Mittwoch, 22. Mai 2013

AbspanN

Die Mail, die ich an meinen alten Kumpel in Dubai schon geschrieben hatte, in der ich meinen verbindlichen Besuch zusagen wollte, war noch nicht verschickt. - Sauber Kiki. 
Der Flug nach Dubai hat einen Stopover in Colombo. - Kein Zufall. 
Und eigentlich wollte ich schon in Indien mal nach Sri Lanka rüberhüpfen. - Deutlicher kann mir der Zaunpfahl doch gar nicht winken.
Meine Idee steht schnell fest: ich spar mir ein paar Tage Party in Dubai, schiebe die Zeit für Zärtlichkeit mit meinem geliebten wartenden Mann nochmal ein wenig nach hinten und fahre für einen persönlichen Abspann nach Sri Lanka. Nur noch einmal etwas Moped fahren, einmal ein  bisschen wandern, einnal Tauchen und sonst nur ausspannen.....

Dass die Entscheidung richtig war merke ich allerdings erst im Laufe der Tage.

Sri Lanka begrüßt mich erstmal leider mit dermaßen aufdringlichen Threewheeler Fahrern, dass ich keine Hundert Meter vom Flughafen entfernt schon die Schnauze gestrichen voll hab.
Warum sind meine Flugetappen auch immer von Begleiterscheinungen untermalt, die mich übermüdet und aggressiv machen. Ich sach ja, der Teufel sitz im Bus oder im Flieger. 
Nach einem herrlichen Gelage mit zwei Freunden auf der Dachterasse in KL, bin ich um vier Uhr morgends mit natürlicher Schräglage am Flughafen eingetrudelt und hab mich erstmal für großzügige zwei Stunden zum ersten Rausch ausschlafen auf den Boden flachgelegt. Ich hab das Gefühl jeder hat hier dasselbe gemacht, denn der Terminal gleicht einer Festival Wiese am dritten Tag. Schlafende Menschen liegen zwischen Gepäck und Müll. Für einen hochmodernen Flughafen eine Schande, dass es hier keine Sitze gibt. Mein Flug geht um neun und mein Wecker beschehrt mir um halb sieben eine eiskalte Dusche: mein Flug steht immer noch nicht auf der Anzeigetafel. Selbst die versoffenste Nachteule hätte jetzt gemerkt, das hier was nicht stimmt. 
Auskunft, Falscher Flughafen, Gepäck auslösen, Shuttle fährt nicht, Taxi. Mein Kopf ist in Sekunden klar. „How long s the trip“ „Ahmm, no traffc, half hour“. Gib Gas -Baby, die checken schon ein.
Na, dann beginnt mein Ausspannen ebenmit Hektik. Da merkt man den Unterschied weni9gstens so schön.


Und dann geht alles ganz schnell in Sri Lanka. Nicht nur, dass ich innerhalb einer Stunde wieder ein neues Moped unter dem Hintern habe. Ich nutze die zwei Wochen, um alles noch einmal Revue passieren zu lassen und da ich das Wichtigste im Kleinformat noch einmal erlebt habe, fällt es auch nicht schwer, dies als meinen persönlichen Abspann zu betrachten.

Ich hab das Bike nochmal über grabbelige Straßen gejagd....











und durch dicksten Verehr in Colombo gelenkt….



und nochmal flachgelegt – diesmal mit meinem Tourguide hinten drauf.







Ich hab mich noch einmal ohne Eintritt in einen Nationalpark geschummelt...



und hab nochmal für einen Tempel gezahlt, in den ich gar nicht wollte.





Ich hab nochmal Zeit mit netten Menschen verbracht...








und noch viel mehr Zeit ohne irgendeinen Menschen.







Ich bin noch 
einmal 
tief runter....





 und einmal hoch hinauf.









Ich hab Budda byebye gesagt - ich werd ihn vermissen....






ich hab der Schnäuzerkultur byebye gesagt – ich werd sie nicht vermissen.



Ich hab die Arbeitenden beobachtet...








und die Freizeitkünstler beobachtet und kaum Unterschiede bemerkt.




Noch einmal wilde Tiere vor die Linse gekriegt. 



 








 
Byebye Bike gesagt....












Und dann ist auf einmal alles vorbei.

Ich sitze im Flieger, die Zeit verstreicht, die Menschen werden hellhäutig, auf einmal sind Ansagen auf Deutsch und ich hab das Gefühl ich komme von einem Wochenendtrip. War ich weg oder war das nur ein ziemlich guter Traum? 
Als ich aussteige empfängt mich das klassische deutsche kalte Schmuddelwetter und dazwischen ein überglückliches Lächeln.

Ja, ich war weg - Welcome back

Dienstag, 7. Mai 2013

TemplgedönS 3 rain

Leuchtend grüne Reisfelder, soweit das Auge reicht, kleine Bambushütten dazwischen, Ställe mit Nutzvieh wie Esel oder Kühen und vereinzelte Kokosnusspalmen. Der Blick verzaubert mich morgends, als ich zwischen einzenen Yogaübungen einen meinen zuckersüßen Kaffee schlürfe. Ein Ort des Friedens. Das schreit sozusagen nach Durchstreifen und Eintauche in diese Idylle.
Zackzack ein Frühstück und los, denn der Regen kommt früh genug – ich rechne um drei Uhr mit ihm – das Ergebnis einer Amateur-Meteorolgie-Mischkalkulation aus sieben Tage Bali, der noch leicht zuckenden Hoffnung und realistischem Blick gen Himmel.
Erste Wolken ziehen auf, verdammt sind die schnell heute. Ich berechne neu ob ich die Runde schaffe, wieviel Zeit ich am Tempel oder am Wasserfall hab, aber dann reicht es mir - komme was wolle, es kommt sowieso anders.
 


Also auf mit guter Laune zum Wasserfall, um ohne Kleidung ein freiwilliges Bad zu nehmen bevor die unfreiwillige Dusche von oben über die Kleidung ergießt.
Aber schon ein Stündchen später am verwunschnen Tempel im Wald - ich hab noch nicht alle Tempeldetails im Herzen und auf Digital aufgenommen beginnen die erste Tropfen zu fallen.
Mist, völlige Fehlkalkulation; an der Börse hätte ich jetzt einen Crash verursacht.
Ich muss umdenken: Wenn ich zurückgehe, häng ich in dem dumpfen Zimmer ab oder muss Billiard mit Locals spielen und Bier trinken.
 


