Noch am Anstiegsweg zum Camp I |
Die Tour auf den Ararat ist der Hammer. Seit vier Wochen keine Bewegung außer den Mopedlenker gegen Wind stemmen, hab ich mich auf mein Hirn verlassen, das sich in Extremsituationen daran erinnert, dass ich sportlich und fit bin. Das hat bisher immer in den Alpen funktioniert und mir letztes Jahr auch immerhin die Besteigung des Toubkal von 4200 m Höhe in Marokko ermöglicht. Da hatte ich auch vier Wochen nichts getan.
Der Ararat ist anders.
Camp I - Effes auf 3600m, das Gipfelbier ist noch weit |
Wir stehen um zwei Uhr
morgens auf und um drei Uhr wird ab 4200 m Höhe losmarschiert. Die
Luft ist dünn, das Thermometer zeigt Null Grad und ich keuche bei
jedem Schritt. Ich denke nur an den Toubkal; „Kiki, da bist du ohne
Führer ohne Karte und ohne Begleitung rauf. Wenige Momente der
Luftknappheit und des Schwindels hast du locker weggesteckt. Du hast
am Abend vorher geraucht. Was ist jetzt los?“
Ich hechel wie ein
Walross mir drei Tonnen Lebendgewicht, fange an mir Sorgen zu machen
wegen dem eisigen Wind, den vereisten Steinen und den Geröllfedern.
Nach zwei Stunden bitte ich um Rast. Ich brauche Nahrung, denn Frühstück um zwei Uhr war nicht mein Ding. Der heiße Tee, dank Stefans Flasche ist eine Wohltat und langsam geht auch endlich die Sonne auf. Aber sie hilft nur den Weg besser zu erkennen, die erhoffte Wärme bleibt noch aus. Kurz darauf werden die Steigeisen angelegt und es geht über Schneefelder weiter, die so vereist sind, das man jeden Schritt heftig in den Grund stemmen muss. Der Wind macht mich wahnsinnig und ich habe keinen Blick für den blauen-rosanen Himmel über dem glitzernden Eis. Zugeschnürt und vermummt gegen den Sturm, wird der Mundschutz der Jacke so fest gegen Mund und Nase gepresst, dass es mühselig ist, das bisschen Sauerstoff hier oben in die Lungen zu ziehen. Würgegriffe können kaum schlimmer sein. Meine Finger sind unbeweglich und taub, trotz der dicken Handschuhe. Eine erste Gruppe kommt uns entgegen, weil sie beschlossen haben, dass der Auftstieg wegen dem Wind unmöglich ist. Na prima - jetzt kommen mir erste Bedenken und das Kopfkino mit Bildern vom Film „Nordwand“ machen die Situation nicht besser. Keine guten psychischen Voraussetzungen.
Sonnenaufgang gegen 6 Uhr nach drei Stunden Marsch |
Nach zwei Stunden bitte ich um Rast. Ich brauche Nahrung, denn Frühstück um zwei Uhr war nicht mein Ding. Der heiße Tee, dank Stefans Flasche ist eine Wohltat und langsam geht auch endlich die Sonne auf. Aber sie hilft nur den Weg besser zu erkennen, die erhoffte Wärme bleibt noch aus. Kurz darauf werden die Steigeisen angelegt und es geht über Schneefelder weiter, die so vereist sind, das man jeden Schritt heftig in den Grund stemmen muss. Der Wind macht mich wahnsinnig und ich habe keinen Blick für den blauen-rosanen Himmel über dem glitzernden Eis. Zugeschnürt und vermummt gegen den Sturm, wird der Mundschutz der Jacke so fest gegen Mund und Nase gepresst, dass es mühselig ist, das bisschen Sauerstoff hier oben in die Lungen zu ziehen. Würgegriffe können kaum schlimmer sein. Meine Finger sind unbeweglich und taub, trotz der dicken Handschuhe. Eine erste Gruppe kommt uns entgegen, weil sie beschlossen haben, dass der Auftstieg wegen dem Wind unmöglich ist. Na prima - jetzt kommen mir erste Bedenken und das Kopfkino mit Bildern vom Film „Nordwand“ machen die Situation nicht besser. Keine guten psychischen Voraussetzungen.
