Sonntag, 23. September 2012

KopfversusefühL

Ich will nach Leh! Das hab ich mir von Beginn an vorgenommen, das muss jetzt auch so passieren. Basta!

Ich ignoriere die Tatsache, dass der Pass am 15.9. gesperrt wird und glaube lieber denen, die behauten, dass sei quatsch.
Gut, die Camps bestehen dann nicht mehr, aber wer brauch die überteuerten Touristationen schon.
Gut es wird dann keine Haftung mehr übernommen und Hilfe von Seiten der Region sind nicht zu erwarten, aber es gibt genügend hilfsbereite Menschen dort oben.
Gut, morgen ist der 15.9., aber die norwegischen Muskalpakete vom Nachbartisch kommen grad von da und sagen, mit meinem Moped sei das kein Problem auch der knietiefe Matsch war nur ein kurzes Stück und die eingestürzte Brücke.. naja, da haben sie ein Paar Rupis unter den Indern verteilt und die haben die Mopeds dann rüber gebracht. Klingt doch prima.
Gut, es regnet seit Tagen und heute Abend Katzen und Hunde, dass noch nicht mal Internet aufgebaut werden kann, aber bisher regnete es doch jeden verf... Tag und vormittags war schöner Sonnenschein.
Ich hab also beschlossen, mir um 4 Uhr morgen früh das Wetter anzuschauen und trinke erstmal mit Javi und Robert ein Bier auf die Entscheidung und auf unseren letzten Abend.

er konnte sogar noch Tortilla de Patata für uns kochen
„Was sagt dein Gefühl?“, hatte mich Javi heute Mittag gefragt, als wir wegen strömenden Regen statt einer Wanderung zu heiligen Wasserfällen in einem Kiffercafe irgend ein unheiliges Kraut in die Zigaretten haben mixen lasen. Was will man auch sonst tun bei dem Wetter …
Mein Gefühl sagt: „Es ist Schwachsinn...␜, nein das ist der Kopf! Oder? Ich fühl nochmal hin, so sicher kann ich mir da nicht sein. So schwierige Fragen soll ich in dem Zustand beantworten, in dem sogar die Augen schon doppelt sehen. Fatal.
Es ist der Kopf, der alle Anzeichen zusammenwirft und mir deutlich sagt, dass es Schwachsinn ist. Mein Gefühl schreit sozusagen nach der Herausforderung, nach dem Erlebnis und nach den Bildern, die ich zu sehen bekommen könnte. Mein Gefühl hört aber auch ein bisschen auf den Verstand, denn der ist ja nicht zum Spaß da und lässt sich auf einen Kompromiss ein: „Ich versuchs. Und wenn es zu schwierig wirt, dann dreh ich um und komm mit euch nach Rishikesh“, sag ich und bin glücklich mit der Entscheidung. Denn den Ort möchte ich auch sehen und die zwei Spanier sind lustige und amüsante Reisepartner.

Diese Nacht wird schlaflos, denn Kopf und Gefühl waren im permanenten Streit zwischen:
„Ich muss mal wieder allein sein und richtig Moped fahren“ gegen: „Reisen mit Javier und jetzt noch Robert ist einfach entspannend – warum dräng ich schon wieder weg“ und: „Das war mein Plan und mein einzig festes Ziel in Indien“ gegen: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm deine Pläne“ oder : „Wer Pläne hat, kann enttäuscht werden“ und: „Ich hab erzählt ich fahr den Pass, was sollen die anderen denken“ gegen: „Was scheren mich die anderen, die wissen doch nichts von meinen Plänen“ und „Das ist viel zu gefährlich“, gegen: „Wer weiß, ich noch nicht“...
Gut, um 4 Uhr bin ich nicht aufgestanden, sondern eingeschlafen. Gewonnen hat nach einem harten Zweikampf, unzählbaren gelben Karten und mindestens einem Eigentor das Gefühl und ich bin gefahren.

Wann mein Verstand dann endgültig den Kampf aufgegeben hat, kann ich nicht sagen. Aber ich glaube er hat.

urgemütlich....
In der nächsten Nacht liege ich wieder wach. Der Kopf bollert, mir ist übel und jede Bewegung verursacht Schwindel. Das ist die Höhe. Ich habe wahnsinnigen Durst, aber Trinken würde bedeuten, dass ich mich aus meinem Schlafsack pellen müsste. In dem liege ich mit Skiunterwäsche und Mopedhose und Socken und Wanderschuhen und mit zwei Fleecepullis und Mütze und Schal und Mopedjacke. Und nach einige Zeit pack ich auch noch das Zelt aus und breite es als Kälteschutz über uns allen aus, denn ich hör auch Sandish neben mir bibbern.

...und fast romantisch

Ich liege auf 4500 m draußen, lediglich im leichten Schutz einer Mauerecke von Straßenarbeitern, aber der Wind pfeift unerbitterlich über uns. Neben mir kuscheln sich zwei Inder aneinander und an mich, denn Nähe ist das Einzige, was Wärme produziert, denn das Feuer aus gesammelter Schafscheiße wärmt schon lange nicht mehr.

Bin ich verrückt? Wie konnte ich in diese bescheuerte Situation kommen? Wo ist mein Verstand geblieben? Irgendwann hat er mich verlassen..


Was hat mich dazu veranlasst mich durch den Kilometerlangen Matsch zu quälen, obwohl ich doch umdrehen wollte, wenn es zu schwierig wird? Alle paar Meter rutsche ich aus, dass ich schon nach den ersten Umfallern kqum noch Kraft mehr im Körper hab.
unzählige davon
Die Mopedstiefel versinken bis zur Wade im Matsch und saugen sich fest. Viel besser kann das nur noch der Seitenkoffer, denn wenn er plan in die k|ebrige Masse fällt, entsteht beim Aufheben ein Sog in dem Modder, dass vier Mann nötig sind um das Bike aufzuheben. Ich zitter schon beim Aufsteigen und bin froh um jede Pause, die mir ein Jeep oder Truck liefert, der vor mir freigeschaufelt werden muss, weil er wieder mal feststeckt. Ich such die beste Spurrinne, bleib mit den Seitenkoffern an den aufgeworfenen Seiten hängen, verklemme mir die Füße unterm Reservekanister, wenn ich die Beine beim füßeln nicht schnell genug rausziehe und versuche immer wieder mit „GAAAAAS“ Meter zu machen.

