Sonntag, 9. September 2012

AmisinpakistaN

meine Kleine am Bahnhof von Quetta


Alles hat mit den Amerikanern angefangen.
Zuminest, wenn man hier irgend jemanden fragt.
Dass die Iraner jetzt Feinde sind, dass die Terroristen böse sind und Pakistan jetzt so gefährlich geworden ist.
 
Und deshalb sind die Amis auch Schuld daran, dass ich jetzt in diesem Bummelzug sitze. Wobei bummeln ist noch übertrieben freundlich ist, denn nach viereinhalb Stunden stehen wir immer noch an Kilometermarke 30 - aber das ist normal, wenn man hier irgend jemanden fragt. Denn seit sich die Amerikaner in die Auseinandersetzungen mit Afghanistan und Pakistan eingemischt haben, ist man hier als Tourist nicht mehr sicher. Als Balushe oder als Hazari auch nicht, aber danach fragt hier keiner.

...impressionen

Bahnhof....
Die Amis sind also auch Schuld daran, dass ich die letzten 3o Kilometer bereits auf der iranischen Seite eine Eskorte bei mir hatte. Eine ist gelogen, vier nacheinander wohlgemerkt. Und zwar so perfekt ausgerüstet, dass meine Security jedes mal einen Wagen anhalten musste, um mich zu begleiten.Die lassen ihre Soldaten trampen, damit ich weiterfahren konnte. Die Geschichte war lächerlich und dem Einen hab ich gesagt, dass ich das Autostoppen jetzt übernehme. Mit seinem niedlichen Gesicht, der Nickelbrille und mit seiner verlegenen X-beinigen und leicht gebeugten Haltung hätte er vielleicht dem Fahrer eines Bobby-Cars Respekt eingeflößt, nicht aber einem Trucker zwischen Iran und Pakistan. Er hat dann ein Taxi gestoppt. Eine win-win Situation. Süß.

keine Action, aber  5 von denen haben mein Hotel bewacht,



Die Amis sind also auch Schuld daran, das ich für 300 Kilometer elf Stunden gebraucht hatte, weil ich gefühlte 30 Mal kontrolliert wurde und echte 40 Mal die Eskorte wechselte. Andererseits kann ich mich bei den Amis für unvergessliche skurrile Momente in meinem Leben bedanken:
„Feeling like a president“ - als ich durch einen Vorort von Quetta eskortiert wurde. Acht Bewaffnete begleiten mich in zwei Autos; eins vor und eins hinter mir. Jedes hat zwei Polizisten vorne und zwei hinten auf der überdachten Ladefläche, einer sichert sitzend, das Gewehr im Anschlag, nach hinten raus und einer stehend, Gewehr im Anschlag, nach vorne aus dem Dach raus. Und die Jungs hatten Hab-Acht-Stellung. Nicht wie die Landstraßenperlen, die gelangweilt auf der Ladefläche hockten und sich mit Sicherheit eher heiße Gedanken über die zu bewachende Fracht oder die nächste Cricketspiel machten, als über meine tatsächliche Sicherheit. Nein, hier die scannen die Umgebung mit Argusaugen ab, passen auf, dass mein Vorderrad nicht weiter als zwei Meter von deren Hinterrad entfernt war und zielten treffsicher in die Umgebung. Ich kann nicht verleugnen, dass mich das etwas unter Anspannung versetzt hat. Mehr als die mündlich übertragenen Horrorgeschichten. Ich hatte das Gefühl minütlich könne ich irgendwo am Körper einen Schuss spüren.
„Feeling like in a movie“ - Ich kann mich aber auch bei ihnen für dass romantisch-wilde Stelldichein bei Vollmond in der Wüste bedanken. Es wird schon dunklel und ich habe kurzerhand beschlossen, die Sicherheit meiner Person selbst zu übernehmen: Ich möchte an einem der Wachposten in der Wüste zu übernachten. Die Landschaft ist verlockend karg, und die 100 km zur veranschlagten Stadt unrealistisch. Damit hab ich die rein männliche Belegschaft aber wohl überfordert. Erst haben sie genickt und ein Bett rausgeschleppt, dann telefoniert und dann doch beschlossen, dass Frau hier fehl am Platz sei und mir weitere Eskorten durch die Nacht besorgt. Scheiße, denn ich bin echt fertig. So kommt es, dass ich bei einem Eskortenwechsel solange aufs Folgefahrzeug warten musste, dass ich mit sechs dreckigen und bewaffneten Soldaten auf einer zerrissenen Kameldecke sitze und süßen Chai zu starken Zigaretten trinke. Über uns leuchtet der Vollmond und glitzern die Sterne, Wahrzeichen der Zivilisation sind verborgen, denn sogar die Straße ist ein Stück weg und die Situation ist sexy-verrucht. Kurz blitzen unangenehme Ideen auf, die ich aber schnell beiseite wische. Filme brauchen Aufreißer fürs Pulikum, mir reicht das hier als Abenteuer.