Wenn ich hier abwarte könnte ich... Hmmm... Mmmm... Mmmed??... Meditation???... Meditation!!!
Warum nicht? Ich bin ja jetzt geübt...
Vorvorgestern hab ich energetischen Austausch und Chakraöffnung mit heiligen Steinen erfahren, so dass ich nach drei Stunden Erstbehandlung mir tatsächlich eingebildet habe spirituelle Energie zu spüren. Erschöpft musste ich anschließend erstmal ein Bier trinken – aber das Gefühl war da.
Vorgestern hab ich mit Madi nach allen Regeln der Meditation in einem moosüberwachsenen Tempel in Reisfeldern bei Ubud Gedanken verschwinden lassen und hab es imerhin einige Minurten geschafft im Duft von Räucherstäbchen, vor einem Blumenschälchen sitzend und in Anwesenheit Shivas die Welt um mich vergessen zu können.
Gestern hab ich immerhin eine Stunde meditativ vor einem Kaffee gesessen, ruhig und gelassen den Regentropfen zugeschaut und alle fluchenden Gedanken über das Scheißwetter und dass ich mit dem Moped unteregs bin erleuchtet beiseite geschoben.
Ja, ich bin bestens präpariert.
Einen Sarong hab ich schon verpasst bekommen, die Gebetsecke ist sinnvoll gegen Regen geschützt, kein Schwein außer dem aufsichtstragenden Mönch ist hier draußen und nach einer Donation bekomme ich auch ein paar Räucherstäbchen gespendet.
Ich verstreue den Duft in der Luft, wie ich abgeguckt habe, versuche mich an Körperhaltung und notwendigen visuelle Vorstellungen zu erinnern, nehme Energie von Vater Natur und Mutter Erde auf – oder war das etwa andersrum, und nehme dann aus dem Augenwinkel wahr, dass der Mönch sich in der gleichen Haltung neben mich gesetzt hat
Hoppla? Gibt der mir jetzt Nachhilfe oder Energie?
Egal. Ich schließe die Augen und die Finger und versuche die Energie zu spüren. Ich hör nur Regen. Scheißdreck, wie komm ich jetzt trocken nach Hause ...
Stopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ruhe kehrt ein. Der Regen prasselt monoton, Stille, Regen??? Der Kackweg war eben schon so rutschig, da wird wieder alles dreckig, was frisch aus der Laundary...
Stoopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ruhe, Frieden, Wärme, wie die Reisfelder in der Morgensonne, so ist es in mir... Morgensonne und Mittagregen. Ha!! Gestern hat es auch mittags begonnen zu regnen und mir geistert das Bild der hübschen lachenden Mädels unter dem Regenschirm durch den Kopf, knöcheltief im reißenden Strom der Straßenflusses, während ich in dem Wellblechwharung vor dem Kaffee auf Sonne gewartet hab – ich muss schmunzeln...
Stoooopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ich höre auf den Atem, das soll helfen... neinstoppstoppstopp, Dewa hat gesagt das soll man nicht, dann ist das Gehör aktiv und das lenkt ab. Und wer so zielgenau meine Chakren mit bunten Steinen gepflastert hat, der muss Recht haben. Stimmt, deshalb irritiert mich auch das Geräusch des Regens immer wieder. Regen – den Mist hab ich in Deutschland genug - „what the f´ck´nghell am I doing here?“
Stooohooopp -hierwirdnichtgeflucht: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Ich sehe den hellen Punkt, er vibriert und ich werde ruhig, leise murmelt der Regen mich in Trance... Regen??? Ich wollte noch auf den Berg und an dieses Kratersee und dann gibts da noch dieses Dorf...“
Stooohooopp : Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Scheißbali, ich muss einfach fluchen. Kacke. Und diese Meditation klappt auch nicht. Was tu ich hier eigentlich? Was nutzen die netten Leute, wenn es täglich regnet und man nichts unternehmen kann? Ich muss weg! Morgen: Nix Berg, nix See, nix traditionelles Dorf. Morgen hau ich ab. Ende.
Stopp: Konzentration auf den Punkt zwischen den Augen.
Was ist das??? Ich werde wirklich ruhig. Mein Geist bleibt an dem Punkt zwischen den Augen hängen. Kein Tropfen stört mich mehr, denn ich weiß ja jetzt, dass ich gehe. Frieden breitet sich aus, ich denke nichts mehr für einen Moment. Und für noch einem Moment. Dann öffne ich langsam die Augen, lächel und danke noch einmal Himmel und Erde, wer auch immer hier Herr der Elemente ist, meine Meditation ist perfekt.
Ich schau mich um und auch der Mönch ist fertig. Ohne Worte zünden wir uns beide eine Zigarette an und beginnen langsam zu quatschen.
Es schüttet aus Eimern.
Ich warte einfach, denn jetzt bin ich ja ruhig.
Eine Stunde Regen vergeht, während wir über Gott und die Welt reden.
Noch eine Stunde Regen vergeht, während wir hungrig die Opfergaben der Gläubigen auffuttern – lecker, Äpfel und Zuckerreis, anschließend gibt’s ein Nickerchen, wo wir eben noch mededitiert haben. Hach ist das Leben hier einfach. Ich liebe diese balinesische Gelassenheit in den Tempeln.
Eine weitere Stunde Regen vergeht und er läd mich in seine Hütte zum Kaffee ein, wo seine lustige tätowierte Freundin mit ihrer Mutter wartet.
Eine weiter Stunde Regen verbringen wir mit unsinnigen Geschichten aus dem Leben und dann, dann wird der Regen endlich weniger.
Praktisch, denn es ist fünf Uhr und der Tempel wird geschlossen.
 

...und was für welche


Ich wander gelassen durch den Regen, spiele doch noch Billiard mit Einheimischen, verliere lässig haushoch und trinke entspannt Bier. Der Regen hört nicht auf – aber ich scheiß gelassen drauf. Ich weiß, dass morgen früh die Sonne scheint, dann heißt es Kaffee trinken, Pferdchen satteln und tschüss. Moped abgeben, Bus und Fähre und weg. Lombok hat auch schöne Berge...