festgefahren
 Na gut, manchmal bin ich bei diesen Manövern in der Gegenfahrbahn gelandet, das bleibt nicht aus, wenn man eine vernünftige Spur verfolgt, aber die entgegenkommenden haben nicht nur vier haben Räder, sondern auch Mitgefühl und wechseln einfach mal schnell. Meist - bis mir ein breitgesichter und -gewichtiger Glatzkopf mit schwarz tätowierten Augenbrauen und Eunuchenstimme entgegenbrüllt: „Please stay on your line“. „Arschloch!!“ Dem Kerl hätte ich den Rest seiner Eier gerne auch noch abgerissen. Wahrscheinlich hat der noch nie versucht dreihundert Kilo auf zwei Rädern durch die Schlammberge zu kutschieren.
Mittlerweile ist ein Blinker lose, ein Spiegel aufgedreht, meine Nase wahrscheinlich gebrochen und die Kiste über und über voll Matsch.
Und meine Kopf ist immer noch schwach. Er meldet sich zwar noch „Dreh um“ - aber das Gefühl sagt, gleich wird’s besser. Ich muss den ganzen Hang hoch, an dem sich die Straße in Haarnadelkurven Meter für Meter nach oben schraubt und die unter der abgegangenen Schlammlawine begraben ist. Ich brauche knappe zwei Stunden, bis ein Schild und Fressbuden den Gipfel vermelden, der Matsch aufhört und mein GPS stolze 4500 m anzeigt. Geht doch!
Und dann geht’s runter. Schotter, Steine, Felsen, abgerissene Straßen, Sand, riesen Löcher, nahezu Gruben... Ich hab die Schnauze voll! Welche Hammerfrese hat denn gesagt oben wird’s besser? Ich lass nur noch laufen, denn bremsen wäre fatal. Zwischendurch ein paar Meter Asphalt, dann wieder Geröll. Ich werd irre. Ahhh! Schnell ein Foto schießen, die Aussicht ist herrlich und dann wieder kämpfen. "Asph...", vergiss es. Das Wort lässt sich nicht mal zu Ende denken, da ist es schon wieder vorbei. Mein Kopf sagt nochmal kurz: „Dreh um!!!!!“, aber er will weder durch den Matsch zurück, noch diese Enduroprologstrecke wieder rauf. Vielleicht ist es am nächsten Tag ja besser?
Und auf dieser Abfahrt begegne mir die zwei Inder auf einer Enfield, die den gleichen Traum in Alp erleben. Manchmal reden wir, dann fährt wieder einer, dann begegne wir uns wieder und dann fährt wieder einer und dann... dann stehen wir an einer Kreuzung und sie erklären, dass sie jetzt in diesen Schotterweg abbiegen, weil sie ins Spiti-Tal fahren, zum höchsten Dorf mit der ältesten Monastie.

Und wer jetzt hier entschieden hat, weiß ich nicht.
Irgendwas in mir sagte nur: „Coole Idee. Das ist besser als umdrehen. Ein näheres Ziel suchen, spektakulär ist es auch, und die Schotterpiste ist allemal leichter zu fahren, als dieser f*** Highway. In 50 km kommt ein See mit Camp, wo sie übernachten und an der Stelle kann ich immer noch überlegen ob ich die folgenden 80 km weiter mitkomme oder am See relaxe und dann zurückfahren.“
Mein Gefühl hatte anscheinend sofort gecheckt, dass die zwei Jungs nette Begleiter sind. Mein Kopf hätte vielleicht noch Fakten abgeklärt oder nach der Befahrbarkeit gefragt. Aber er schwieg.
Als ich im ersten Flussbett die Steine küsse, dämmert mir, dass der Kopf erneut eine kurze Auszeit hatte und ich den Weg nie alleine fahren kann. Als ein Wasserfall die Straße entlang fließt und ich wieder nur mit Bodenkontakt durch das wässrige Steinfeld komme, erkläre ich meinen neue Freunden, dass sie ab sofort Verantwortung für mich haben, denn hier komm ich weder alleine durch, noch zurück. Als nach dreißig Kilometern Vinish meine BMW fährt und ich als Sozia bei Sandesh endlich mal den Blick auf die Landschaft statt auf den Boden werfen kann, weiß ich, dass zumindest mein Gefühl nicht ausgesetzt hat, als es die Jungs eingeschätzt hat.
die zwei retten mein bike, während ich fotografiere

und wieder nix
Die beiden haben auch so ihre Schwierig-keiten mit der Strecke und maulen sich einige Male ab (fallen hin für die Nicht-Biker) aber mir gefällt es insgeheim, dass die zwei Jungs auch kämpfen müssen. Tut dem Ego gut. Gut, dabei zerbeult mein Seitenkoffer und der andere Spiegel, aber ich denke an Javiers Worte und ich genieße, dass ich in guten Händen bin und dass hinten drauf sitzen kann. Mulmig wird mir erst, a|s es dunkel wird, der See immer noch nicht in Sicht ist und ein Schild 14 km verspricht.

Wir schrauben uns in die Höhe, es wird kälter und kälter, 14 Kilometer bedeutet eine Stunde Fahrt. Vinish liegt wieder und zwar knapp neben dem Abgrund und mir stockt das bisschen Atem, was ich noch übrig habe - jetzt bitte nicht sowas. Mein Kopf meldet sich zaghaft mit Unwohlsein. „Schnauze – hätt´ste früher tun sollen, schon bei der Matsche am Rothang Pass!“, und das mulmige Gefühl bleibt. Aber ich finde auch hier noch was Positives – ich hatte nen guten Lehrmeister und viele noch bessere Vorsätze: Es ist hier oben noch ein bisschen heller.
dieselbe monastery drei tage später

Der See kommt und kommt nicht. Aber eine kleine Monastery, bei der wir das einzig Vernünftige in der Situation tun: wir beschließen die Nacht hier zu verbringen. Das ist besser als weiterfahren und hier gibt´s wenigstens eine Ecke, in die wir uns kuscheln können. Sandesh sammelt Scheiße zum verbrennen. Vinish baut n Joint, speziell für die Berge, dann friert man nicht so (alles Lüge) und ich versuche die nassen Schuhe und Strümpfe auszuziehen und irgendwie alles Warme für ein Nachtlager zusammen zu finden. Die zwei Ärmsten haben nur einen Schafsack, den sie sich teilen, eine Isomatte auf der sie sich zusammenkuscheln und je ein paar Schuhe, was komplett durchnässt ist. Aber alle Versuche, denen was anzubieten werden abgelehnt. Keiner hat übrigends einen Blick für den wunderschönen Sternenhimmel übrig, der funkelt, als wolle er uns Versöhnung anbieten.
Und so bin ich zu der zweiten Nacht mit dem Kopf-Gefühl-Rückspiel gekommen. Ich hab mich verflucht und mental gesteinigt. Ich hab mit Kopfschmerz und Übelkeit gekämpft. Ich hab das Fieber in mir aufsteigen und die Lungenentzündung vor der Tür stehen sehen. Ich hab mich mit nem LKW nach Manali zurückfahren und den Abhang hinunterstürzen sehen. Dann kamen Javiers Worte wieder in mir hoch und die Einfachheit des Wortes „enjoy“. Das hat aber auch nicht geholfen, machte mich aber ruhiger.
Keiner von uns schläft in dieser Nacht und am Morgen begrüßt uns nicht nur die leicht wärmende Sonne sondern auch Eis auf den Mopeds und den Pfützen. Was mir durch den Kopf geht kann wohl unausgesprochen bleiben. Aber wir haben überlebt und ich hab ne nette Geschichte fürs Lagerfeuer im Handgepäck.
soooo nett wars in der sonne - eine stunde lang