Die Amis sind Schuld daran, dass ich auf Pakistanischer Seite eine Dauerbewachung bekomme. Und mit Dauer eine ich jetzt nicht das bekannte Stück von Tatuan nach Quetta, sondern überall, auf den 600 Metern zum Bahnhof und im Zug und dann in Sicherheitverwahrung und wehe ich setzte einen Fuß weit vor die Tür...

Die Amis sind auch Schuld, dass wir Ausgangsverbot bekommen, weil diese blöden Terroristen ausgerechnet heute neun Menschen erschießen mussten. Ich kenn von Quetta nur die  Drecksstraße neben dem Hotel und das Office.
Und wegen der echt überflüssigen Aktion wird auch noch unser Hotel teurer. Wir mussten nämlich zum bezahlen Geld tauschen, was schlagartig an Wert verloren hat.

Die Amis sind auch Schuld daran, dass ich mir bei offizieller Behörde eine Permission besorgen muss, mit der ich befugt bin, alleine mit meinem Fahrzeug weiterzureisen....
… was mir aber untersagt wird...

warten auf... keiner weiß, aber das seit stunden
… Und da die Amis Schuld daran, dass ich diese offizielle Erlaubnis nicht bekommen habe sitze ich wegen denen jetzt hier auch in der Bahn, die seit drei Stunden in der prallen Hitze steht, ohne Aircon oder funktionierenden Ventilator. Die meisten sitzen nur noch lethargisch rum und warten, was will man auch tun. Andere nutzen die Pause um an der Straße da hinten etwas einzukaufen. Der Shopbesitzer muss mittlerweile Reichtümer anhäufen können, wenn das Prozedere hier täglich stattfindet. Scheint normal zu sein, das der Zug hier steht. Für mich ist das nicht normal. Wir sind gerade mal 25 km vom Startort entfernt und bin innerlich kurz vorm Durchdrehen.

keine Hallus, ein Salatverkäufer im Zug
Ich hab mich auf ein Bett über den Sitzenden geknallt und versuche zu lesen. Mir fallen die Augen zu. Kein Wunder, hab ich gestern Nacht mein erstes Bier seit Wochen getrunken und dazu das einzige getan, was man in diesem kriminellen Terroristennest bei Ausgangssperre tu kann: gutes frisches schwarzes Haschisch aus Afganisthan geraucht. 
Leider ging die Rechnung nicht auf und ich lag die halbe Nacht wach, bis mich um halb fünf dann wieder mein Feind de Hahn geweckt hat. Ich liege also auf der Pritsche knapp unter der Decke des Waggon und versuche mit kalten Gedanken die Hitze aus meinem Körper zu meditieren. Alles klebt, jede Bewegung führt zu Schweißausbrüchen, ich denke an Eis und deutschen Regen, an Skiurlaub und die Angst vorm Erfrieren bei der Araratbesteigung, aber der Schweiß rinnt. Die Jungs neben mir stinken, was das Zeug hält, schauen irgend einen dämlichen Film und lachen noch dämlicher. Ich kann ihre Freude nicht ertragen. Er rinnt, der Schweiß und die Klamotten kleben. Die Menschen Quatschen, reden, freuen sich. Der Zug steht und ich find alles sowas von zum Kotzen.

