Mittwoch, 22. Mai 2013

AbspanN

Die Mail, die ich an meinen alten Kumpel in Dubai schon geschrieben hatte, in der ich meinen verbindlichen Besuch zusagen wollte, war noch nicht verschickt. - Sauber Kiki. 
Der Flug nach Dubai hat einen Stopover in Colombo. - Kein Zufall. 
Und eigentlich wollte ich schon in Indien mal nach Sri Lanka rüberhüpfen. - Deutlicher kann mir der Zaunpfahl doch gar nicht winken.
Meine Idee steht schnell fest: ich spar mir ein paar Tage Party in Dubai, schiebe die Zeit für Zärtlichkeit mit meinem geliebten wartenden Mann nochmal ein wenig nach hinten und fahre für einen persönlichen Abspann nach Sri Lanka. Nur noch einmal etwas Moped fahren, einmal ein  bisschen wandern, einnal Tauchen und sonst nur ausspannen.....

Dass die Entscheidung richtig war merke ich allerdings erst im Laufe der Tage.

Sri Lanka begrüßt mich erstmal leider mit dermaßen aufdringlichen Threewheeler Fahrern, dass ich keine Hundert Meter vom Flughafen entfernt schon die Schnauze gestrichen voll hab.
Warum sind meine Flugetappen auch immer von Begleiterscheinungen untermalt, die mich übermüdet und aggressiv machen. Ich sach ja, der Teufel sitz im Bus oder im Flieger. 
Nach einem herrlichen Gelage mit zwei Freunden auf der Dachterasse in KL, bin ich um vier Uhr morgends mit natürlicher Schräglage am Flughafen eingetrudelt und hab mich erstmal für großzügige zwei Stunden zum ersten Rausch ausschlafen auf den Boden flachgelegt. Ich hab das Gefühl jeder hat hier dasselbe gemacht, denn der Terminal gleicht einer Festival Wiese am dritten Tag. Schlafende Menschen liegen zwischen Gepäck und Müll. Für einen hochmodernen Flughafen eine Schande, dass es hier keine Sitze gibt. Mein Flug geht um neun und mein Wecker beschehrt mir um halb sieben eine eiskalte Dusche: mein Flug steht immer noch nicht auf der Anzeigetafel. Selbst die versoffenste Nachteule hätte jetzt gemerkt, das hier was nicht stimmt. 
Auskunft, Falscher Flughafen, Gepäck auslösen, Shuttle fährt nicht, Taxi. Mein Kopf ist in Sekunden klar. „How long s the trip“ „Ahmm, no traffc, half hour“. Gib Gas -Baby, die checken schon ein.
Na, dann beginnt mein Ausspannen ebenmit Hektik. Da merkt man den Unterschied weni9gstens so schön.


Und dann geht alles ganz schnell in Sri Lanka. Nicht nur, dass ich innerhalb einer Stunde wieder ein neues Moped unter dem Hintern habe. Ich nutze die zwei Wochen, um alles noch einmal Revue passieren zu lassen und da ich das Wichtigste im Kleinformat noch einmal erlebt habe, fällt es auch nicht schwer, dies als meinen persönlichen Abspann zu betrachten.

Ich hab das Bike nochmal über grabbelige Straßen gejagd....











und durch dicksten Verehr in Colombo gelenkt….



und nochmal flachgelegt – diesmal mit meinem Tourguide hinten drauf.







Ich hab mich noch einmal ohne Eintritt in einen Nationalpark geschummelt...



und hab nochmal für einen Tempel gezahlt, in den ich gar nicht wollte.





Ich hab nochmal Zeit mit netten Menschen verbracht...








und noch viel mehr Zeit ohne irgendeinen Menschen.







Ich bin noch 
einmal 
tief runter....





 und einmal hoch hinauf.









Ich hab Budda byebye gesagt - ich werd ihn vermissen....






ich hab der Schnäuzerkultur byebye gesagt – ich werd sie nicht vermissen.



Ich hab die Arbeitenden beobachtet...








und die Freizeitkünstler beobachtet und kaum Unterschiede bemerkt.




Noch einmal wilde Tiere vor die Linse gekriegt. 



 








 
Byebye Bike gesagt....












Und dann ist auf einmal alles vorbei.