Und die Straße wurde noch schlechter.
Und ich bin in den nächsten Dorf geblieben.
Danach wurd die Straße besser, aber das erfahre ich erst hinterher.

spity-valley












Teilzwei

alu-parantha-meister-küche
Aber die Geschichte geht weiter, und dazu gehört jetzt nicht, dass es in dem idyllischen Ort, den wir bei Sonne erreichen und ich von einer ausgedehnten Wanderung und Relaxen träume eine Stunde später anfängt zu regnen. Zwei Tage lang. Neeein.
Dazu gehört auch nicht, dass ich hier die besten "alu prantha" zu esse bekommen habe...





polizeiposten - lange nicht gehabt!!
Dazu gehört, dass die Jungs am nächsten Abend zurück kommen und wir planen morgens früh loszuziehen.
Nachts schneit es, um sechs scheint die Sonne, um sieben ziehen Wolke auf und als wir um acht starten regnet es. - Ich mac  Druck an der Polizeikontrolle, denn eine riesen Gruppe belgischer Pauschalabenteurer in vier Jeeps mit Taschen voll Geld und teuren Kameras auf uns gerichtet, soll vor uns abgefertigt werden. Aber ich jammere als Frau einfach kräftig rum, sage dass ich Angst vor dem Regen auf dem Pass habe und manchmal hilft nerviges Frauengejammer ungemein, ich gewinne und es kann losgehen
.
Ein Traum voll Puderzucker überrascht uns in den hohen Bergen, der Schnee stört nicht, er ist nur kalt, aber wir fliegen fast den Pass hoch, genießen die Idylle und den feuchten Boden, auf dem der Grip besser ist, als auf staubig trocken Fels.
Na gut, ich hab auch Luft aus den Reifen gelassen, das erleichtert die Sache enorm und hlft beim entspannten Pistensegeln.




Fotos und gute Laune begleiten uns. Wir passiere unser erstes Nachtlager, lächeln und schießen ein Bild von den Gebetsfähnchen im Schnee und ich bin froh, dass meine Eltern nicht wissen, was ich schon wieder so treibe. Schon komisch, dass ich fast im Rentenalter noch solche Gedanken habe.

Bergab wird’s schon unangenehmer, weil die Kurven eng, extrem felsig und rutschig sind und als wir unter die Schneefallgrenze kommen, hört der Spaß auf. Die Piste  stehen unter Wasser, so dass eine Fahrrinne auf gut Glück gefunden werden muss. In leidlich trockenen Kehren hat das Wasser tiefe Furchen gespühlt. Einmal kommt ein kleiner Steinschlag vor uns nieder, dass wir grad noch bremsen können. Spuren von abgegangenen Felsen sind überall zu sehen. Schlaglöcher sind riesige Wasserlöcher geworden, dessen gelbbraunes Wasser beim passieren bis über den Tank spritzt. Solche Löcher sucht man sich für Actionfotos um einmal hindurch zu brettern und danach unter die heiße Dusche zu hüpfen, aber nicht bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit 150 km Heimweg durchs Gelände.
na! der hat auch die schnauze gestrichen voll

Unser Lächeln gefriert allmählich wie der Boden, die Finger folgen, und so gut wir uns auch durchbeißen... nach vier eiskalten Stunden durch den Regen, ist jeder froh, sich die Körperglieder und die durchnässten Klamotten an einem kleinen Feuer in einer Dherba leidlich zu wärmen. Wenn wir grad nicht gedanenversunken schweigen oder geräuschvoll bibbern, fluchen wir.
Ein vierter Mopedfahrer gesellt sich dazu und gemeinsam finden wir, dass die einzige Möglichkeit heute und lebend nach Manali zu kommen ein leerer Truck ist, dessen Fahrer Bock hat im stömenden Regen einen Zusaztverdienst einzuhandeln.
Wir bibbern und beten, zu welchem Gott auch immer, Buddah, Shiva oder der Allerheilige, vielleicht ist Allah auch mit dabei.
Jedenfalls hören die uns.
Und damit beginnt die eigentliche Tragödie in drei Akten.
Erster Akt - Verladung:
Wir verladen die Bikes auf die Ladefläche, indem der Wagen seitlich an einen alten Brückenaufläufer anfährt. Als ich mit meiner Dicken über die Notrampe auffahren will höre ich von der Seite: „Stop, it´s slippery,“ und ich wunder mich über den Kommentr, denn wenn etwas rutschig ist, dann der Weg der letzten Tage? 
Trotzdem halte ich lieber und beim Aufschieben weiß ich was der Kerl meint. Die gesamte Ladefläche der Truck ist mit einem schwarzen Altölfilm überzogen. Jede für die Eisschnellauf-Weltmeisterschaft präparierte Eisfläche hat mehr Grip. Wir rutschen, die Mopeds rutschen, Gepäck rutscht. Als würden wir fürs Altölcatchen bezahlt, überziehen wir in kürzester Zeit unsere Finger, unsere Klamotten, die Spanngurte, das Gepäck, die Helme, die Seitenplanken und alles, was mit uns in Kontakt kommt mit der schwarzen Pampe. Keine Zigarette, die weiß bleibt, kein Keks, der nicht nach Öl schmeckt, kein Kontakt zu irgendwas, was uns nicht entglitscht.
Und dann kommt die Frage der Sicherung der Bikes: Es ist unmöglich. Nicht nur wegen dem rutschigen Untergrund, sondern auch, weil jeder mögliche Fixpunkt am Truck über dem Schwerpunkt der Maschinen liegt. Ich opfer nahezu alles was ich an Spanngurten dabei habe, löse Gepäck und Notsicherungen und ziehe sogar noch die dünnen  Riemen hinzu - es ist also eine Menge. Hinzu kommen Tücher, Seile, Riemen, alles, ws gefunden wird, wird verwendet. Bikerarschloch vier ist ein Egoschweinehund und kümmert sich ausschließlich um das Wohl seiner Kiste. Wir drei anderen aber versuchen so gut es geht unsere Maschinen zu sichern. Wir suchen verzweifelt Fixierpunkte, die die Mopeds in eine Ecke oder gegen einen festen Punkt ziehen. Unmöglich.
Nachdem mich der Zustand der Ladefläche ernüchtert hat und der sichere Transport hoffnungslos zum Scheitern verurteilt ist, schaue ich mir unseren Lebensretter genauer an. Durch das Bodenblech im Fahrerraum kann ich die Fahrbahn unter uns beobachten, im Innenraum gibt es kein einziges Instrument, außer einer notangebrachten Hupe, und einer lose hängenden Glühbirne, die jedesmal leuchtet, wenn der Wagen absäuft (Und sie leuchtet oft. Und einige Male müssen wir schieben. Aber das macht nichts, denn das macht warm.) die Fenster lassen sich nicht schließen, so dass Regen und Schnee weiter auf uns einprasseln, die Reifen gleichen Slicks und ich bete, dass wenigstens die Bremsen funktionieren. Unser Lebensretter entpuppt sich als Seelenverkäufer.