TempelgedönS 2 dance

Wieder entführt mich Made in die Tiefen des balinsischen Hinduismus. Tempeldance im Nachbarort. Wieder werde ich angstarrt, als wär ich von einem anderen Planeten: weiße Haut, traditionelle Kleidung, die Kamera abschussbereit und zwischendrin immer mal ne schnelle Zigartette und ein Bier. Frei nach dem Motto: Hat man sich erst mal blamiert, lebts sich völlig ungeniert. Aber gleichzeitig begegnet mir Lächeln und Interesse. Und wer mich noch nicht gesehen hat, als ich die Unmengen an Opfergaben bewundert habe, der hat spätestens zu Beginn des Tanzes bemerkt, dass da was Fremdes hockt, denn die „Ellebogen-Stubser-Guck-mal-wer-da-sitzt“ gehen reihum. Ich bin froh Made an meiner Seite zu haben und habe ich mich kurz vorher noch für mein Outfit geschämt, so könnt ich ihn jetzt Knutschen für Hartnäckigkeit mir diese Verkleidung zu verpassen. Ich hätte mich gefühlt wie unverkleidet am Rosenmontagszug in Kölle. Nein, wie Skianzug in der Sauna. Nein, wie Tourist auf Tempelfest. NoGo!
 
Auf einmal wird eine eine Lady im Publikum angetanzt, die mit ihrem Handy spielt. Sie reagiert genervt und desinteressiert, was den gesamten Tempelplatz zu gröhlendem Lachen bringt – außer der Lady. Ich bin begeistert und gefesselt. Die haben echt Humor hier.
Die Musik macht mir nichts mehr, sie ist Teil dessen und das ist herrlich so. Die Tänze sind abgeschlossene kleine Geschichten, jede mit berauschenderen Kostümen als zuvor, die mir Made zwischendurch erklärt:
„This is dog upside down“
„?????“
„Look, he´s doing like a dog, that licks his as.“
 
Gröhl!!! Dieser beeindruckende Barongtanz, mit des Tempels heiligstem Kostüm und Reliquie spielt tatsächlich „Leck dich am Arsch“ im Tempel. Ein Wunder, dass sich die Männer nicht alle am sack kraulen. Ha und jetzt kommt ein Affe dazu, der den Barong entlaust. Verstehe, Entlausen ist hier schon salonfähig, die Damen der Gesellschaft sitzen immer mal gemütlich zusammen und zelebrieren das.
Es folgt ein Kampf zwischen Gottheiten, bei denen das Publikum auseinander flieht, weil die Tänzer in ihrer Massenschlacht verheerend viel Platz brauchen und zudem so authentisch wirken wie auf einer eskalierten Großdemo.
 
Die Krönung aber ist noch nicht mal der fingierte Streit zwischen Mutter und Tochter, was fast Hip Hop Elemente hatte, wegen dem gesprochnen Text, sondern die Comedy Einlage danach. Dackelt da glatt der indonesische Dirk Bach im Zwergenkostüm auf den Tempelhof und zieht über Gott und die Welt her. Ich versteh nichts, aber es ist herrlich die Lachsalven der Gläubigen durch die Nacht schallen zu hören. Das tut gut, denn es ist mittlerweile zwei Uhr und da kann man schon mal müde werden.
Scheiße, sein Blick leibt an mir hängen. „Ha, a white face ... brabbelbrabbel“
Gröhlen in der Menge.
Ich hasse Mitmachtheater.
Zu spät. Ich bin mittendrin und jetzt hift auch kein vorgetäuschter Klogang mehr.
Made zündet sich eine Kippe an. Der scheint zu wissen was jetzt kommt. In Gedanken rauch ich mit und wünschte ich würde verstehen.
„Where are you from?“
„Germany“
„Ramani?“ - Er verfälscht das Wort so, dass die ganze Menge wieder gröhlt. Hut ab. Improvisatonscomedy vom feinsten. In Deutschland wäre das TV-reif und er würde reich werden. Hier stehen nur die Götter in seiner Schuld.
Mir ist schleierhaft, was er alles aus dem Wort rausholt, aber das Lachen nimmt kein Ende, einige seiner Worte und es schwillt wieder an während hunderte von Augenpaaren jetzt aus Belustigung nicht mehr aus verstohlener Neugier auf mir liegen. Er tut dem Publikum einen Gefallen und bringt mich denen schneller näher als mir eigentlich lieb ist. Aber den Preis zahl ich gerne.
AAAAAA- Da kommt die nächste Witzfigur auf die Bühne. Eine knuddelige Variante von Edgar mit den Scherenhänden liefert Nachschub im gemeinsamen Herziehen. Ich hoffe ich wirke noch entspannt genug. Oh my Shiva, ich komm wieder mit ins Boot.
„What´s your name?“
„Kirsten“
witzelfrötzelmachsichlustig.
Made raucht bereits die zweite Kippe. Diese Menge an Mittelpunkt ist ihm dann doch zu viel? Mir auch und zudem macht mich mein indonesisches Sprachvakuum grad hilflos und fertig.
„WHAT?“
„Kirsten“
Handbewegung und drei Silben reichen aus, um das Publikum in Wallung zu bringen
„christi? Blabrabbelblub“, gröhlendes Lachen und der Kerl legt trotz Übergewicht und Igelfrisur einen Purzelbaum hin.
„Where are you from?“
Jetzt kein Wiederholungen bitte, das nervt.
„Germany“
„No - city“
„Cologne“
„Ah – Podolski“ und wieder wendet er sich an die Menge. Sach mal???? Ich hadere mit meinem Bildungsniveau – kenne ich einen indonesischen Fußballer? Oder gar den Präsidenten? Vielleich wenigstens die Anzahl der Inseln? Nix. Außerdem muss ich mein Weltbild erneut überarbeiten und mir ernsthaft die Frage stellen ob hier Shiva geehrt wird, eine neue Rubrik im KickerMagazin entworfen wird oder eine neue Aufzeichnung von Comedy Indonesia mit versteckter Kamera läuft?
 
Egal, die Leute freun sich und dann... dann sendet Shiva die Erlösung, um die ich gebeten hab. Es fängt es in Strömen an zu regnen, dass die meißten Zuschauer schlagartig fliehen und ich scheine zwangsläufig entlassen zu sein. Endlich einmal bin ich dankbar für Regen, denn wir haben nach zwei Uhr, ich sitze nahezu nahtlos im Schneidersitz auf dem Boden und der Weg zurück ist lang..