Dann kommen wir zum Kamm,
den wir auf der Spitze überqueren müssen. Es geht zwar nicht rechts
und links steil runter, wie ich befürchtet habe, aber der Wind legt
zu. Losgerissene Eisstücke, teilweise groß wie Schallplatten
flitzen durch die Luft, nutzen den Kamm als Sprungschanze für den
Angriff auf uns. Die kalten Geschosse fliegen uns teilweise bis zur
Kopfhöhe wie Butterflymesser um die Ohren. Die Dinger tun schon weh,
wenn sie unausgewachsen gegen die Beine und Arme schnellen, Was
richten die großen Schollen auf Halshöhe an. Der Spuk in meinem
Kopf geht weiter. Nur ganz kurz kann ich der Situation etwas Schönes
abgewinnen, dass erkläre ich wieder alles zum Wahnsinn. Wir setzten
weiter einen Schritt vor und taumeln im gleichen Moment drei zurück.
Da kostet Kraft, ich schwöre nie wieder zu rauchen und jeden morgen
zu joggen.
Eine zweite Gruppe kommt
uns entgegen – aufgegeben.
Ich will nicht mehr. Ich
weiß wirklich nicht, was die ganze Scheiße hier oben soll. Ich will
meinen Liebsten wiedersehen und meine Reise weiterführen. Wem zum
Teufel muss ich hier was beweisen? Fotos machen ist unmöglich,
Aussicht genießen aussichtslos und meine Finger spür ich seit
Stunden nicht mehr.
Ich äußer meine
Gedanken laut. Das kostet Kraft. Innere. Ich geb eigentlich nicht
auf.
Thomas will weiter,
Stefan schweigt und wir drei einigen uns, dass unser Führer mit uns
absteigt und die schon in Sichtweite antrottende nachfolgende Gruppe
Thomas mitnimmt. Immerhin sind wir seit
drei Tagen gemeinsam aber in zwei Gruppen unterwegs, weil die
Schweitzer sich ihren Personal-Guide leisten wollten und auch
langsamer gehen.
Eine gute Lösung, so
bleibt mir nur der eigen Frust der Aufgabe und nicht das Gefühl für
das Scheitern der Anderen verantwortlich zu sein. Stopp: nennen wir
es Planänderung statt scheitern.
Aber es kommt anders. Die
Schweitzer Gruppe nimmt Thomas mit. Stefan schließt sich zu meiner
Verwunderung auch an, obwohl ich seit dem ersten Tag nur quälenden
Kampf in seinem Gesicht gesehen habe und ich Stein und Bein
geschworen hätte, dass er es nicht packt.
Und ich kann es nicht
verknüsen alleine abzusteigen. Trotz dem Hass auf die Situation
drehe ich auch um und hole alle wieder ein. So geht das nicht. Ist es
Stolz? Selbstachtung? Überwindung? Ich weiß es nicht und ich
versteh es auch nicht.
Muss ich auch nicht, denn
es ist unglaublich und irgendwas ist anders: Der neue Bergführer
nimmt einen etwas anderen Weg, die Schweitzer bilden eine harmonisch
Einheit, wir drei Gestalten sind gebeutelt aber Willensstark. Keine
Ahnung, aber wir gehen. Der etwas andere Weg nimmt dem Wind die
massive Kraft, so das man wie in Trance Schritt um Schritt laufen
kann, ohne permanent zurückgeworfen zu werden. Ich folge den ersten
Beiden, denn sie gehen mein Tempo, der Rhythmus stimmt, die Harmonie birgt Ruhe, durch meinen Kopf summen meditative Klänge, ich bin
am Ende, aber es läuft. Nicht ich – irgendetwas läuft.
5165 m |
Nein. Dafür gekämpft,
dass ich wirklich oben angekommen bin. Stolz recke ich den Arm in den
Sturm während ich mit der anderen die Fahne umfasse. Irgendjemand
fotografiert. Es wird sich gratuliert.
Aber irgendetwas ist
falsch - ich bin nicht stolz.