Akt 2 - Transport:

Viermal halten wir während der Fahrt an, um die Fuhre neu aufrichten und verzurren, weil das gesamte Arrangement durch die Steine und Schlaglöcher auf dem Ölfilm in sich zusammensackt. Der Lenker der Enfield steht auf halb acht, meine Armaturen der linken Seite hängen in Fetzen. Immer wieder wandern unsere Blicke nach hinten auf die Ladefläche, jedes Schagloch schmerzt in der Seele und wir verziehen das Gesicht, als würden wir die Schläge selbst spüren.
Nachdem einer der unzähligen Blick von Winish nach hinten wieder von lautem Gestöhne begleitet wird, bitte ich ihn nur noch nach vorne zu schaun: „It´s only money,“ ich habe bereits resigniert, denn die Dollar purzeln vor meinem geistigen Auge, wie die Regentropfen vom Himmel. Ich konzentrier mich auf´s Wesentliche: „It´getting dark, and have seen the tires.... I want to come down alive.“
Er scheint zu verstehen, denn langsam verlässt uns alle die Zuversicht, ob dieser Entscheidung. Der Wagen rappelt und kracht den Pass hoch, durch die Wolken und Kälte, während durch das Fenster wahlweise Schnee oder Regen weht. Er brettert durch Schlaglöcher in denen man unauffällig eine Großfamilie hätte beerdigen können, durch Matsch, der die Richtung des Trucks mehr bestimmt, als das dafür vorgesehene Lenkrad, an entgegenkommenden LKW vorbei, dass mir nicht anderes einfällt, als die Augen zu zu drücken und den Atem anzuhalten.
 

Ich muss an den Songteyt von BAP denken: „Joh wenn et Bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät...“ und ich bete, gebetsmühlenmäßig, denn schaden kann es ja nun wirklich nicht...


Akt 3 -Verdauung:
To make a long story short:
Wir überleben. Natürlich nicht ohne, dass Vinish noch einige Male nach hinten schaut, und nicht ohne, dass meine einzige Kommunikation daraus besteht den Fahrer wahlweise mit „slowly-slowly““, „raaaiiiiight“ oder „fuck-passdochaufduarschloch“ anzuraunzen. Ich hab das Gefühl das animiert ihn zu Racheakten, denn danach fährt er extra auf glatten Passagen langsam und auf Gravelroads schnell.
die jungs dieser werkstatt sind einfach klasse

Wir erreichen meine Stamschrauber-werkstatt, in der ich vor einer Woche Öl gewechselt habe, im Dunkeln. Aber wie überall in der Welt sitzt man hier auch nach Feierabend noch gemütlich bei Bier und Joint zusammen und klönt. Und keiner kann es sich verkneifen mir Kommentare entgegenzschleudern, das man NIE NIE NIE einen Truck nimmt, wenn man noch einen Funken Verstand im Hirn und einen Tropfen Blut im Körper hat, um selbst zu fahren.
THANX - das Lehrgeld hab ich grad gezahlt.



Und dann lieber Herr Nideggen... dann hat sich das Beten vielleicht doch gelohnt:
Der Wagen des Seeenverkäufers schafft es genau bis hier hin. Danach ist Ende. Beim Versuch anzurollen nimmt er sogar noch ne Mauer mit und ramponiert sich die Auflage. Das ist jetzt zwar weder christlich noch buddistisch und auch menschlich ne Schweinerei, aber in dem Moment harmonisieren Kopf und Gefühl wieder einwandfrei miteinander: mein Gefühl jubiliert zum Himmel und mein Kopf verbreitet den leisen Hauch von Genugtuung.

auch ungedreht unverkennbar: eineinhalb tage hab ich in der werkstatt in vashisht dran gearbeitet, damit sie wieder fahrbar ist und die wichtigsten ersatzteile sind morgen im handgepäck von meinem liebsten. wieder ein schutzengel an meiner seite

Samstag, 22. September 2012

AmritsaR - HeiligertempeL

Links neben mir auf dem Boden sitzt eine spindeldürre alte Frau in dreckiggrünen Mustern und betrachtet mich seit ich hier sitze. Zwischendurch hat sie nur mal ihre Position so gewechselt, dass sie besser auf den Bildschirm schauen kann.
Aus den Lautsprechern~klingen meditative Gesänge eines wichtigen Yogis zu fremdartig aber angenehm klingenden Percussions. Einen Tic zu laut. Aber eben nur so viel zu laut, das die Stimmen der tausenden Besucher darin untergehen und man nicht das Gefühl hat, selbst in der Menge unter zu gehen. Der Gesang ist den ganzen Tag zu hören, ich kann fast mitsingen. Aber irgendwie verschafft es dem Ort eine friedliche Stimmung. Ich fühl mich an diesem heiligen Ort so richtig wohl.
In der Mitte des heiligen Sees, rechteckig im Zentrum der Anlage steht der goldene Tempel. Durch einen Steg mit dem Innenhof verbunden. Heute ist Wochenende und es ist voll. Menschenmengen wälzen sich im Uhrzeigersinn auf dem weißen Marmor und mit nackten Füßen um das heilige Wasser, die Schlange in den goldenen Tempel ist unendlich. Alle wollen das Buch sehen, was die Rolle des Guru übernommen hat, seit es keinen würdigen Nachfolger mehr gegeben hat.
Immer wieder sinken Gläubige zum Boden und erweisen dem heiligen Ort ihre Demut oder sie stoppen an einem der Gedenkorte, Schreine oder meditierenden Gurus am Weg um den Tempel.
Rechts neben mich hat sich ein pensionierter Guru gestellt. Das weiße kurze Hemd schimmert mittlerweile dunkelgelb, genau wie meine Hose, die ich seit Tagen trage, nackte dürre O-Beine sind ab den Oberschenkeln abwärts zu bestaunen, nackte Füße hat hier jeder. Er schaut von oben auf meinen Bildschirm und kratzt sich voll Wollust mit der linken Hand in der Kimme. Ich schaue langsam zu ihm auf, sortiere meine Gefühle zwischen erstaunt und entsetzt darüber ein, wie viel Nacktheit ich zu sehen bekomme, obwohl ich gar nicht will und lasse meinen Blick künstlich gelassen zu seinen Auge gleiten. Sein Gesicht verzieht sich zu keiner Regung er schaut nur zurück und kratzt weiter. Ein Freund kommt hinzu. Mit der rechten Hand tätschelt er denselben zur Begrüßung, die Linke weiß derweil, was sie z tun hat.
Eine Schulklasse kommt und verdrängt den Meister des Arschritzenballets. Brav setzen sich alle mit verschränkten Beinen neben mich. Alle, bis auf eine Rebellin, der man ihre Lebenshaltung dank der Schuluniform gar nicht ansieht. Sie streckt die Beine aus und wird sofort ermahnt.
„Fold our legs!“, wurde ich eben auch schon angebrült, als ich für kurze Zeit meine verschränkten Beine ausgestreckt habe. Himmelarsch, der Marmorboden ist auf Dauer echt hart an den Knöcheln und meine Knie sind auch nicht mehr die jüngsten. „Fold your legs!!!“, anscheinend war ich dem Mister zu langsam, denn ich wurde noch lauter angebrüllt und gehorchte posthum dem Vertreter dieser sanftmütigen und gütigen Glaubensrichtung.
Nein, auch der Lehrer ist weder sanftmütig noch gütig, sogar die in die gleiche Richtung angewinkelten Beine stellen ihn nicht zufrieden. Die Füße, das dreckigste Körperteil dem Heiligen Ort entgegen zu strecken ist eine Beleidigung. Desshalb darf man auch die die Füße auf einen Stuhl oder im Bahnabteil auf den gegenüberliegenden Sitz legen, denn es ist eine Beleidigung dem Gegenüber. Die Schülerin setzt sich ordnungsgemäß hin. Unsere Blicke begegnen sich, ein kurzes Zucken der Lider und der Schulter und ich kann ihr ein Lächeln entlocken. Wir haben uns verstanden.
Links neben mir wird frei, nachdem die Frau mit ihrem Mann gestritten hat. Sofort lässt sich eine Familie neben mir nieder. Die Tante legt sich zum schlafen und ich überlege noch, ob ich ihr meinen Oberschenkel als Kissen anbieten soll, da schlummert sie schon. Pünktlich zum Gebet. Der Gesang verändert sich, die Menschen bleiben stehen und legen die Hände aneinander und es wird still bis auf die Stimme aus dem Lautsprecher. Fünf Minuten, dann lockert sich die Situation wieder und die Masse bewegt sich weiter im Uhrzeigersinn über den Marmorboden.