 
 

TempelgedönS 1 ceremony


sie taumelt nur noch - ich bin zu spät
„We´re too late!!!“ Grad noch seh ich aus den Augenwinkeln das Blut durch die Luft spritzen, Eingeweide baumeln über der weißen Spitzenbluse der Gläubigen und die Reste des zerfetzten Huhnes fliegen durch die Luft.
Bin ich die einzige die aus aufgerissenen Augen auf die Frau starrt, die das Huhn grad bei lebendigen Leib zerrissen hat?
Ich schau mich um, alle sitzen lässig im Schneidersitz, die Musik hat begonnen zu spielen und mein Blick bleibt fragend an Made hängen.
„Whats going on?“
„Ah, she´s in trance. She´s doing all the time. Thats how the ceremony starts.“
Mein Blick tötet grad kein Huhn, sondern Made: „I told you let´s hurry up.“ Scheiß balinesische Gelassenheit.
„Sometimes she´s killing a pig.“
„What?“
kinder sind überall dabei
„No problem, she doesn´t know, what she´s doing.“ Ich werd nicht mehr - als ob der Gedanke jetzt beruhigender ist. Aber für sie ist es bestimmt angenehmer, nicht zu wissen, wenn sich handwarme Gedärme mit frisch verschlungenem Unrat über ihr ergießen.
 
 
 

made am instrument
Made hat mich hierher geschleppt. Ich hab ihn an meinem ersten Abend auf Bali in Ubud kennengelernt. Nach einer Nachtfahrt im Bus quer durch Sabah mit gefühlten einhundert Polizeikontrollen, weil immer noch aufständische Philipinos dort vermutet werden; einem Tag dämliches Zeit totschlagen in Kota Kinabalu, inclusive Höllentaxifahrt, weil ich meine GoPro im Bus vergessen habe; einigen Stunden im Flieger nach Jakarta; einer weiteren Nacht am Flughafen mit einem Securityofficer, der mir sein Leben erzählt hat, statt eine Mütze Schlaf zu schenken; einigen weiteren Stunden Flug; dem dirktem Gang zum Mopedverleih in Kuta; einer Irrfahrt durch Balis unübersichtliches Verkersnetz und einem Besuch eines saganhften Tempels auf einer Insel, bin ich in diesm Wharung eingelaufen. Hapüh. Völlig übernächtigt, griesgrämig, und ausgehungert, wollte ich nur einen Salat und einen Tee, aber Made und seine Freunde haben mich hier mit Lachen und guter Laune willkommen geheißen, dass ich dann zu zwei Salaten auch noch zwei Bier inhaliert habe.

Er wohnt in dem Dorf und hat mich zu dieser Tempelzeremonie eingeladen. Natürlich nicht ohne dass ich vorher mit überdeutlichem Interesse und herzzerreißendem bettelndem Dackelblick betont habe, dass ich dieses Land mit dem ersten Blick in mein Herz geschlossen habe, dass ich unheimlich an der Kultur interessiert bin und dass mich der Tourismus in Kuta so angekotzt hat, dass ich trotz zwei schlaflosen Nächten direkt nach Ubut geflohen bin. Strike! Das war das gefundene Fressen für einen waschechten Balinesen mit einem ack voll Lokalptriotismus, der nicht nur stolz auf seine Kultur ist, sondern sich zudem gerne mit europäischen Touristinnen schmückt.
Aber hey - ein gesundes Maß an Egoismus auf beiden Seiten kann zu spannendem Kulturaustausch führen. Und so steh ich jetzt hier mit europäischem Entsetzen vor dieser Frau, gehüllt in einem Sarong meiner Vermieterin, einer gelber Spitzenbluse vom Markt und einem Tuch um die Hüften mitten in dieser befremdlichen und doch so entspannten Athmosphäre.

Die Musik spielt auf Instrumenten, die an goldene Xylophone erinnern.
Mein Gott, ich muss mir echt Mühe geben das Gesicht nicht zu verzehen. Das ist nicht nur schräg und blechern, der Sound tut in den Ohren weh. Bilder einer üngeübten Schulcombo huschen durch meinen Thalamus, Untalentierte Microsternchen die sich auf selbstgebastelten Recyclekunstwerken Starkult kopieren, während das Publikum wünscht, dass wenigstens Karaokebackground den Klangteppich harmonisiert.
Aber halt...
da kommt was...
ich erkenne Rhythmus...
warte...
und Melodie...
und wenn ich mich frei mache von verbindlicher Oktavenharmonie, meinen Kulturkreis und meine Vorstellung von Musik ausschalte...
dann stellt sie einen angenehmen Soundteppich dar, bei dem ein tranceähnlicher Zustand gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Freimachen von Vorstellungen und Erwartungen ist seit jeher die Zauberformel für das kleine Glück ist und schon bin ich drin in dieser fremden Welt und kann es genießen.
Die Herrscherin über das Huhn bewegt sich noch wenig zur Musik, aber während meiner mentalen Selbstheilung über die Musik sind diverse Retter zu ihr geeilt, um sie mit heiligem Wasser und Handauflegen von ihrem Teufelsleiden zu heilen. Die übrigen Teilnehmer der Zeremonie sind alle gesund und haben sich währenddessen mit Opfergaben ausgestattet und ziehen in den Tempel.
 
 
Jetzt gilt es den Gott der Natur zu huldigen, was durch mehrmaliges Umrunden der Opferstätte innerhalb es Tempelgeländes geschieht und anschließend wird mit einem erneuten Gang vor den Tempel symbolisch der Gott der See willkommen geheißen. Es ist phänomenal: dramatische dunkle Klänge untermalen das Auftauchen des Seeengottes und geben das Gefühl von einem beständigen Herzschlag, während die letzten Sonnenstrahlen die magische Szenerie zum Glühen bringt. Für mich ist das so neu und so berauschend und ich empfinde tiefe Dankbarkeit für Made, dieses erleben zu können. Trotzdem bin ich neugierig woher dieser dumpfe beruhigende Beat kommt und mein Blick sucht die Herzklangmacher. Ich werd nicht mehr: zwei Männer sitzeauf einem Turm hölzernen Turm an der Seite des Spektakels und schlagen abwechselnd mir Holzkknüppeln gegen riesige klingende hängende Hölzer. Glocken in ihrer archaischsten Form und … Ich muss lachen: Der Ernst der Zeremonie scheint dem einen nicht klar zu sein oder er spielt NewEconomy meets Altertum: Es spielt mit seinem Handy, während er doch musikalisch die Lebendigkeit des Gottes repräsentiert.
 
Ha! Einsatz verpasst.
Er blickt zu seinem Kompanion und der schüttelt den Kopf. Ich muss an unsere Surdos denken, die die ganze Bateria zum Zusammenbruch bringen, wenn der Takt nicht stimmt.
Ha wieder. Ich muss losprusten. Klick – Bild im Kasten.
Das stört hier keinen. Die wissen wohl, dass der Gott der See zuweilen an leichten Herzrythmusstörungen leidet.
Knips. Blitz. Unsere Blicke begegnen sich, wir müssen beide laut lachen und er verpasst wieder seinen Einsatz. Balinesische Gelassenheit: Wer mit Huhnfledderern feiert, kann auch kurze Herzaussetzer von Göttern verkraften. Wen kümmerts.