Ich sitze im Flieger, die Zeit verstreicht, die Menschen werden hellhäutig, auf einmal sind Ansagen auf Deutsch und ich hab das Gefühl ich komme von einem Wochenendtrip. War ich weg oder war das nur ein ziemlich guter Traum? 
Als ich aussteige empfängt mich das klassische deutsche kalte Schmuddelwetter und dazwischen ein überglückliches Lächeln.

Ja, ich war weg - Welcome back

Dienstag, 7. Mai 2013

TemplgedönS 3 rain

Leuchtend grüne Reisfelder, soweit das Auge reicht, kleine Bambushütten dazwischen, Ställe mit Nutzvieh wie Esel oder Kühen und vereinzelte Kokosnusspalmen. Der Blick verzaubert mich morgends, als ich zwischen einzenen Yogaübungen einen meinen zuckersüßen Kaffee schlürfe. Ein Ort des Friedens. Das schreit sozusagen nach Durchstreifen und Eintauche in diese Idylle.
Zackzack ein Frühstück und los, denn der Regen kommt früh genug – ich rechne um drei Uhr mit ihm – das Ergebnis einer Amateur-Meteorolgie-Mischkalkulation aus sieben Tage Bali, der noch leicht zuckenden Hoffnung und realistischem Blick gen Himmel.
Erste Wolken ziehen auf, verdammt sind die schnell heute. Ich berechne neu ob ich die Runde schaffe, wieviel Zeit ich am Tempel oder am Wasserfall hab, aber dann reicht es mir - komme was wolle, es kommt sowieso anders.
 


Also auf mit guter Laune zum Wasserfall, um ohne Kleidung ein freiwilliges Bad zu nehmen bevor die unfreiwillige Dusche von oben über die Kleidung ergießt.
Aber schon ein Stündchen später am verwunschnen Tempel im Wald - ich hab noch nicht alle Tempeldetails im Herzen und auf Digital aufgenommen beginnen die erste Tropfen zu fallen.
Mist, völlige Fehlkalkulation; an der Börse hätte ich jetzt einen Crash verursacht.
Ich muss umdenken: Wenn ich zurückgehe, häng ich in dem dumpfen Zimmer ab oder muss Billiard mit Locals spielen und Bier trinken.
 