Javi kommt, wir verstauen sein Gepäck im Schlafraum, in dem jeder Tourist gratis übernachten kann und gehen zum Essen, was jedem Besucher gratis offeriert wird.

Hier betritt man ein voll durchorganisiertes Mega-Cateringsystem. Wir gehen eine Treppe hoch, an rechts und links riesige Wagen mit Metallgeschirr stehen. Schon vor Betreten der Treppe bekommen wir einen runden Teller mit unterteilen Fächern in die Hand gedrückt, drei Schritte weiter eine Schüssel in die andere und oben an der Treppe stehen Frauen und klemmen uns einen Löffel unter einen noch freien Finger. Bevor man überlegt wo es lang geht, denn gegessen wird in riesigen Räumen auf mindestens zwei Etagen, winkt uns ein mürrischer Kerl auf die linke Seite, wo schon eine Menschenmenge wartet. 
Just in dem Moment öffnet sich die riesige Tür zum Saal. Dunkler Marmorboden, auf dem quer durch den Raum lange Bastmatten liegen. Auf denen wird Knie an Knie und Rücken an Rücken Platz genommen. Es beginnt ein Schieben und Drängeln, als gäb´s was umsonst und obwohl der Raum bestimmt 1000 Leute fasst und wir schnell drin sind und Platzanweiser darauf achten, dass nahtlos aufgefüllt und zeitnah Platz genommen wird, bekommen wir nur einen der letzten Plätze am Rand einer Baustelle in kleinen Pfützen. 

Nicht Nachdenken, keine Zeit, schon kommt der erste „Kellner“ mit weißem Turban und gießt uns Wasser aus einem mit einem Teller verschlossenen und einer Hülse angeklebten Öffnung in die Schalen. Er trifft schon ganz gut, mehr als die Hälfte landet tatsächlich in der Schale und im Wasser sitzen wir eh schon.
Nicht Nachdenken, Teller nicht bewegen, ein Schlag Milchreis mit Kokosstückchen klatscht auf den Teller, etwas dünnflüssig für meinen Geschmack, aber das lässt sich hinterher besser vom Boden wischen, denn auch hier landet nicht alles im Teller. Der junge Kerl muss entweder noch üben oder an seiner Laune arbeiten, denn seine schlabberige Ladung Nahrung landet bei Javier zum Großteil in seiner Wasserschale und bei mir auf dem Boden.
Ich habe kurz Zeit darüber nachzudenken, dass dies gestern der Nachtisch war, wunder mich über die Reihenfolge, aber da landet der nächste Schlag Breinahrung neben dem Milchreis. Currylinsen und ich lächel innerlich: Scheiß auf die verdrehte Reihenfolge; ich liebe scharf mit süß kombiniert und schubse weißen Brei über die Trennwulst auf dem Teller in grünen Brei schlabber die Babynahrung. Werde ich wegen meiner Mixtur beobachtet? Wahrscheinlich nicht, denn hier werde wir eh permanent beobachtet.
Aaaachtung. Neben mir fliegen die ersten Brote wie Frisbeescheiben im Sinkflug in die geöffneten Hände der Gourmets. Zack. Der Fladen landet platschend in meiner Hand, wie ein Kenner zerreiße ich es fachmännisch, benutze die Stücke als Löffel und beschließe, dass dieses Brot zwar verführerich warm ist, aber leider nicht schmeckt. Und wenn ich schon permanent zunehme, dann nicht von diesem leider gescmacklosen losen Brot. Bei Javier landet jetzt endlich der passende Reis, nachdem die dazugehörigen Linsen verputzt sind. Ich verzichte und nehme lieber nochmal die scharfen Linsen nach und...
... stress kommt auf... nicht denken, sondern essen.
Das Zeitfenster für die Nahrungsaufnahme scheint beendet zu sein Druck wird aufgebaut. Die vordersten Reihen erheben sich schon und strömen mit leerem Geschirr in der Hand dem Ausgang zu. Die nächsten Hungrigen warten. Der Druck wird vrstärkt: schon klatscht reinigendes Wasser zwischen die Stoffreihen um mit einem 2m breiten Abzieher werden die Kleckerspuren der Gäste und des Personals zu beseitigen. Das System funktioniert. Auch in unserer Reihe wird geschlungen, aufgestanden und geputzt. Schnell, die nächste Fuhre drängt schon rein und füllt systematisch die ersten Reihen. Fließbandarbeit wurde hier erfunden und im laufe er Jahre perfektioniert.

die Stomp-crew von morgen
dRaußen geht das Ühänomen weiter: In zwei Reihen wird uns draußen dann da Geschirr abgenommen und der Weg der dreckigen Teller zum Spülplatz, an dem bestimmt Einhundert Helfer an mehreren Becken die Teller und Schüsseln waschen ist mein „personal Highlight“. Es ist laut es ist dreckig und es ist hektisch, aber irgend wie ist das wie mit sex&drugs&rock´n´roll. Eine herrliche Kombination.
Die heiligen Gesänge des Tempels sind laut genug um sie hier noch gut zu hören, sie mischen sich mit dem permaneten Klappern und Brabbeln der Tellerwäscher. Der Beat aber, das rythmischen Herz liegt bei den tellerwerfenden Jungs. Sie fangen die Teller auf, schlagen sie zweimal heftig gegen eine Metallwanne aus, befreien sie dadurch von Essensresten und werfen ihn dann in die nächste Metallwanne. Boom Boom Klatsch, Boom Boom Klatsch geht der Herzschlag der Zeremonie wie bei Queens „We will Rock You“ und von Zeit zu Zeit wird mit einem Tßschhhhhhh, die volle Wanne weggzogen und eine neue hingestellt ohne den Rhythmus zu stören. Wenn die Idee zu Stomp irgendwo in der Realität ihre Wurzeln hat, dann hier.

