meine Kleine am Bahnhof von Quetta |
Alles hat mit den
Amerikanern angefangen.
Zuminest, wenn man hier
irgend jemanden fragt.
Dass die Iraner jetzt
Feinde sind, dass die Terroristen böse sind und Pakistan jetzt so
gefährlich geworden ist.
Und deshalb sind die Amis
auch Schuld daran, dass ich jetzt in diesem Bummelzug sitze. Wobei bummeln ist
noch übertrieben freundlich ist, denn nach viereinhalb Stunden stehen wir immer noch an
Kilometermarke 30 - aber das ist normal, wenn man hier irgend
jemanden fragt. Denn seit sich die Amerikaner in die
Auseinandersetzungen mit Afghanistan und Pakistan eingemischt haben,
ist man hier als Tourist nicht mehr sicher. Als Balushe oder als
Hazari auch nicht, aber danach fragt hier keiner.
...impressionen |
Bahnhof.... |
Die Amis sind also auch Schuld
daran, dass ich die letzten 3o Kilometer bereits auf der iranischen
Seite eine Eskorte bei mir hatte. Eine ist gelogen, vier nacheinander
wohlgemerkt. Und zwar so perfekt ausgerüstet, dass meine Security
jedes mal einen Wagen anhalten musste, um mich zu begleiten.Die
lassen ihre Soldaten trampen, damit ich weiterfahren konnte. Die
Geschichte war lächerlich und dem Einen hab ich gesagt, dass ich das
Autostoppen jetzt übernehme. Mit seinem niedlichen Gesicht, der
Nickelbrille und mit seiner verlegenen X-beinigen und leicht
gebeugten Haltung hätte er vielleicht dem Fahrer eines Bobby-Cars
Respekt eingeflößt, nicht aber einem Trucker zwischen Iran und
Pakistan. Er hat dann ein Taxi gestoppt. Eine win-win Situation. Süß.
keine Action, aber 5 von denen haben mein Hotel bewacht, |
Die Amis sind also auch
Schuld daran, das ich für 300 Kilometer elf Stunden gebraucht hatte,
weil ich gefühlte 30 Mal kontrolliert wurde und echte 40 Mal die
Eskorte wechselte. Andererseits kann ich mich bei den Amis für
unvergessliche skurrile Momente in meinem Leben bedanken:
„Feeling like a
president“ - als ich durch einen Vorort von Quetta eskortiert
wurde. Acht Bewaffnete begleiten mich in zwei Autos; eins vor und
eins hinter mir. Jedes hat zwei Polizisten vorne und zwei hinten auf
der überdachten Ladefläche, einer sichert sitzend, das Gewehr im
Anschlag, nach hinten raus und einer stehend, Gewehr im Anschlag,
nach vorne aus dem Dach raus. Und die Jungs hatten Hab-Acht-Stellung.
Nicht wie die Landstraßenperlen, die gelangweilt auf der Ladefläche
hockten und sich mit Sicherheit eher heiße Gedanken über die zu
bewachende Fracht oder die nächste Cricketspiel machten, als über
meine tatsächliche Sicherheit. Nein, hier die scannen die Umgebung
mit Argusaugen ab, passen auf, dass mein Vorderrad nicht weiter als
zwei Meter von deren Hinterrad entfernt war und zielten treffsicher
in die Umgebung. Ich kann nicht verleugnen, dass mich das etwas unter
Anspannung versetzt hat. Mehr als die mündlich übertragenen
Horrorgeschichten. Ich hatte das Gefühl minütlich könne ich
irgendwo am Körper einen Schuss spüren.