 

Donnerstag, 28. März 2013

Tioman ist ein kleines kultiviertes Paradies. Nicht überlaufen aber touristich erschlossen und Air Batang (keiner weiß warum, kurz aber ABC genannt) gleicht einem gemütlichen Backpackernest mit kleinen noch einheimissch wirkenden Restos, bunt bepinselten Bars, die wahlweise Reggae oder Metal spielen, zerfallenen Hütten oder Booten am Wegesrand und einer Unsumme an Tauchschulen. ABC hat immer noch keine Straßenverbindung zum Hauptort in der Nachbarbucht und das macht alles noch einen Tic gemütlicher. Eine Insel mit Bergen und vielen Stränden. Das Wasser ist kristallklar, die Luft frisch und das Wetter einmalig. Wandern, Schnorcheln, Tauchen, Relaxen.

Zudem hab ich eine gemütliche Hütte und eine Gruppe netter Menschen um mich: Colin, der britische Kanadier, der seit Monaten durch Asien reist, Genevieve und Kirsten, die britschen Aussteigerinnen, die in KL arbeiten und im krassen Gegensatz dazu Esa und Marc, zwei finnische Brüder, die nur eine Woche Urlaub haben und mal eben für ein Paar Tage hierher geflogen sind. Jede Jeck is anders.
 
Der erste Abend dient direkt dazu mich ab Morgen für vier Tage an die Tauchschule zu ketten, um bloß nicht das Gefühl von Kiki-tut-mal-nix aufkommen zu lassen und dann genieße ich den ersten Abend mit meinen neuen Freunden der Reggae-Bar.
Heute kann ich noch feiern, erst ab übermorgen geht’s ins Meer runter. Die Theorie mach ich doch mit links.
Denk ich.
Aber die Theorie ist heftig und wird nach amerikanischem Vorbild in mich geprügelt: Zwei Videos mit geballten Infos über physikalische Gesetzte, Strömungen, Equipment und medizinische Probleme, die ich mithilfe von Büchern verstehen muss, um am Nachmittag die ersten Tests in Englisch zu bestehen. Mir qualmt der Kopf und ich bin froh, dass anschlieend die ersten Übungen im Pool den Lernfrust auflockern.
 
„You need a beer?“, fangen mich die Norweger ab, als ich ihre Hütte passiere. Was für eine Frage. Ich hab die kalte Dose ja auch schon im Gepäck, lass mich aber gern bei ihnen nieder, um mir eine Packung seelische Aufmunterung für den nächsten Tag einzustecken. Die anderen trudeln auch wie auf Bestellung ein: Essen gehen, Bier trinken, Loslassen und Abschalten. Dafür gibts Freunde. Wenn auch nur für drei Tage.
Als ich um Mitternacht in mein Bett falle, bin ich heilfroh, totmüde und glücklich. Warum nur zum Teufel ist mein geliebter Schatz jetzt nicht mit dabei? Er hätte seine Freude an dem kleinen Paradies, den Menschen und am Tauchen lernen.
Nachts werd ich wach.
Eine Silouette?
ICH SCHREI!!!
Da ist jemand in meiner Hütte. Flink wie ein Wiesel springt er aus dem Fenster. Ich pack den Schlafsack um mich und brüll hinterher: „Ashole“
Licht an, Klamotten an. Fehlt was?
Laptop da, Kamera da, Bauchtasche...
Wo ist die Bauchtasche?
Lag die nicht neben mir im Bett?
Ich wühl alles durch. Keine Chance.
Papiere, Unsummen an Geld, weil Tauchschule bezahlt werden muss, Kreditkarte und EC Karte.
Scheißdreckhochdreihundert. Und nu???
Mein erster Gedanke ist, dass ich weiterpenne und morgen zur Polizei gehe. Was soll ich denn schon tun?
Gibts hier überhaupt Polizei?
Wann soll ich das morgen wie machen?
Und gibt’s dann eine reelle Chance meine Sachen wieder zu bekommen?
Ein Scheißgedanke.
Wenn es eine Chance gibt, dann jetzt. - Das „wie“ ergibt sich schon. Hauptsache sofort.
Los!
 
Ich verriegel die Fester, schnapp mir mein Taschenmesser – lächerlich, aber weiß der Kukuk wo mein Pfefferspray ist, wahrscheinlich in der Bauchtasche – und geh hinterher. Ja ich gehe, ich bummel sogar fast. Der Wichser ist eh schneller als ich und längst über alle Berge. Und sollte er noch in der Umgebung sein, warne ich ihn, wenn ich renne und womöglich schreie. Nein, lässig bummelnd schlendern.Allein das Geld sind hier zwei Monatseinkommen. Ich zitter und will rennen. Ruuuuhig...
Ah, vier Uhr und noch Licht in dem Haus. Ob er das ist?
Ich schleiche zum Fenster. Die Vorhänge sind zugezogen. Sehr verdächtig. Aber man kann durch die Ritze der Holzverkleidung linsen.
Gottseidank. Ich muss nicht mein Schweizer Klappmesser vor mich halten, das Haus stürmen und grollend „Hände hoch“ brüllen. Ein Comuterjunkie zockt.
Weiter geht’s.
Wieder Licht.
Was hier nachts noch alles so los ist.
Vor dem Haus hockt eine Frau und sortiert Schuhe. Ha, ich muss lächeln und an Beate denken, die mit Vorliebe Samstag nachts nach der Party die Treppe putzt.
Aber sie könnte eine Zeugin sein.
„Excuse me“, spreche ich sie an.
„Yes, can I help you?“ eine Bierfahne weht mir entgegen.
„Excuse me. Have you seen a man running down the way, a few minutes ago?“
Sie reißt die Augen auf: „Yes – but there were two. Why? He was drunken.“
„Oh, I got robbed at the moment, i just wanna know if the thief could be in this direction.“
„WHAT? Wait, wait“, sie reißt die Tür auf und brüllt nach ihrem Mann.
„He had a red T-shirt?“
„Maybe – I dont know, I was asleep“, aber ich schwöre, in dem Moment hatte der Typ ein rotes T-Shirt für mich an. Wehe, mir begegnet eins. Dem ramm ich mein Messer bis zum roten Griff in die Rippen, dass das schweizer Kreuz über seinem Herzen steckt.
„What happened?“, die nächste Fahne haut mich aus den FlipFlops. Aber der Kerl hat schon das Handy am Ohr und wirkt stocknüchtern. Ich erzähl nochmal, aber währenddessen telefoniert er bereits, als hätte er drahtlose Verbindung zu allen Kleinkriminellen, zieht sich die Schuhe an und rennt weiter in Fluchtrichtung. Wir folgen ihm, denn für mich versprüht er Hoffnung mit seinem Elan und seine Frau bekommt wohl noch ne spannende Nach geboten.