Wenn ich hier abwarte könnte ich... Hmmm... Mmmm... Mmmed??... Meditation???... Meditation!!!
Warum nicht? Ich bin ja jetzt geübt...
Vorvorgestern hab ich energetischen Austausch und Chakraöffnung mit heiligen Steinen erfahren, so dass ich nach drei Stunden Erstbehandlung mir tatsächlich eingebildet habe spirituelle Energie zu spüren. Erschöpft musste ich anschließend erstmal ein Bier trinken – aber das Gefühl war da.
Vorgestern hab ich mit Madi nach allen Regeln der Meditation in einem moosüberwachsenen Tempel in Reisfeldern bei Ubud Gedanken verschwinden lassen und hab es imerhin einige Minurten geschafft im Duft von Räucherstäbchen, vor einem Blumenschälchen sitzend und in Anwesenheit Shivas die Welt um mich vergessen zu können.
Gestern hab ich immerhin eine Stunde meditativ vor einem Kaffee gesessen, ruhig und gelassen den Regentropfen zugeschaut und alle fluchenden Gedanken über das Scheißwetter und dass ich mit dem Moped unteregs bin erleuchtet beiseite geschoben.
Ja, ich bin bestens präpariert.
Einen Sarong hab ich schon verpasst bekommen, die Gebetsecke ist sinnvoll gegen Regen geschützt, kein Schwein außer dem aufsichtstragenden Mönch ist hier draußen und nach einer Donation bekomme ich auch ein paar Räucherstäbchen gespendet.
Ich verstreue den Duft in der Luft, wie ich abgeguckt habe, versuche mich an Körperhaltung und notwendigen visuelle Vorstellungen zu erinnern, nehme Energie von Vater Natur und Mutter Erde auf – oder war das etwa andersrum, und nehme dann aus dem Augenwinkel wahr, dass der Mönch sich in der gleichen Haltung neben mich gesetzt hat
Hoppla? Gibt der mir jetzt Nachhilfe oder Energie?
Egal. Ich schließe die Augen und die Finger und versuche die Energie zu spüren. Ich hör nur Regen. Scheißdreck, wie komm ich jetzt trocken nach Hause ...
Stopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ruhe kehrt ein. Der Regen prasselt monoton, Stille, Regen??? Der Kackweg war eben schon so rutschig, da wird wieder alles dreckig, was frisch aus der Laundary...
Stoopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ruhe, Frieden, Wärme, wie die Reisfelder in der Morgensonne, so ist es in mir... Morgensonne und Mittagregen. Ha!! Gestern hat es auch mittags begonnen zu regnen und mir geistert das Bild der hübschen lachenden Mädels unter dem Regenschirm durch den Kopf, knöcheltief im reißenden Strom der Straßenflusses, während ich in dem Wellblechwharung vor dem Kaffee auf Sonne gewartet hab – ich muss schmunzeln...
Stoooopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ich höre auf den Atem, das soll helfen... neinstoppstoppstopp, Dewa hat gesagt das soll man nicht, dann ist das Gehör aktiv und das lenkt ab. Und wer so zielgenau meine Chakren mit bunten Steinen gepflastert hat, der muss Recht haben. Stimmt, deshalb irritiert mich auch das Geräusch des Regens immer wieder. Regen – den Mist hab ich in Deutschland genug - „what the f´ck´nghell am I doing here?“
Stooohooopp -hierwirdnichtgeflucht: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ich sehe den hellen Punkt, er vibriert und ich werde ruhig, leise murmelt der Regen mich in Trance... Regen??? Ich wollte noch auf den Berg und an dieses Kratersee und dann gibts da noch dieses Dorf...“
Stooohooopp : Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Scheißbali, ich muss einfach fluchen. Kacke. Und diese Meditation klappt auch nicht. Was tu ich hier eigentlich? Was nutzen die netten Leute, wenn es täglich regnet und man nichts unternehmen kann? Ich muss weg! Morgen: Nix Berg, nix See, nix traditionelles Dorf. Morgen hau ich ab. Ende.
Stopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Was ist das??? Ich werde wirklich ruhig. Mein Geist bleibt an dem Punkt zwischen den Augen hängen. Kein Tropfen stört mich mehr, denn ich weiß ja jetzt, dass ich gehe. Frieden breitet sich aus, ich denke nichts mehr für einen Moment. Und für noch einem Moment. Dann öffne ich langsam die Augen, lächel und danke noch einmal Himmel und Erde, wer auch immer hier Herr der Elemente ist, meine Meditation ist perfekt.
Ich schau mich um und auch der Mönch ist fertig. Ohne Worte zünden wir uns beide eine Zigarette an und beginnen langsam zu quatschen.
Es schüttet aus Eimern.
Ich warte einfach, denn jetzt bin ich ja ruhig.
Eine Stunde Regen vergeht, während wir über Gott und die Welt reden.
Noch eine Stunde Regen vergeht, während wir hungrig die Opfergaben der Gläubigen auffuttern – lecker, Äpfel und Zuckerreis, anschließend gibt’s ein Nickerchen, wo wir eben noch mededitiert haben. Hach ist das Leben hier einfach. Ich liebe diese balinesische Gelassenheit in den Tempeln.
Eine weitere Stunde Regen vergeht und er läd mich in seine Hütte zum Kaffee ein, wo seine lustige tätowierte Freundin mit ihrer Mutter wartet.
Eine weiter Stunde Regen verbringen wir mit unsinnigen Geschichten aus dem Leben und dann, dann wird der Regen endlich weniger.
Praktisch, denn es ist fünf Uhr und der Tempel wird geschlossen.
 

...und was für welche


Ich wander gelassen durch den Regen, spiele doch noch Billiard mit Einheimischen, verliere lässig haushoch und trinke entspannt Bier. Der Regen hört nicht auf – aber ich scheiß gelassen drauf. Ich weiß, dass morgen früh die Sonne scheint, dann heißt es Kaffee trinken, Pferdchen satteln und tschüss. Moped abgeben, Bus und Fähre und weg. Lombok hat auch schöne Berge...

TempelgedönS 2 dance

Wieder entführt mich Made in die Tiefen des balinsischen Hinduismus. Tempeldance im Nachbarort. Wieder werde ich angstarrt, als wär ich von einem anderen Planeten: weiße Haut, traditionelle Kleidung, die Kamera abschussbereit und zwischendrin immer mal ne schnelle Zigartette und ein Bier. Frei nach dem Motto: Hat man sich erst mal blamiert, lebts sich völlig ungeniert. Aber gleichzeitig begegnet mir Lächeln und Interesse. Und wer mich noch nicht gesehen hat, als ich die Unmengen an Opfergaben bewundert habe, der hat spätestens zu Beginn des Tanzes bemerkt, dass da was Fremdes hockt, denn die „Ellebogen-Stubser-Guck-mal-wer-da-sitzt“ gehen reihum. Ich bin froh Made an meiner Seite zu haben und habe ich mich kurz vorher noch für mein Outfit geschämt, so könnt ich ihn jetzt Knutschen für Hartnäckigkeit mir diese Verkleidung zu verpassen. Ich hätte mich gefühlt wie unverkleidet am Rosenmontagszug in Kölle. Nein, wie Skianzug in der Sauna. Nein, wie Tourist auf Tempelfest. NoGo!
 