Essen beruhigt - bei dem haben wir dann Salat gekauft
Ich steh auf, esse und beschließe das alles toll zu finden, wie mir Javier mit einem Lächeln voller positiver Vibes vormacht. Reinschlagen könnt ich. Also probiere ich einen Perspektivwechsel und schau mir die K***-Situation von draußen an:
Wir stehen seit zwei Stunden. Viele haben sich neben die Bahn gesetzt oder gelegt und warten ab. Von Zeit zu Zeit fliegt Müll aus dem Fenster, ergießt sich Wasser hinterher oder Urin aus dem Bodenloch des Zuges. Die Menschen starren mich an. Ein zwei Brocken Englisch, und ansonsten nur kalte Gesichter. Lachen bemerke ich nur untereinander und dann fühlt es sich an, als lachen sie über uns und und nicht mit uns.
Auf den Gleisen watet man durch die angetrocknete Scheiße der vorangefahrenen Züge und die Frische sploddert schon neben einem aufs Gleis, um in der Hitze zur nächsten Schicht zu dörren. Die Menschen starren - es ist nicht auszuhalten ist, wenn man innerhalb von Sekunden von Unmengen an starrenden und verschlossenen Gesichtern umgeben ist, die sich zu keiner Regung hinreißen lassen. Sie glotzn nur, reagieren nicht auf Ansprache, oder Lächeln, nicht auf Augenzwinkern oder Witze. Noch nicht mal die Kinder. Auch sie starren. Dafür stehen sie aber so nah, dass ich die Adern in ihren Augenzählen kann.Ich fühl mich unwohl und bedrängt. Selbst jetzt, wo ich hier schreibe, bleibt immer mal einer stehen, schaut mir intensiv zu, als lese er den Text und starrt mich ausdruckslos wie blöd an, wenn ich meinen Blick mit einem Lächeln zu ihm hebe. Ich hab mich dabei erwischt zu überlegen, einfach auch nicht mehr zu lächeln, verwerfe den Gedanken aber schnell wieder. Trotzdem ist im Ansatz etwas gefährliches. Imitationslernen.
Stndenlanges Warten verschfft dann doch neue Freunde
Was hat diese Volk so verschlossen gemacht? Sind das auch die Amis schuld, oder ist es eine typische Eigenart? Wie angenehm ist dagegen die iranische Umgangsweise.
Wir haben uns nach ein paar Fotos, etwas „Gaffen-spielen“ und der Überzeugung, dass es draußen sogar im Schatten wärmer ist als drinnen, schnell wieder in den Zug begeben.
Hier geht das Spiel in harmlos weiter.
Der Zug steht auch nach drei Stunden noch und wahrscheinlich krieg ich mit etwas Zeit auch hier noch den Dreh hin, warum die Amis das Schuld sind. Immerhin scheint hier doch ein Defekt zu sein, weil mittlerweile drei Ersatzteile angeschleppt wurden.
Hinter mir dröhnt pakistanische Diskomusik aus einem Handy. Ob ich dies jetzt angenehmer finde als den Ballerfilm der vorher den Waggon mit Geräuschen durchflutet habe, kann ich noch nicht beurteilen. Die meisten haben sich hinter Tüchern verbarikadiert, Javier und ich sitze gegenüber auf Einzelplätzen in der prallen Sonne. Ich öle. Die Menschen fangen an zu stinken.
Ich entdecke eine Sitzgruppe Frauen, und beschließe doch noch mich von den Mopedklamotten zu befreien müssen. Vielleicht hilft dies nicht nur die Hitze zu reduzieren, sondern auch noch die Blicke zu minimieren.
Freundlich luke ich hinter deren Vorhang, gestikuliere und sprechen sie auf Englisch an, ob ich … .
„What you want?“, bellt mich eine Stimme von außerhalb an. Der bissige Wachhund mit Turban scheint der Ehemann des Harems zu sein.
„I want to talk to the ladies,“ antworte ich frech, denn was geht den denn mein Bedürfnis an.
Gaaanz falsch Kiki.
„What you want?“, mir scheint, ich sehe Sabber an gefletschten Zähnen entlang laufen und daher werde ich jetzt nicht über Fremdbestimmung, Emanzipation und Rechte der Frau diskutieren, sondern mein Bedürfnis vortragen.
Und so läuft´s: Er beschließt und er bestimmt und nur er kann mir erlauben mir hinter den Vorhang der Damen zu kriechen, meine Gebeine vor dem Blick er Ladies zu entblößen. Langsam nervt mich diese Land. Überall nur Leute, die etwas für mich bestimmen: vom Ehemann zum Hotelmanager, vom Polizisten bis zum Bürofurzer. Kann ich nicht mal selber irgendetwas selbst entscheiden.
Hey Amis, go home ;-)! Oder sind die daran etwa nicht Schuld.

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