Eine verrückte Idee, die
sich in kürzester Zeit aus einer männlichen Laune heraus verfestigt
hat:
Wir wollen heiraten:
indisch, unkompliziert und weit weg von der Heimat, ohne viel
Aufsehen und Rummel, ohne Ankündgung, one Einaldung, ohne Fest und ohne
Formalitäten.
Ben formulierte die Idee
so spontan-jugendlich in einer romantischen Trash-Poesie-SMS, einige
Tage bevor er in Delhi eintraf und ich fand es spontan so
unromantisch romantisch, dass ich per SMS „ja“ gesagt hatte.
Eine Mischung aus ernstem
Versprechen und unverbindlichem Ausprobieren. Das Wort „verloben“
beinhaltet wohl ähnliche Intentionen, beschreibt aber nicht unseren
Status.
Versuche klare Aussagen
von Indern zu bekommen, sind schwer. Das fängt damit an, dass
Grundbegriffe wie „rechts“ und „links“ von 90% der
Bevölkerung verdreht angewendet werden. Menschen mit Studium
bemerken es vielleicht noch und verbessern sich zeitnah. Aber daran
haben wir uns gewöhnt. Außerdem sagen sie zu allem „Yess“ und
schwenken den Kopf dabei einmal hin und her, was bei uns
unmissvertändlich als „nein“ aufgefasst werden würde, hier
allerdings „ja“ meint, aber gerne auch „nein“ heißen mag,
besonders, wenn sie nichts verstehen. Das führt zu falschen
Essensbestellungen, falschen Wegbeschreibungen und falschen
Preisangaben. Wir gewöhnen uns schnell an, den Großteil der
Informationen mindestens zweimal einzuholen, Überschneidungen
abzugleichen und dann aus der Schnittmenge ein möglichst
wahrscheinliche Wahrheit herauszufiltern.
Sikkh tempel in Delhi |
Wir versuchen
Informationen über eine Heirat in einem Tempel zu bekommen. Der
Rahmen wäre perfekt für uns Papier-Atheisten und im Falle, dass wir
es uns doch anders überlgen kein folgeschweres Kündigen.
„No Problem“,
erklären uns unterschiedliche Moto-Rikscha-Fahrer. Und die wissen
bekanntlich alles. Man müsse nur einen der Tempeloberhäupter
aufsuchen, sein Anliegen vortragen und dann ist man schwubbeldihup
verheiratet.
der Rikschfahrer nimmts ernst und führt unsdirekt in den Tempel |
Naja, es wäre schon
hilfreich, wenn man in etwa den Glauben hat – MUSS NICHT- aber sich
etwas auskennen mit der speziellen Religion wäre schon angemessen.
(An der Stelle dachte ich glatt noch „kein Problem, das les ich mir
abends schnell mal an“)
Es kostet auch nichts,
aber es wäre schon angemessen einige Tausend Rupien zu zahlen –
MAN MUSS NICHT - aber die Erhaltung und Pflege der Tempel bedürfen
immer der finanziellen Unterstützung. (Hier fängst das No-Go an)
eins der Rituale??? nein Durstlöschen!! |
Und die Rituale sollte
man kennen – MAN MUSS NICHT – aber es gehört eigentlich schon
eine Aufwendige Zeremonie dazu, bei der man zuerst siebenmal im
Uhrzeigersinn um das heilige Wasser gehen muss und dann... (Das würde
mehrere Nächte der Übung bedeuten. No-No-Go))
Und dann gehört da auch
ein spezielles Gewand für die Frau dazu – MUSS NICHT - aber gehört
eigentlich dazu und zollt dem Tempel und der Zeremonie Respekt.
Und der Mann auch –
MUSS NICHT - aber...
… und Blumen - MUSS
NICHT – aber …
… und Gäste fehlen
doch auch – MUSS NICHT SEIN – aber das ist doch sonst keine
Hochzeit
... und ...
aber gegessen haben wir noch dort |
… uns qualmt der Kopf,
denn sooo einfach haben wir uns das nicht vorgestellt, außerdem wäre
das weder unkomplizirt noch ohne viel Aufwand. Nach mehreren
unabhängigen Infoquellen, glauben wir dies dann auch irgendwann,
denn die Schilderungen überschneiden sich bemerkenswert und andere
Informanten finden sich auch in den Tempeln nicht. Wahrscheinlich
sind die mit Zeremonien beschäftigt.