Wir wollen rauchen nach dem Essen, aber auch das ist anders in Amritsar. Hier herrscht Rauchverbot ÜBERALL. Was regen sich Kneipenbesitzer und Kettenraucher in Deutschland eigentlich über das lächerliche Nichtraucher-Schutz-Gesetz auf. Und warum hab ich in Pakistan noch zehn Packungen gekauft?
Wir verlassen die Tempel-Area und schleichen wie Verbrecher in immer kleiner Gassen. Mein erster Versuch gestern vor den Toren des Tempels eine Zigarette anzumachen endet im panischen Entsetzen eines Wächters. Als würde Satan leibhaftig hinter mir stehen und tötliches Gift durch die Berührung der Zigarette versprühen, riss der Tempelwächter mir gegenüber die Augen weit auf, wedelte aufgeregt mit den Armen, signalisierte mit jeder Pore seines Körpers, dass ich die Zigarette vernichten soll und schickte ein Kind, was an seiner Seite stand mit einem Becher Wasser zu mir, damit ich sofort meine Hände waschen und den Mund neutralisieren kann.
Ähnlich ist es jetzt. Wir werden immer weiter weggeschickt. Jeder winkt uns mit einer Handbewegung einige hundert Meter weiter, bis wir endlich entnervt in einer klitzekleinen Gasse landen. Hier sind einige Mopeds an der Seite geparkt und die Gasse macht einen Knick, so dass man uns nur sieht, wenn man von einer Seite kommend direkt an uns vorbei geht. Wir hocken uns hin und fühlen uns nun tatsächlich wie Teenager, die auf dem Schulhof heimlich rauchen und Angst haben vom Lehrer erwischt u werden. Wir haben Glück, sogar die zwei Vorbeigehenden verhalten sich wie verbündete Oberstufenschüler, sie zwinkern uns zwar nicht gönnerhaft zu (diese Rewungen nehmen seit Pakistan permaent ab), aber sie tun wenigstens so, als würden sie es nicht bemerken.
Javier und ich erklären diesen Ort als unsere persönliche Raucherecke. Nur sieben Minuten vom Hotel und man spart sich das peinliche Schmöken auf dem Klo. Bisher haben wir sie nicht wieder gefunden, dafür aber andere Raucherecen.

Sonntag, 9. September 2012

FreiheitinLahorE

„GO!“
Aber diesmal ist die Botschaft eine andere.
„GO, GO!“
Ich glaub s nicht und setzte den deutlichsten aller fragenden Blicke, untermalt von einer eindeutigen Handbewegung, auf.
Seine Handbewegung geht gegen Lahore, die Geste ist eindeutig, meine Gashand zuckt, ich gucke nochmal und dann reiße ich den Gashahn auf und bin weg.

Essenverkäufer in der Straße

bunte Stadt

Offizielle Freiheit in Pakistan. Nach sieben Tagen Polizeischutz..

Ich kann es kaum glauben und sobald ich außer Sichtweite bin und ich den Gedanken in ein Gefühl einordnen kann, kommen Bedenken.
Werde ich jetzt von Terroristen entführt?
Wie komme ich ohne Wegbereiter durch das Stadtinnere-vor allem bei Linksverkehr?
Kann ich mit der Freiheit hier überleben?
bunte Wesen
Der Straßen werden schlagartig voller. Ich schwimme einfach nur mit und alles ist gut. Mir kommt meine angeborene Ungeduld gepaart mit einem Hauch Hektik zugute, denn dadurch bin ich eher bereit mit einem Gasstoß in eine Lücke zu schießen, als abzubremsen und Raum zu verlieren.
Das ist mein Land. Urplötzlich kommt es mir bunt und lebhaft vor.
Menschen lächeln mich an, mein Moped gliedert sich hervorragend und leicht in den Verkehr ein, ich fange an zu entspannen und beschließe schonmal den Tag als den schönsten in Pakistan einzustufen, obwohl er nch nich zu Ende ist.
Im Center wird’s schon schwieriger, denn mir fehlt eine Idee, wie ich aus dem wuseligen Verkehrs-Strom rauskommen soll. Hier quellen mindestns vier Spuren Autos, Rikschas und Kutschen durch die Häuserschluchten, garniert mit Abertausenden von hektisch huschenden Mopeds, die gerne auch mal in die falsche Richtung fahren. Ich versuche mich an meinem GPS zu orientieren, das wenigstens das Zenrum Lahores als Punkt darstelle, aber ich entdecke keine abiegenden Straßen, die Fahrtrichtungen und Seitenstreifen sind mit hohen Bordsteinen abgetrennt und an der Seite stehen sowieso schon mindestens drei Reigen parkende oder nur abgestellte Fahrzeuge jeder Colleur. Es wird gedrängelt, geschoben und vor allem gehupt. Wie naiv und weltfremd hab ich in Istanbul noch über den Verkehr geschimpft. Und wie sehr glaube ich nicht daran, dass Indien das hier noch toppen kann. Ich muss dringend mal anhalten, um mal zu überlegen, wo ich eigentlich hin will. Wo ist überhaupt Javier und wie komme ich an ein Telefon, da meins hier schon wieder nicht funktioniert?


Blöderweise ist es mitlerweile dunkel, ws die Geschchte nicht angenehmer macht.
„Where are you from?“, werde ich mitten im fettesten Verkehr von der Seite angerufen.
„Spinnt der, ich muss mich konzentrieren,“ schießt es mir für den Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, aber ich bin freundlich, schließlich bin ich hierauf Hilfe angewiesen. Es folgt der klassische Smalltalk, aber der Kerl kann mehr. Konversation ist möglich und ich wittere eine reelle Chance. Und tatsächlich. Zwei Minuten später stehen wir rauchend an einer geschützten Stelle am Seitenstreifen, er zeigt mir ein Foto seines letzten Motorrades, eine BMW GS 650, zu dick für den Verkehrhier, aber deshalb hatte er mich auch angesprochen, er bietet mir sein Handy an und läd mich zu sich ein, falls ich Javier nicht finden sollte.0
Der erste Gang Freiheit schmeckt schonmal ganz gut.
Food-Street für reiche Touris
Und der zweite Gang Freiheit wird auch schon aufgetischt. Ein weiterer junger Mann hält, stellt sich vor, er sei vom Fernsehsender DawnNews und er würde gerne eine Dokumention über mich machen. Ob ich morgen Zeit hätte. Ja. Gut. Um elf im Hotel. CU tomorrow. Was geht hier ab?
Zwischen den Gängen führt mich Nomi, so heißt der nette Pakistani mit dem Motorrad, zu Javier ins Hotel, und wir verabreden uns für später.
Food-Street für uns.....

