruder im Schlepptau, der
etwas besser Englisch spricht und der drückt mir unverzüglich und
noch ehe ich noch irgendwas sagen kann sein Handy ans Ohr, damit ich
mit seiner Schwester in Kashan reden kann. Ich bin platt. Die fackelt
auch nicht lange rum, diktiert mir auch noch ihre Nummer, lässt sie
profimäßig von mir wiederholen und beendet das Gespräch mit den
Worten: „See you tomorrow. I wait for you“. Die Jungs von
gegenüber bekommen mit, das ich aus Deutschland bin, kommen kurz
rüber, stellen sich vor, wünschen alles Gute und gehen wieder.
Woher kommt diese
Gastfreundschaft, diese respektvolle Nähe, denn keiner hat mir
jemals das Gefühl gegeben aufdringlich zu sein. Auch die Brüder
verabschieden sich freundlich und verschwinden, kein langes Gerede,
so das es mich all zu lange beim Tippen stören könnte.
Ich erinner mich an
die Horde gutsituierter Mittzwanziger, die mit ihren fetten Autos
heute nachmittag vor mir parkten, als Stefan kurz Cola holte. Ich lag
träumend im Gras, als die acht Frauen und Männer plötzlich um mich
standen, mein Moped fotografierten und auf mich einedeten. Mein Hirn
signalisierte Gefahr, was es aber nicht war, sondern nur freundliche
Neugier, denn nach einem ausgiebigen Fotoshooting mit jedem und jeder
mal, fuhren sie von dannen.
Und genauso die andere
Nobelkarosse, die neben hielt während die Insassen fröhlich winkten
und den Daumen hoch hielten, und dann ein Stück weiter parkte.
Normalerweise wird einem dann mulmig. Wir aber denken uns nichts
dabei und auf einmal kommt ein älterer Herr in weißem Hemd zu uns
und schenkt uns eine Tüte mit gebrannten Mandeln, gratuliert uns zu
dem Trip und verschwindet wieder.
Oder der
Melonenverkäufer, der an einem Parkplatz in den Bergen neben uns
hält, uns die besten Weintrauben mit einem zahnlosen Lächeln und
mehren wohlwollendem Kopfnicken in die Hand drückt, seinen
Kleinlaster wieder startet und verschwindet.
Oder das Päärchen an
der Tanke, wo wir uns extra um die Ecke stellen, um in Ruhe nur eine
Cola zu trinken. Sie fahren an uns vorbei, grüßen, halten, wollen
ein Foto machen und schenken uns Gebäck... und dann hält auch schon
der Nächste, der uns zwar nichts schenkt, aber uns im astreinen
Englisch eine Potenzierung der türkische Wegbeschreibung liefert,
nach der wir überhaupt nicht gefragt hatten.
Das gibt’s doch nicht.
Kaum hat die Gebetsfamilie neben mir ihr Geraffel zusammengepackt,
steht das nächste Zelt mit Kleinfamilie da. Mittlerweile ist es
Mitternacht, aber der Kocher wird angeschmissen und der Grill wieder
angeheizt und das Arrangement von Basmatiduft und Kebap weckt mein
Hungergefühl empfindlich.
Die Kehrseite der Medallie: Abgetrennter Frauenereich |
Ein Gedanke an Hamburg
schwirrt mir durch den Kopf. Als ich dort an einem lauen Frühlingstag
mit Ben und Davy um die Alster fuhr trafen wir einen Iraner. Er saß
mutterseelenallein am See, inmitten von Bergen an Essen, hatte sich
seinen Grill angeschmissen, aß, trank und genoss die Sonne. Es lud
uns zum essen ein und erzählte, dass er sein Land vermisse. Jetzt,
wo ich hier sitze, inmitten der grillenden Familien, kann ich seine
Einladung verstehen und auch in bisschen seine Sehnsucht.
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