Später versteh ich die Aufregung, denn „Never shit the own place“ ist hier ein ungeschriebenes Gesetzt. Daraus folgt: „Sorge für den guten Ruf im Dorf!“ und „Denn alles Übel kommt von außerhalb“. Eine tugendhafte Form von Rassismus im touristischen Microkosmos, der mir recht ist.
Als wir um die Ecke biegen stehn dort ein Dutzend junge Leute, die Hälfte davon in roten T-Shirts. Meine Hoffnung sinkt: Die Belegschaft vom Sunset-Cafe, Einheitslook rot, lungert noch mit Kumpels rum. Soll ich auf Verdacht in jedes rote T-Shirt stechen. Lebenslänglich. Wahrscheinlich hat sich die Frau geirrt.
Hey, aber ihr Mann ist fit. Er redet und redet, ich versteh gar nichts, die Masse wird unruhig, alles redet wild durcheinander... war da doch was?
Und auf einmal kommt Bewegung in den Pulk.
Was geht jetzt ab? Zwei schießen wie vom Teufel gejagd davon und andere jagen hinterher. Ich folge nur meinem Instinkt ohne zu wissen, wer hier welche Rolle spielt. Noch ist jeder für mich potentieller Dieb. Ich renne. Aber ich bin zu langsam, der Abstand wird zu groß. Kurz bin ich mir sicher, die Jungs regeln das besser ohne mich, aber es siegt das Gefühl aktiv mein Eigentum zu sichern. Scheiß auf die Latschen, sie bleiben an der Treppe stehen, die über den Hügel zur Nachbarbucht führt und dann leg ich den Turbogang ein. Ich werde schneller, aber mein Turbo reicht noch lange nicht an den Groundspeed der jungen Einheimischen ran und als ich mit die Lunge aus dem Hals hechelnd über den Hügel bin, stehet die Gruppe schon da und diskutiert wild.
Wer zum Teufel ist jetzt gut und wer ist böse?
In billigen Filmen sieht man das direkt. Hier nicht.
Die zwei Kerls in abgewetzten Klamotten? Die hättens nötig. Oder doch eins von den roten Shirts? Die hat die Frau gesehen. Und war der Einbrecher vielleicht blond? Das hätte ich getippt. Ich verdächtige erstmal unsinnig jeden, lass Taschen durchwühlen, frage sinnlos die Flodder nach dem Grund der Flucht, bis ich merke, dass die kein Englisch verstehen. Das bringt nichts.
Meine Logik schlägt Saltos, mein Verstand will jetzt Ergebnisse sehen und mein Gefühl sagt mir, dass ich so nah dran bin. Aber ich bin nicht in einem deutschen Gerichtssaal, sondern um fünf Uhr morgends mit Besoffenen und Kriminellen in einer schummrig beleuchteten Ecke in Malaysia. Hier müssen Einheimische das Wort in ihrer Sprache führen. Und derer sind viele da und sie fühlen sich verdammt verpflichtet mir zu helfen – mehr noch: sie haben Spaß dabei und fühlen sich in ihrem Heldentum herausgefordert.
Die Hauptverdächtigen sind schnell die armen Schlucker und das Bild passt immerhin in jeden Film, der mit gängigen Klischees spielt.
„Police is comming“, sagt mir einer.
 