...am nächsten Tag, ...

Der dritte Gang beinhaltet zuerst eine 
Stadt-
rund-
fahrt in Nomis eisgekühltklimatisierem Wagen mit weißen Ledersitzen zu den wichtigtsten High-Lights der Stadt und Bummel durch die legändäre aber zu teure Food-Street. Anschließend gibt es den vergeblichen Versuch Bier in einem der 5-Sterne Hotels für uns aufzutreiben; aber sogar sein Dealer konnte nur mit Whiskey dienen. Und zum Schluss eine Einladung zum Essen in Lahores alteingesessenen traditionellen Resto.
Danach war ich fertig. Freiheit kann ganz schön anstrengend sein, vor allem nach zwölf Stunden Mopedfahrt durch die Glut.
... wir futtern unsdurch.
Wir lassen uns ins Hotel bringen und ich schlafe den ersten Tag in Freiheit mit einem Lächeln und in weißen Laken.






übrigens sind die Bilder alle vom nächsten Tag ;-) passen also nicht ganz

AmisinpakistaN

meine Kleine am Bahnhof von Quetta


Alles hat mit den Amerikanern angefangen.
Zuminest, wenn man hier irgend jemanden fragt.
Dass die Iraner jetzt Feinde sind, dass die Terroristen böse sind und Pakistan jetzt so gefährlich geworden ist.
 
Und deshalb sind die Amis auch Schuld daran, dass ich jetzt in diesem Bummelzug sitze. Wobei bummeln ist noch übertrieben freundlich ist, denn nach viereinhalb Stunden stehen wir immer noch an Kilometermarke 30 - aber das ist normal, wenn man hier irgend jemanden fragt. Denn seit sich die Amerikaner in die Auseinandersetzungen mit Afghanistan und Pakistan eingemischt haben, ist man hier als Tourist nicht mehr sicher. Als Balushe oder als Hazari auch nicht, aber danach fragt hier keiner.

...impressionen

Bahnhof....
Die Amis sind also auch Schuld daran, dass ich die letzten 3o Kilometer bereits auf der iranischen Seite eine Eskorte bei mir hatte. Eine ist gelogen, vier nacheinander wohlgemerkt. Und zwar so perfekt ausgerüstet, dass meine Security jedes mal einen Wagen anhalten musste, um mich zu begleiten.Die lassen ihre Soldaten trampen, damit ich weiterfahren konnte. Die Geschichte war lächerlich und dem Einen hab ich gesagt, dass ich das Autostoppen jetzt übernehme. Mit seinem niedlichen Gesicht, der Nickelbrille und mit seiner verlegenen X-beinigen und leicht gebeugten Haltung hätte er vielleicht dem Fahrer eines Bobby-Cars Respekt eingeflößt, nicht aber einem Trucker zwischen Iran und Pakistan. Er hat dann ein Taxi gestoppt. Eine win-win Situation. Süß.

keine Action, aber  5 von denen haben mein Hotel bewacht,



Die Amis sind also auch Schuld daran, das ich für 300 Kilometer elf Stunden gebraucht hatte, weil ich gefühlte 30 Mal kontrolliert wurde und echte 40 Mal die Eskorte wechselte. Andererseits kann ich mich bei den Amis für unvergessliche skurrile Momente in meinem Leben bedanken:
„Feeling like a president“ - als ich durch einen Vorort von Quetta eskortiert wurde. Acht Bewaffnete begleiten mich in zwei Autos; eins vor und eins hinter mir. Jedes hat zwei Polizisten vorne und zwei hinten auf der überdachten Ladefläche, einer sichert sitzend, das Gewehr im Anschlag, nach hinten raus und einer stehend, Gewehr im Anschlag, nach vorne aus dem Dach raus. Und die Jungs hatten Hab-Acht-Stellung. Nicht wie die Landstraßenperlen, die gelangweilt auf der Ladefläche hockten und sich mit Sicherheit eher heiße Gedanken über die zu bewachende Fracht oder die nächste Cricketspiel machten, als über meine tatsächliche Sicherheit. Nein, hier die scannen die Umgebung mit Argusaugen ab, passen auf, dass mein Vorderrad nicht weiter als zwei Meter von deren Hinterrad entfernt war und zielten treffsicher in die Umgebung. Ich kann nicht verleugnen, dass mich das etwas unter Anspannung versetzt hat. Mehr als die mündlich übertragenen Horrorgeschichten. Ich hatte das Gefühl minütlich könne ich irgendwo am Körper einen Schuss spüren.
„Feeling like in a movie“ - Ich kann mich aber auch bei ihnen für dass romantisch-wilde Stelldichein bei Vollmond in der Wüste bedanken. Es wird schon dunklel und ich habe kurzerhand beschlossen, die Sicherheit meiner Person selbst zu übernehmen: Ich möchte an einem der Wachposten in der Wüste zu übernachten. Die Landschaft ist verlockend karg, und die 100 km zur veranschlagten Stadt unrealistisch. Damit hab ich die rein männliche Belegschaft aber wohl überfordert. Erst haben sie genickt und ein Bett rausgeschleppt, dann telefoniert und dann doch beschlossen, dass Frau hier fehl am Platz sei und mir weitere Eskorten durch die Nacht besorgt. Scheiße, denn ich bin echt fertig. So kommt es, dass ich bei einem Eskortenwechsel solange aufs Folgefahrzeug warten musste, dass ich mit sechs dreckigen und bewaffneten Soldaten auf einer zerrissenen Kameldecke sitze und süßen Chai zu starken Zigaretten trinke. Über uns leuchtet der Vollmond und glitzern die Sterne, Wahrzeichen der Zivilisation sind verborgen, denn sogar die Straße ist ein Stück weg und die Situation ist sexy-verrucht. Kurz blitzen unangenehme Ideen auf, die ich aber schnell beiseite wische. Filme brauchen Aufreißer fürs Pulikum, mir reicht das hier als Abenteuer.

Die Amis sind Schuld daran, dass ich auf Pakistanischer Seite eine Dauerbewachung bekomme. Und mit Dauer eine ich jetzt nicht das bekannte Stück von Tatuan nach Quetta, sondern überall, auf den 600 Metern zum Bahnhof und im Zug und dann in Sicherheitverwahrung und wehe ich setzte einen Fuß weit vor die Tür...

Die Amis sind auch Schuld, dass wir Ausgangsverbot bekommen, weil diese blöden Terroristen ausgerechnet heute neun Menschen erschießen mussten. Ich kenn von Quetta nur die  Drecksstraße neben dem Hotel und das Office.
Und wegen der echt überflüssigen Aktion wird auch noch unser Hotel teurer. Wir mussten nämlich zum bezahlen Geld tauschen, was schlagartig an Wert verloren hat.