Auf einmal wird eine eine Lady im Publikum angetanzt, die mit ihrem Handy spielt. Sie reagiert genervt und desinteressiert, was den gesamten Tempelplatz zu gröhlendem Lachen bringt – außer der Lady. Ich bin begeistert und gefesselt. Die haben echt Humor hier.
Die Musik macht mir nichts mehr, sie ist Teil dessen und das ist herrlich so. Die Tänze sind abgeschlossene kleine Geschichten, jede mit berauschenderen Kostümen als zuvor, die mir Made zwischendurch erklärt:
„This is dog upside down“
„?????“
„Look, he´s doing like a dog, that licks his as.“
 
Gröhl!!! Dieser beeindruckende Barongtanz, mit des Tempels heiligstem Kostüm und Reliquie spielt tatsächlich „Leck dich am Arsch“ im Tempel. Ein Wunder, dass sich die Männer nicht alle am sack kraulen. Ha und jetzt kommt ein Affe dazu, der den Barong entlaust. Verstehe, Entlausen ist hier schon salonfähig, die Damen der Gesellschaft sitzen immer mal gemütlich zusammen und zelebrieren das.
Es folgt ein Kampf zwischen Gottheiten, bei denen das Publikum auseinander flieht, weil die Tänzer in ihrer Massenschlacht verheerend viel Platz brauchen und zudem so authentisch wirken wie auf einer eskalierten Großdemo.
 
Die Krönung aber ist noch nicht mal der fingierte Streit zwischen Mutter und Tochter, was fast Hip Hop Elemente hatte, wegen dem gesprochnen Text, sondern die Comedy Einlage danach. Dackelt da glatt der indonesische Dirk Bach im Zwergenkostüm auf den Tempelhof und zieht über Gott und die Welt her. Ich versteh nichts, aber es ist herrlich die Lachsalven der Gläubigen durch die Nacht schallen zu hören. Das tut gut, denn es ist mittlerweile zwei Uhr und da kann man schon mal müde werden.
Scheiße, sein Blick leibt an mir hängen. „Ha, a white face ... brabbelbrabbel“
Gröhlen in der Menge.
Ich hasse Mitmachtheater.
Zu spät. Ich bin mittendrin und jetzt hift auch kein vorgetäuschter Klogang mehr.
Made zündet sich eine Kippe an. Der scheint zu wissen was jetzt kommt. In Gedanken rauch ich mit und wünschte ich würde verstehen.
„Where are you from?“
„Germany“
„Ramani?“ - Er verfälscht das Wort so, dass die ganze Menge wieder gröhlt. Hut ab. Improvisatonscomedy vom feinsten. In Deutschland wäre das TV-reif und er würde reich werden. Hier stehen nur die Götter in seiner Schuld.
Mir ist schleierhaft, was er alles aus dem Wort rausholt, aber das Lachen nimmt kein Ende, einige seiner Worte und es schwillt wieder an während hunderte von Augenpaaren jetzt aus Belustigung nicht mehr aus verstohlener Neugier auf mir liegen. Er tut dem Publikum einen Gefallen und bringt mich denen schneller näher als mir eigentlich lieb ist. Aber den Preis zahl ich gerne.
AAAAAA- Da kommt die nächste Witzfigur auf die Bühne. Eine knuddelige Variante von Edgar mit den Scherenhänden liefert Nachschub im gemeinsamen Herziehen. Ich hoffe ich wirke noch entspannt genug. Oh my Shiva, ich komm wieder mit ins Boot.
„What´s your name?“
„Kirsten“
witzelfrötzelmachsichlustig.
Made raucht bereits die zweite Kippe. Diese Menge an Mittelpunkt ist ihm dann doch zu viel? Mir auch und zudem macht mich mein indonesisches Sprachvakuum grad hilflos und fertig.
„WHAT?“
„Kirsten“
Handbewegung und drei Silben reichen aus, um das Publikum in Wallung zu bringen
„christi? Blabrabbelblub“, gröhlendes Lachen und der Kerl legt trotz Übergewicht und Igelfrisur einen Purzelbaum hin.
„Where are you from?“
Jetzt kein Wiederholungen bitte, das nervt.
„Germany“
„No - city“
„Cologne“
„Ah – Podolski“ und wieder wendet er sich an die Menge. Sach mal???? Ich hadere mit meinem Bildungsniveau – kenne ich einen indonesischen Fußballer? Oder gar den Präsidenten? Vielleich wenigstens die Anzahl der Inseln? Nix. Außerdem muss ich mein Weltbild erneut überarbeiten und mir ernsthaft die Frage stellen ob hier Shiva geehrt wird, eine neue Rubrik im KickerMagazin entworfen wird oder eine neue Aufzeichnung von Comedy Indonesia mit versteckter Kamera läuft?
 