HA! Wer braucht schon ne
indische Hochzeit in einem Tempel, dessen Gottheitsnamen man nicht
mal aussprechen kann?
Als persönliche
Erholungsphase lassen uns von verschiedenen TukTukKompetenzen erstmal
zu diversen Handicraft-Shops fahren, um Ringe zu kaufen das ist
schließlich das Wichtigste und bestimmt Einfachste. Die
Preisverhandlungen sind zwar zäh, aber Ben kann so hervorragend
desinteressiert schauen und hartnäckig feilschen, dass wir bereits
im dritten Laden erfolgreich sind. Dass der größere Ring noch dem
Finger angepasst werden muss macht nichts, denn inzwischen haben wir
neue Infos zusammengetragen und beschließen einfach am nächsten Tag
zum Court zu fahren, weil man da viel unkomplizierter heiraten kann.
Chinaman drinnen |
Da kann der Ring gerne
noch einen Tag warten, während wir Minimalbewanderung von
Touristenpfaden beginnen und nachts zum dritten Mal an diesem Tag bei
unserem Chinamann um die Ecke einkehren.
Der Laden ist in seinem
erschreckend schmuddeligen Dreck zwar ein Aushängeschild für jedes
„dont-eat-there“ in einschlägigen Reiseführern, aber das Essen
schmeckt uns seit Tagen einfach nur hervorragend.
unser Chinamann |
Am nächsten Tag passt
Bens Ring immer noch nicht und wir müsse noch einen Tag auf die
Ringe warten. Zur Problmlösung würde bei uns ein Kaugummiautomat
dienen. In Ermangelung dessen gehen wir in den erstbesten Ramschladen
um die Ecke, in dem wir alternativen Provisorien für zwanzig Cent
auf Kaugummiautomatniveau besorgen. Passt doch alles, denn in
Ermangelung von Champagner ist der Überfall auf einen Liqueur-Store
geplant und in Ermangelung eines Festmals werden wir im Wok unseres
Chinafreundes baden.
Partylaune....gegen... |
Perfekt ausgestattet
geht’s zum Gericht. Wir staunen nicht schlecht, denn wir betreten
einen abgesperrten Platz, um den sich kleinste Bretterbuden mit
minimalstem Inventar unüberschaubar aneinader, übereinamder,
ineinande reihen. Aushängeschilder, die mehr Platz einnehmen, als
die Buden selbst preisen die Dienstleitung an, leider meist in
unverständlichem Hindu. Angefangen bei der indischen Variante der
Currywurstbude über den lebensnotwendigen Kopierladen bis zum
internationalen Strafrecht ist hier alles vertreten.
...gegen...Zucht und Ordnung |
Wir fragen die erste
wichtig ausschauende Person, die uns ernüchternd mitteilt, dass eine
Heirat in Delhi ohne deutsche Permission ausgeschlossen ist.
Schließlich muss offiziell dokumentiert sein dass wir ledig sind.
„Jeder, der uns etwas Anderes sagt, wird uns übers Ohr hauen“,
sind die ehrlichen Worte, die wir gar nicht hören wollen. Für unser
Hirn klingt das zwar nachvollziehbar logisch, aber so schnell wollen
wir doch nicht aufgeben. Hier war noch nicht ausreichend Mühe am
Start. Zu wenig Diskussionen, zu wenig Geldforderungen, zu wenig
geflossener Schweiß, um die Flinte ins Korn zu werfen.
Ein Dutzend Buden weiter
entdecken wir das vielversprechende Schild „foreign merriage“ in
unserer Schrift. Wir lächeln uns an. Das klingt vielversprechend. Es
hätte auch drauf stehen können „Diskussionen, Geldforderungen,
Schweißausbrüche, aber dann wären wir wohl nicht dahin gedackelt.