Blitzartig scant mein Hirn die Erinnerung der Landkarte durch. Hier sind die Buchten nur mit dem Boot zu und mein Blick gleitet aufs Meer hinaus. Cool, kommt die Polizei mit dem Speedboat. Kann ich da mitfaren – ich schweife schon siegessicher ab. Aber – Potzblitz, bei der Flucht sind die Täter über die Treppe in der Bucht mit dem Hauptort gelandet, und da gibt’s die einzige Straße der Insel. Siehste Kiki, die regeln dass für dich. Schutzengel und Einheimische in Teamwork. Hab ich ein Glück. Dankbar schnorr ich mir eine Kippe: ich bin raus. Typisch deutsch warte ich jetzt einfach bis die Executive anrückt und alles regelt.
Malaysia ist anders.
Die Verdächtigen werden weiter ausgehorcht, fast hab ich Mitleid und ich überlege schon, ob ich in der Hektik auch richtig im Zimmer gesucht habe. Manchmal passiert das ja.
Da kommt erneut Bewegung in den Pulk.
Der eine würgt und kotzt Richtung Strand -Uaaaahekelhaft- während der andere auf einmal von der Mauer hochgerissen wird, sich einige Jungs auf ihn stürzen und ein Paar Schläge in die Magengegend verteilen. Er würgt auch. Der Kotzende pellt sich in Begleitung eines Sunset-Kellners aus der Gruppe, der mir strahlend zuruft: „He was it - he was it.“
Ich reiß die Augen auf.
„We´re going to look for the bag. Wait“
KLAR warte ich!!!! und ein Stein, so groß wie der Fels zwischen den zwei Buchten, fällt mir vom Herzen. „Sie ham´s, sie ham´s“, jubel ich innerlich und suche nach jemandem, den ich umarmen kann, aber erstens ist da niemand und zweitens ist die Tasche auch noch nicht da.
Plötzlich wird’s laut, der eigentliche Täter klemmt hilflos in einer Ecke zwischen Mauer und abgestelltem Gerümpel und muss Schläge kassieren. Mir wird mulmig. „Er hats doch jetzt zugegeben, wie positiv...“ murmelt der Amateur-Sonderpädagoge-Fachgebiet-Mediation in mir. Ich geh einen Schritt näher. Mein Gesicht muss Bände gesprochen haben, denn eine Hand legt sich von hinten auf meine Schulter:
„Don´t worry, it´s ok.“
„No, it´s not ok, they should stop.“
„Here is Malaysia“
Er hat recht – das ist auch Teil ihrer Sprache.
„Never piss the own town – thats an unwritten law here. They are from Bali“, erklärt er sanft die Art, wie hier das eigene Revier markiert und verteidigt wird, während der andere auf dem Boden liegt und wimmert, wie ein frischgeborener Straßenköter, weil er mit Tritten malträtiert wird. Aha, im Namen der Dorfgemeinschaft wird die Prügelstrafe unter den Heiligenschein der Ehrenrettung mit gutem Grund und Gewissen gestellt. Er windet sich die Mauer entlang, aber irgendeiner der Locals steht immr parat um nochmal handfest klar zu machen, dass hier im falschen Revier gepisst wurde, und dass er daher wohl für mindestens jeden Einwohner und obendrauf jeden zahlenden Touristen Schläge zu kassieren hat. Das entbehrt nicht der Logik.
Als ich kurz darauf einen erneuten Versuch wage mit beschwichtigenden Worten die sinnlos gewordene Prügelei zu stoppen – verdammt, so viele Einwohner gibt’s hier nun wirklich nicht, macht einer der Rächer eine knappe Handbewegung und die Selbstjustiz stoppt apprubt. Dem Geschundenen wird sogar aufgeholfen. Aha! Kulturverständigung! Sie sehen meinen Einwand wohl ein.
Falscher Stolz!
Die Polizi rückt an.
Die sehen zwar aus wie robuste herzensgute Kinderkrankenpfleger in der Ausbildungsphase, zumal keiner auch nur eine Uniform oder etwas ähnliches trägt, machen aber demzutrotz kurzen Prozess: Hosentaschenkontrolle -mein Geld steckt gebündelt dadrin- Handschellen, abführen. Ohne dass irgendwer auch nur eine Aussage gemacht hat, oder das ich angsprochen wurde.
Der Partner kommt zurück und hat meine Bauchtasche incl Reisepass dabei: Handschellen, abführen.
Leider fehlt mein Portemonai mit Maestro und Kreditkarte. Aber die Nacht ist ja noch nicht zu Ende und ich muss erstmal mit auf die Wache, nicht ohne den freundlichen Beamten darauf hinzuweisen, dass ich schuhlos bin und somit gerne auch einen Rücktransport gewährleistet hätte. Gebongt! Das würds in Deutschland nicht geben.
Ich danke den Beteiligten überschwenglich für die bilderbuchreife Aufklärungsarbeit -sie waren wirklich Gold wert- und steige auf den Beifahrersitz, während die Kriminellen hinter Gittern auf der Ladefläche bewacht werden. Das Happy End rückt näher.
Auf der Wache dauert alles sehr lange, obwohl eigentlich nichts passiert.
Für mich nicht.
Die Wache ist in einem neuen Gebäude, was fast gemütlich wirkt. Auch das Erste was einem beim Betreten des Raumes auffällt, ist die alternde Sofagarnitur rechts und links der Tür mit einem Teppich dazwischen. Kaffee und Kuchen hätten mich wie bei Großmutter fühlen lassen. Ah, gegenüber steht ein Schreibtisch, der dem ganzen einen ofiziellen Touch gibt. Ich soll auf dem unbequemen Stuhl am Schreibtisch platznehmen, wähend die Täter nebeneinander in Handschellen auf dem Dreier flätzen dürfen. Was ist das denn? Ich bin auch müde, es ist schließlich mitlerweile halb sechs .
Da kommt der Polizeichef. Dick, gemütlich, lässig und mit einem Schnäuzer, aber mit ernstem Gesicht. Zack. Jetzt wird aufgtanden, wie Schüler unsere beim Morgengruß. Er gibt mir die Hand. Ich darf sitzenbleiben. Die Bösen nicht.
Es ist erbärmlich und fast erniedrigend, dass die Taschen hier auf dem Boden vor allen ausgepckt werden. Erst jetzt merke ich, dass die Hose des Hauptdiebes nur noch an wenigen Stellen zusammenhält und total verdreckt ist. Man kann ihm im Schritt bis auf seine gelbe Unterhose und noch weiter blicken. Auch das T-Shirt hängt nur halbherzig über seinen Schultern, aber das muss er eh ausziehen und der harte aber schmale und lieblos tätowierte Oberkörper wird frei. Den Gürtel muss er auch schonmal ablegen, und nicht nur seine Hose sackt jetzt noch tiefer. Dass in dem Moment aber noch eine reizvolle Damenunterhose in mintgrüner Spitze mit zwei Fingern aus seinem Gepäck gezogen wird, über die lauthals gelacht wird, setzt dem Ganzen die Krone auf. LOL geht innerlich bei mir ab, denn herrliche Comedyszenen flitzen durch meine Visionen, trotzdem steigt Mitleid in mir hoch, denn gleichzeitig denke ich an manche Schüler, die mit Sicherheit ähnlich enden werden. Und keiner fragt je nach der Freiwilligkeit des Lebensweges .
In seiner Tasche befinden sich gefühlte dreißig Feuerzeuge und Unmengen an Zigarettenpackungen. Meine übrigends auch, die ich mir sofort unter den Nagel reiße. Das ist nur fair, so wird das Schauspiel etwas ertäglicher für mich, aweil ich mir Dayly-Soap-Athmosphäre verschaffe.
Ansonsten scheint er noch genau ein T-Shirt und mehrere Deoroller zu besitzen. Ansonsten nix. Vor meinen Augen seh ich mich meinen Rucksack schleppen und von Ladekabel, bis Drittobjektiv, von Teebaumöl bis Shirts für alle Klimazonen. Ich denk an das Zimmer, was ich möbliert vermietet habe und den Keller, der voll mit Hausrat steht. Was man alles so für lebennotwendig erachtet. Und der hier?
Aber in dem Moment erregt etwas anderes die Aufmerksamkeit der Obrigkeit: drei Handys und eine Kamera. Hoppla: Menschen, die nur ein Tshirt besitzen, haben nicht zwei Handys.
Und noch etwas wird in einer leeren Zigarettenpackung gefunden: Heroinbesteck -und die Lässigkeit der Beamten verschwindet schlagartig. Der unschuldigere Kumpel wird gepackt und weggebracht. Erst als sie zurückkommen verstehe ich, dass die eine Hausdurchsuchung gemacht haben, denn da ist einiges im Handgepäck: Laptop, Tauchuhren, Microsoundanlage, eine kostspielige Angel. Außerdem kommen noch zwei Männer mit. Einer mit BMW-Racing-Shirt, was mich stutzig macht. Der wirkt reich.
Und jetzt geht’s schnell.
Beide müssen vor dem Sofa stehen. Der erste wird angebrüllt, während sein Blick nicht mehr dem eines beim Rauchen erwischten Schülers auf der Klassenfahrt gleicht, sondern dem eines bei der Abschlussprüfung beim Pfuschen erwischten. Zukunftsangst. Und das muss er jetzt auch wohl haben.
Fragen werden ohne Lächeln gestellt.
Auf eine ansatzweise läppische Antwort gibt’s eine schallende Ohrfeige vom Polizisten. Hoppla, wunder ich mich, aber schon rasseln die nächsten Schläge in sein Gesicht.
„Nyanyi“, ich versteh das nicht. Der Angesprochene wohl schon, denn er schaut ungläubig auf.
„Nyanyi“, wird befehlend wiederholt und die nächste Ohrfeige scheppert durch die Stille.
Und ich verstehe, denn er fängt leise an zu singen, während er zu Boden schaut und die Cops weiter jedes Detail durchwühlen.
„Nyanyi“, wird gebrüllt und bevor die nächsten Schläge rasseln, drückt er die Repeattaste für die Endlosschleife.
Ich schau auf die Uhr. Halb sieben. Ich sitzt nur blöd rum und bin totmüde. Leute, eine Unterschrift und ab ins Bett. Mir wird langweilig. Ich hatte meinen Film und ab jetzt läuft nur noch Abspann. Aber die Cops suhlen sich in ihrem Erfolg. Viel scheint hier sonst nicht zu tun zu sein.
Endlich darf er aufhören und wird in die Zelle gesperrt. Mir gegenüber am Ende des Ganges. Er sitzt im Neonlicht auf dem Boden, direkt vor der Eisentür. Soll ich ihn beobachten, oder ist die Zelle so klein, das er nicht um die Ecke sitzen kann? Er schnippt ein paar Kakerlaken weg, sinkt langsam zusammen und rollt sich endlich auf dem Boden ein. Kein Wasser, keine Decke, noch nicht mal sein T-Shirt.
Aufwachen... spricht da jemand mir mir? Warum zum Teufel nuschelt er so? Gebiss vergessen? Jeden Satz muss er für mich wiederholen. Ah, jetzt kommts, es geht wirkich um mich:
Ich hab zwei Möglichkeiten, Anzeige zu machen (KLAR!!!), dann muss ich in ein zwei Monaten in KL vor dem Gericht erscheinen, um Aussage zu machen (NIE!!!), oder ich gehe einfach, weil ich alles zurückbekommen habe und dann bin ich frei.
Cool, aber was ist mit meinen Kreditkarten?
Die soll ich einfach sperren. Aber die Kreditinstitute wollen meist ne Anzeige (dann muss ich doch nach KL?)
Und was ist überhaupt mit den Verbrechern, sind die morgen auf freiem Fuß, wenn ich keine Anzeige mach?
„Nonono, we found stuff to take drugs. There will be a test, that takes minimun two weeks. Come on, we go.“
„Go? No report, no signature?“
„No need“
Der Fahrer steht auf, lächelt und fährt mich ans Ende der Bucht. Dafür bin ich also mitgenommen worden? Naja, immerhin erklärt mir der nette Bulle noch, dass die zwei andern Männer auch Geschädigte waren, unter anderem der Chef der Jetty, der Arbeitgber der Diebe, die erst vor zwei Tagen bei ihm angefangen haben. Wahrscheinlich macht der Anzeige.
Eigentlich könnte jetzt hier Ende sein. Ist es aber nicht.
Ich ärger mich, dass meine teuren Flipsflops aus Neuseeland weg sind, als ich über den Hügel bin- aber das ist jetzte das geringste Übel -, geh zu meiner Hütte, um die Wertsachen weg zu bringen, schnapp mir mein Handy, meine einzige noch nicht verlorene Taschenlampe und versuche damit die Felsen am Hügel nach meinem Portemonai abzusuchen. Dort haben sie es wohl weggeschmissen. Keine Chance. Die Lampe ist zu schwach. Und ohne Schuhe ist kaum ein Klettern möglich. Ich brauch drigend eine Lampe, denn wenn die Flut kommt, hab ich keine Schnitte mehr, und in dem Moment, werd ich von der Seite angerufen:
„You got everything?“ - Der gute Helfer ist immer noch wach. Klar erklärt er, die Polizei war ja auch andauernd hier.
„What are you doing here?“
„I try to find my moneycase. But my torch is not strong enough.“
„And why dont you wear shoes?“
„They were gone, when I came back, someone took them I guess.“
„Wait.“
Und er weckt seine Mutter, reicht mir eine Lampe und meint nur: „You climb the rock, I look at the beach.“ Engel können Bierfahnen haben, weiß ich in dem Moment.
Ich kraxel barfuß über die Felsen und das Laub, die Lampe ist gut, aber ich finde nichts, da brüllt es: „You miss a red lighter?“
Ich renne zu ihm. ´Wo mein Feuerzeug, da meine Kreditkarte´ lautet mein persönliches Gesetz.
Es stimmt. Seine Frau und er stehen am Beach und halten nicht nur mein Feuerzeug, sondern auch mein Portemomai in der Hand, mit allen Karten und alle Adresszettel und Flugnummern und einem Kilo Sand.
Und jetzt hab ich jemanden, den ich um den Hals fallen kann. Und das tu ich auch.
Schlaf gibt’s keinen mehr an dem Morgen. Aber die Story ist immer noch nicht zu Ende.