Egal, die Leute freun sich und dann... dann sendet Shiva die Erlösung, um die ich gebeten hab. Es fängt es in Strömen an zu regnen, dass die meißten Zuschauer schlagartig fliehen und ich scheine zwangsläufig entlassen zu sein. Endlich einmal bin ich dankbar für Regen, denn wir haben nach zwei Uhr, ich sitze nahezu nahtlos im Schneidersitz auf dem Boden und der Weg zurück ist lang..



 
 

TempelgedönS 1 ceremony


sie taumelt nur noch - ich bin zu spät
„We´re too late!!!“ Grad noch seh ich aus den Augenwinkeln das Blut durch die Luft spritzen, Eingeweide baumeln über der weißen Spitzenbluse der Gläubigen und die Reste des zerfetzten Huhnes fliegen durch die Luft.
Bin ich die einzige die aus aufgerissenen Augen auf die Frau starrt, die das Huhn grad bei lebendigen Leib zerrissen hat?
Ich schau mich um, alle sitzen lässig im Schneidersitz, die Musik hat begonnen zu spielen und mein Blick bleibt fragend an Made hängen.
„Whats going on?“
„Ah, she´s in trance. She´s doing all the time. Thats how the ceremony starts.“
Mein Blick tötet grad kein Huhn, sondern Made: „I told you let´s hurry up.“ Scheiß balinesische Gelassenheit.
„Sometimes she´s killing a pig.“
„What?“
kinder sind überall dabei
„No problem, she doesn´t know, what she´s doing.“ Ich werd nicht mehr - als ob der Gedanke jetzt beruhigender ist. Aber für sie ist es bestimmt angenehmer, nicht zu wissen, wenn sich handwarme Gedärme mit frisch verschlungenem Unrat über ihr ergießen.
 
 
 

made am instrument
Made hat mich hierher geschleppt. Ich hab ihn an meinem ersten Abend auf Bali in Ubud kennengelernt. Nach einer Nachtfahrt im Bus quer durch Sabah mit gefühlten einhundert Polizeikontrollen, weil immer noch aufständische Philipinos dort vermutet werden; einem Tag dämliches Zeit totschlagen in Kota Kinabalu, inclusive Höllentaxifahrt, weil ich meine GoPro im Bus vergessen habe; einigen Stunden im Flieger nach Jakarta; einer weiteren Nacht am Flughafen mit einem Securityofficer, der mir sein Leben erzählt hat, statt eine Mütze Schlaf zu schenken; einigen weiteren Stunden Flug; dem dirktem Gang zum Mopedverleih in Kuta; einer Irrfahrt durch Balis unübersichtliches Verkersnetz und einem Besuch eines saganhften Tempels auf einer Insel, bin ich in diesm Wharung eingelaufen. Hapüh. Völlig übernächtigt, griesgrämig, und ausgehungert, wollte ich nur einen Salat und einen Tee, aber Made und seine Freunde haben mich hier mit Lachen und guter Laune willkommen geheißen, dass ich dann zu zwei Salaten auch noch zwei Bier inhaliert habe.