Ich hab nicht das Gefühl
wie auf dem Toubkal, den ich allein ohne Bergführer und Karte
bezwungen hab. Nicht so hoch, nicht so kalt, nicht so berühmt nicht
so spektakulär. Aber da war ich mit mir da. Und jetzt fehlt
irgendwas.
Tage später kann ich es
fassen.
Tage später liege ich an
dem spiegelglatten wunderschönen Balik Gülü, einem Bergsee, von
dem so viele geschwärmt haben, in der Nähe des Ararat. Lächerliche
2200 m hoch, winzige 70 km vom Campingplatz entfernt, unspektakulär
mit dem Moped hingefahren umgeben von ruhigen, sanften Bergen, die
eher zum Sonntagsspaziergang statt zm Abenteuer einladen, in der warmen Sonne.
Rike - bei dem Bild muss ich an deine Worte denken |
Und doch bin ich
glücklicher als auf dem Gipfel des monströsen Nachbarberges, der
mit seiner schneebedeckten Spitze immer noch über die Weite grüßt.
Ich sitze am See, picknicke Brot mit Suçuç
und Tomate, schaue in die ferne, nehme die Stille in mir auf und
langsam versteh ich warum ich jetzt ein Gefühl von Stolz habe: Ich
hab es allein gemacht – war nicht fremdbestimmt.
Ich hab mich
durchgefragt, wie der See heißt und wo er liegt. Ich bin alleine
hingefahren, nach 20 km von der Straße ab und über Asphalt, der
seinen Namen nicht verdient, durch Baustellen, die kein Ende
versprachen, durch Dörfer, die nach Ende aussahen,
Wege, die Highways für Ziegen aber nicht für Mopeds sind und Auffahrten, in denen mir schlagartig bewusst wird, dass ich ohne Schutzkleidung unterwegs bin, immer der Nase nach und immer wieder gefragt. - Ich hatte niemanden der mir den Abmarschtermin für den nächsten Morgen nennt, der die Route kennt und der mich führt, der mir ein Lunchpaket schmiert, der die mobile Küche vor Ort aufbaut und der sagen kann, was hinter der nächsten Kurve kommt.
Wege, die Highways für Ziegen aber nicht für Mopeds sind und Auffahrten, in denen mir schlagartig bewusst wird, dass ich ohne Schutzkleidung unterwegs bin, immer der Nase nach und immer wieder gefragt. - Ich hatte niemanden der mir den Abmarschtermin für den nächsten Morgen nennt, der die Route kennt und der mich führt, der mir ein Lunchpaket schmiert, der die mobile Küche vor Ort aufbaut und der sagen kann, was hinter der nächsten Kurve kommt.
Ich habe mit zahnlosen
Frauen geflirtet und mit jungen Burschen auf dem Pferd Fische
bestaunt. Ich habe mit einem Hirten Fotos gemacht und mit den Einwohnern eines ganzes
Dorf, was wohl vom Scheiße-dörren lebt, gelacht.
Ich hatte niemanden, der den organisierte Chai-trink-stopp im Nomadendorf bei seiner Mutter ankündigt, in dem letztendlich alle zahlenden Touristengruppen abgeladen werden. Alle bekommen ihren Chai serviert, dürfen auch gerne mal ein Foto schießen und insgeheim wird von Mama-Nomade doch ein aussagekräftiges Bakshish für die gespielte Gastfreundschaft erwartet wird.
Ich hab die Gesichter gesehn...
Ich hatte niemanden, der den organisierte Chai-trink-stopp im Nomadendorf bei seiner Mutter ankündigt, in dem letztendlich alle zahlenden Touristengruppen abgeladen werden. Alle bekommen ihren Chai serviert, dürfen auch gerne mal ein Foto schießen und insgeheim wird von Mama-Nomade doch ein aussagekräftiges Bakshish für die gespielte Gastfreundschaft erwartet wird.
Ich hab die Gesichter gesehn...
Nicht falsch verstehen,
ich habe jede Minute der Ararat-Tour genossen, aber Glück oder Stolz wird
für mich aus einer anderen Quelle genährt.
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