Mittgs treffe ich Colin und erzähl ihm von meinr Nacht, weil er mich schuhlos von Schatten zu Schatten über den heißen Weg rennen sieht. Abends schenkt er mir vor dem Essen gehen seine alten FlipFlops, die zwar Größe 45 haben, aber er fliegt morgen heim und braucht sie nicht mehr.
Essen gehen wir auf meinen Wunsch hin alle zusammen in dem Laden, gegenüber von dem Paar, was meine helfenden Engel in der Nacht waren. Ich möchte ihnen die obligtorischen zehn Prozent Finderlohngeben. Die könnn das bestimmt gebrauchen, bei dem Bierkonsum.
Ich klopf an deren Tür, er öffnet und bevor ich etwas sagen kann dreht er sich um, hält meine Schuhe in der Hand und fragt lächelnd: „You still look for your shoes?“
Ich fass es nicht: „No, I mean yes, but actually I´m here to say thank you.“
Er hört gar nicht zu und erklärt, dass er die auch noch gefunden habe.
Jetzt fall ich ihm nochmal um den Hals.
 
Ich drück ihm das Geld in die Hand, erkläre, dass ich sauer bin, wenn er es nicht nimmt, allein die Schuhe haben doppelt so viel gekostet, wie diese hundert Ringits – das sag ich nicht laut – und kehre zu meinen Freunden mit diesen Neuigkeiten zurück.
Der Jubel ist riesig. Nicht nur bei mir.