Er wohnt in dem Dorf und hat mich zu dieser Tempelzeremonie eingeladen. Natürlich nicht ohne dass ich vorher mit überdeutlichem Interesse und herzzerreißendem bettelndem Dackelblick betont habe, dass ich dieses Land mit dem ersten Blick in mein Herz geschlossen habe, dass ich unheimlich an der Kultur interessiert bin und dass mich der Tourismus in Kuta so angekotzt hat, dass ich trotz zwei schlaflosen Nächten direkt nach Ubut geflohen bin. Strike! Das war das gefundene Fressen für einen waschechten Balinesen mit einem ack voll Lokalptriotismus, der nicht nur stolz auf seine Kultur ist, sondern sich zudem gerne mit europäischen Touristinnen schmückt.
Aber hey - ein gesundes Maß an Egoismus auf beiden Seiten kann zu spannendem Kulturaustausch führen. Und so steh ich jetzt hier mit europäischem Entsetzen vor dieser Frau, gehüllt in einem Sarong meiner Vermieterin, einer gelber Spitzenbluse vom Markt und einem Tuch um die Hüften mitten in dieser befremdlichen und doch so entspannten Athmosphäre.

Die Musik spielt auf Instrumenten, die an goldene Xylophone erinnern.
Mein Gott, ich muss mir echt Mühe geben das Gesicht nicht zu verzehen. Das ist nicht nur schräg und blechern, der Sound tut in den Ohren weh. Bilder einer üngeübten Schulcombo huschen durch meinen Thalamus, Untalentierte Microsternchen die sich auf selbstgebastelten Recyclekunstwerken Starkult kopieren, während das Publikum wünscht, dass wenigstens Karaokebackground den Klangteppich harmonisiert.
Aber halt...
da kommt was...
ich erkenne Rhythmus...
warte...
und Melodie...
und wenn ich mich frei mache von verbindlicher Oktavenharmonie, meinen Kulturkreis und meine Vorstellung von Musik ausschalte...
dann stellt sie einen angenehmen Soundteppich dar, bei dem ein tranceähnlicher Zustand gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Freimachen von Vorstellungen und Erwartungen ist seit jeher die Zauberformel für das kleine Glück ist und schon bin ich drin in dieser fremden Welt und kann es genießen.
Die Herrscherin über das Huhn bewegt sich noch wenig zur Musik, aber während meiner mentalen Selbstheilung über die Musik sind diverse Retter zu ihr geeilt, um sie mit heiligem Wasser und Handauflegen von ihrem Teufelsleiden zu heilen. Die übrigen Teilnehmer der Zeremonie sind alle gesund und haben sich währenddessen mit Opfergaben ausgestattet und ziehen in den Tempel.
 
 
Jetzt gilt es den Gott der Natur zu huldigen, was durch mehrmaliges Umrunden der Opferstätte innerhalb es Tempelgeländes geschieht und anschließend wird mit einem erneuten Gang vor den Tempel symbolisch der Gott der See willkommen geheißen. Es ist phänomenal: dramatische dunkle Klänge untermalen das Auftauchen des Seeengottes und geben das Gefühl von einem beständigen Herzschlag, während die letzten Sonnenstrahlen die magische Szenerie zum Glühen bringt. Für mich ist das so neu und so berauschend und ich empfinde tiefe Dankbarkeit für Made, dieses erleben zu können. Trotzdem bin ich neugierig woher dieser dumpfe beruhigende Beat kommt und mein Blick sucht die Herzklangmacher. Ich werd nicht mehr: zwei Männer sitzeauf einem Turm hölzernen Turm an der Seite des Spektakels und schlagen abwechselnd mir Holzkknüppeln gegen riesige klingende hängende Hölzer. Glocken in ihrer archaischsten Form und … Ich muss lachen: Der Ernst der Zeremonie scheint dem einen nicht klar zu sein oder er spielt NewEconomy meets Altertum: Es spielt mit seinem Handy, während er doch musikalisch die Lebendigkeit des Gottes repräsentiert.
 
Ha! Einsatz verpasst.
Er blickt zu seinem Kompanion und der schüttelt den Kopf. Ich muss an unsere Surdos denken, die die ganze Bateria zum Zusammenbruch bringen, wenn der Takt nicht stimmt.
Ha wieder. Ich muss losprusten. Klick – Bild im Kasten.
Das stört hier keinen. Die wissen wohl, dass der Gott der See zuweilen an leichten Herzrythmusstörungen leidet.
Knips. Blitz. Unsere Blicke begegnen sich, wir müssen beide laut lachen und er verpasst wieder seinen Einsatz. Balinesische Gelassenheit: Wer mit Huhnfledderern feiert, kann auch kurze Herzaussetzer von Göttern verkraften. Wen kümmerts.