Und dann ging´s los mit
endlosen Fragen über unsere Herkunft, unsere Religion, unseren Grund
in Inden zu heiraten. Infos, dass es unmöglich ist ohne deutsche
Erlaubnis zu heiraten (wissen wir, wollen wir aber nicht hören),
mögliche Wege, dies doch zu tun (da schau guck - wir sind doch
bereit uns übers Ohr hauen zu lassen, sonst säßen wir hier nicht),
was aber nicht offiziell ist und nicht anerkannt wird (egal, wir sind
eh noch zu frisch zusammen, um zu heiraten), nicht nachvollziehbare
Diskussionen über wenn und aber von Möglichkeitn und dass dies doch
anerkannt wird, wenn wir das in Deutschland rückbestätigen lassen
(hoppla, was lange Diskussionen bewirken und an der Stelle überflutet
mich der erste Schweißausbruch, trotz auf Tiefkühltruhe gestellte
AC, denn hier kommt ein Gefühl von Ernsthaftigkeit auf,), dass dies
aber nur ein Formular mit Stempel der Behörde Indiens ist (jaja-das
reicht!) und dass dies alles nur 50.000 Rupien kosten würde. WAAAAS?
(Tropenhitze, Stillschweigen und weit aufgerissene Augen). Dafür
kauf ich hier ne neue Enfied Bullet, mit einem Sound, der jedes
Heiratsglockengeläut schüchtern erstummen lässt.
Ich fang an zu diskutiren
und der Beamte lässt mit sich feilschen. Er will sogar meine
Preisvorstellung wissen, aber Ben zieht mich raus. Er hat recht. Denn
wer mit sich handeln lässt kann nichts Offizielles bieten. Wir
gehen.
Aber dies wäre nicht
Indien, wenn dieselbe Behörde nicht nebenan nochmal vertreten wäre.
Das ist wie auf dem Mopedmarkt oder dem Gewürzbazar. Die Konkurrenz
schläft direkt daneben. Aber auch hier ist es wie auf dem Bazar: der
Preis ist der gleiche, es wird genauso gefeilscht und wir ziehen ab.
HA! Wer braucht schon ne
indische Hochzeit mit falschen Papieren und korrupten Staatsdienern,
wenn Liebe hier wie bei ebay höchstbietend verschachert wird?
Old Delhi - aber bei Nacht |
Wir bummeln gemütlich
durch die vermüllten Gassen Old Delhis, statt durchs indische
Wahrzeichen der Liebe das Taj Mahal. Wir schlendern an alten Männern
mit abgetragener Kleidung, ölverschmierten Händen und schweren
Lasten beladen vorbei, statt durch ein Spalier von festlich
gekleideten Freunden und Familienmitgliedern. Wir kaufen uns einen
Mangosaft statt uns mit Champagner zu übergießen. Wir hören nie
abreißendes hektisches Hupen des Verkehrs, statt den
Hochzeitswalzer. Just in dem Moment beschließt mein Süßer, dass wir hier und
jetzt der Stimmung die zeremonielle Krone aufsetzen und die
Plastikringe austauschen.
der Tempel wollte uns auch nicht wirklich |
Wir bleiben stehen,
streifen uns verlegen lächelnd (zumindest ich) die Ringe auf dem schmalen Gehweg zwischen Bauruinen,
Müll und Autoteileverkäufern über und nehmen uns in den Arm. Vorsicht! Ein
solcher Austausch von Zärtlichkeit bedeutet hier schon eine sexuelle
Handlung, aber hinter uns wird munter geklatscht. Ich hör wohl nicht richtig.
Wir küssen uns
vorsichtig und bemüht unauffällig, aber vor uns wird auch
geklatscht. Und als wir uns voneinander lösen und bei Weitergehen im
Arm halten, lachen nicht nur wir, sondern unser ganzes Umfeld bildet
eine keine Gasse für uns, die Menschen lächeln uns an, applaudieren
und einen herzlichen fremden Jubel kann ich auch hören.
Mit etwas
Phantasie werden daraus Standing Ovations.
HAAAAhhh! Wer braucht schon
eine indische Hochzeit, wenn das Gefühl im Herzen transportiert wird
und sogar wildfremde Menschen dies mit einem teilen können.
Verrückt!
Danke für diesen Moment!
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