Die Amis sind auch Schuld daran, dass ich mir bei offizieller Behörde eine Permission besorgen muss, mit der ich befugt bin, alleine mit meinem Fahrzeug weiterzureisen....
… was mir aber untersagt wird...

warten auf... keiner weiß, aber das seit stunden
… Und da die Amis Schuld daran, dass ich diese offizielle Erlaubnis nicht bekommen habe sitze ich wegen denen jetzt hier auch in der Bahn, die seit drei Stunden in der prallen Hitze steht, ohne Aircon oder funktionierenden Ventilator. Die meisten sitzen nur noch lethargisch rum und warten, was will man auch tun. Andere nutzen die Pause um an der Straße da hinten etwas einzukaufen. Der Shopbesitzer muss mittlerweile Reichtümer anhäufen können, wenn das Prozedere hier täglich stattfindet. Scheint normal zu sein, das der Zug hier steht. Für mich ist das nicht normal. Wir sind gerade mal 25 km vom Startort entfernt und bin innerlich kurz vorm Durchdrehen.

keine Hallus, ein Salatverkäufer im Zug
Ich hab mich auf ein Bett über den Sitzenden geknallt und versuche zu lesen. Mir fallen die Augen zu. Kein Wunder, hab ich gestern Nacht mein erstes Bier seit Wochen getrunken und dazu das einzige getan, was man in diesem kriminellen Terroristennest bei Ausgangssperre tu kann: gutes frisches schwarzes Haschisch aus Afganisthan geraucht. 
Leider ging die Rechnung nicht auf und ich lag die halbe Nacht wach, bis mich um halb fünf dann wieder mein Feind de Hahn geweckt hat. Ich liege also auf der Pritsche knapp unter der Decke des Waggon und versuche mit kalten Gedanken die Hitze aus meinem Körper zu meditieren. Alles klebt, jede Bewegung führt zu Schweißausbrüchen, ich denke an Eis und deutschen Regen, an Skiurlaub und die Angst vorm Erfrieren bei der Araratbesteigung, aber der Schweiß rinnt. Die Jungs neben mir stinken, was das Zeug hält, schauen irgend einen dämlichen Film und lachen noch dämlicher. Ich kann ihre Freude nicht ertragen. Er rinnt, der Schweiß und die Klamotten kleben. Die Menschen Quatschen, reden, freuen sich. Der Zug steht und ich find alles sowas von zum Kotzen.

Essen beruhigt - bei dem haben wir dann Salat gekauft
Ich steh auf, esse und beschließe das alles toll zu finden, wie mir Javier mit einem Lächeln voller positiver Vibes vormacht. Reinschlagen könnt ich. Also probiere ich einen Perspektivwechsel und schau mir die K***-Situation von draußen an:
Wir stehen seit zwei Stunden. Viele haben sich neben die Bahn gesetzt oder gelegt und warten ab. Von Zeit zu Zeit fliegt Müll aus dem Fenster, ergießt sich Wasser hinterher oder Urin aus dem Bodenloch des Zuges. Die Menschen starren mich an. Ein zwei Brocken Englisch, und ansonsten nur kalte Gesichter. Lachen bemerke ich nur untereinander und dann fühlt es sich an, als lachen sie über uns und und nicht mit uns.
Auf den Gleisen watet man durch die angetrocknete Scheiße der vorangefahrenen Züge und die Frische sploddert schon neben einem aufs Gleis, um in der Hitze zur nächsten Schicht zu dörren. Die Menschen starren - es ist nicht auszuhalten ist, wenn man innerhalb von Sekunden von Unmengen an starrenden und verschlossenen Gesichtern umgeben ist, die sich zu keiner Regung hinreißen lassen. Sie glotzn nur, reagieren nicht auf Ansprache, oder Lächeln, nicht auf Augenzwinkern oder Witze. Noch nicht mal die Kinder. Auch sie starren. Dafür stehen sie aber so nah, dass ich die Adern in ihren Augenzählen kann.Ich fühl mich unwohl und bedrängt. Selbst jetzt, wo ich hier schreibe, bleibt immer mal einer stehen, schaut mir intensiv zu, als lese er den Text und starrt mich ausdruckslos wie blöd an, wenn ich meinen Blick mit einem Lächeln zu ihm hebe. Ich hab mich dabei erwischt zu überlegen, einfach auch nicht mehr zu lächeln, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder. Trotzdem ist im Ansatz etwas gefährliches. Imitationslernen.
Stndenlanges Warten verschfft dann doch neue Freunde
Was hat diese Volk so verschlossen gemacht? Sind das auch die Amis schuld, oder ist es eine typische Eigenart? Wie angenehm ist dagegen die iranische Umgangsweise.
Wir haben uns nach ein paar Fotos, etwas „Gaffen-spielen“ und der Überzeugung, dass es draußen sogar im Schatten wärmer ist als drinnen, schnell wieder in den Zug begeben.
Hier geht das Spiel in harmlos weiter.
Der Zug steht auch nach drei Stunden noch und wahrscheinlich krieg ich mit etwas Zeit auch hier noch den Dreh hin, warum die Amis das Schuld sind. Immerhin scheint hier doch ein Defekt zu sein, weil mittlerweile drei Ersatzteile angeschleppt wurden.
Hinter mir dröhnt pakistanische Diskomusik aus einem Handy. Ob ich dies jetzt angenehmer finde als den Ballerfilm der vorher den Waggon mit Geräuschen durchflutet habe, kann ich noch nicht beurteilen. Die meisten haben sich hinter Tüchern verbarikadiert, Javier und ich sitze gegenüber auf Einzelplätzen in der prallen Sonne. Ich öle. Die Menschen fangen an zu stinken.
Ich entdecke eine Sitzgruppe Frauen, und beschließe doch noch mich von den Mopedklamotten zu befreien müssen. Vielleicht hilft dies nicht nur die Hitze zu reduzieren, sondern auch noch die Blicke zu minimieren.
Freundlich luke ich hinter deren Vorhang, gestikuliere und sprechen sie auf Englisch an, ob ich … .
„What you want?“, bellt mich eine Stimme von außerhalb an. Der bissige Wachhund mit Turban scheint der Ehemann des Harems zu sein.
„I want to talk to the ladies,“ antworte ich frech, denn was geht den denn mein Bedürfnis an.
Gaaanz falsch Kiki.
„What you want?“, mir scheint, ich sehe Sabber an gefletschten Zähnen entlang laufen und daher werde ich jetzt nicht über Fremdbestimmung, Emanzipation und Rechte der Frau diskutieren, sondern mein Bedürfnis vortragen.
Und so läuft´s: Er beschließt und er bestimmt und nur er kann mir erlauben mir hinter den Vorhang der Damen zu kriechen, meine Gebeine vor dem Blick er Ladies zu entblößen. Langsam nervt mich diese Land. Überall nur Leute, die etwas für mich bestimmen: vom Ehemann zum Hotelmanager, vom Polizisten bis zum Bürofurzer. Kann ich nicht mal selber irgendetwas selbst entscheiden.
Hey Amis, go home ;-)! Oder sind die daran etwa nicht Schuld.