„Feeling like in a
movie“ - Ich kann mich aber auch bei ihnen für dass
romantisch-wilde Stelldichein bei Vollmond in der Wüste bedanken. Es
wird schon dunklel und ich habe kurzerhand beschlossen, die
Sicherheit meiner Person selbst zu übernehmen: Ich möchte an einem
der Wachposten in der Wüste zu übernachten. Die Landschaft ist
verlockend karg, und die 100 km zur veranschlagten Stadt
unrealistisch. Damit hab ich die rein männliche Belegschaft aber
wohl überfordert. Erst haben sie genickt und ein Bett
rausgeschleppt, dann telefoniert und dann doch beschlossen, dass Frau
hier fehl am Platz sei und mir weitere Eskorten durch die Nacht
besorgt. Scheiße, denn ich bin echt fertig. So kommt es, dass ich
bei einem Eskortenwechsel solange aufs Folgefahrzeug warten musste,
dass ich mit sechs dreckigen und bewaffneten Soldaten auf einer
zerrissenen Kameldecke sitze und süßen Chai zu starken Zigaretten
trinke. Über uns leuchtet der Vollmond und glitzern die Sterne,
Wahrzeichen der Zivilisation sind verborgen, denn sogar die Straße
ist ein Stück weg und die Situation ist sexy-verrucht. Kurz blitzen
unangenehme Ideen auf, die ich aber schnell beiseite wische. Filme
brauchen Aufreißer fürs Pulikum, mir reicht das hier als Abenteuer.
Die Amis sind Schuld
daran, dass ich auf Pakistanischer Seite eine Dauerbewachung bekomme.
Und mit Dauer eine ich jetzt nicht das bekannte Stück von Tatuan
nach Quetta, sondern überall, auf den 600 Metern zum Bahnhof und im
Zug und dann in Sicherheitverwahrung und wehe ich setzte einen Fuß
weit vor die Tür...
Die Amis sind auch
Schuld, dass wir Ausgangsverbot bekommen, weil diese blöden
Terroristen ausgerechnet heute neun Menschen erschießen mussten. Ich
kenn von Quetta nur die Drecksstraße neben dem Hotel und das Office.
Und wegen der echt
überflüssigen Aktion wird auch noch unser Hotel teurer. Wir mussten
nämlich zum bezahlen Geld tauschen, was schlagartig an Wert verloren
hat.
Die Amis sind auch Schuld
daran, dass ich mir bei offizieller Behörde eine Permission besorgen
muss, mit der ich befugt bin, alleine mit meinem Fahrzeug
weiterzureisen....
… was mir aber
untersagt wird...
warten auf... keiner weiß, aber das seit stunden |
… Und da die Amis
Schuld daran, dass ich diese offizielle Erlaubnis nicht bekommen habe
sitze ich wegen denen jetzt hier auch in der Bahn, die seit drei
Stunden in der prallen Hitze steht, ohne Aircon oder funktionierenden
Ventilator. Die meisten sitzen nur noch lethargisch rum und warten,
was will man auch tun. Andere nutzen die Pause um an der Straße da
hinten etwas einzukaufen. Der Shopbesitzer muss mittlerweile
Reichtümer anhäufen können, wenn das Prozedere hier täglich
stattfindet. Scheint normal zu sein, das der Zug hier steht. Für
mich ist das nicht normal. Wir sind gerade mal 25 km vom Startort
entfernt und bin innerlich kurz vorm Durchdrehen.
keine Hallus, ein Salatverkäufer im Zug |
Ich hab mich auf ein Bett
über den Sitzenden geknallt und versuche zu lesen. Mir fallen die
Augen zu. Kein Wunder, hab ich gestern Nacht mein erstes Bier seit
Wochen getrunken und dazu das einzige getan, was man in diesem
kriminellen Terroristennest bei Ausgangssperre tu kann: gutes
frisches schwarzes Haschisch aus Afganisthan geraucht.
Leider ging
die Rechnung nicht auf und ich lag die halbe Nacht wach, bis mich um
halb fünf dann wieder mein Feind de Hahn geweckt hat. Ich liege also
auf der Pritsche knapp unter der Decke des Waggon und versuche mit
kalten Gedanken die Hitze aus meinem Körper zu meditieren. Alles
klebt, jede Bewegung führt zu Schweißausbrüchen, ich denke an Eis
und deutschen Regen, an Skiurlaub und die Angst vorm Erfrieren bei
der Araratbesteigung, aber der Schweiß rinnt. Die Jungs neben mir
stinken, was das Zeug hält, schauen irgend einen dämlichen Film und
lachen noch dämlicher. Ich kann ihre Freude nicht ertragen. Er
rinnt, der Schweiß und die Klamotten kleben. Die Menschen Quatschen,
reden, freuen sich. Der Zug steht und ich find alles sowas von zum
Kotzen.
Essen beruhigt - bei dem haben wir dann Salat gekauft |
Ich steh auf, esse und
beschließe das alles toll zu finden, wie mir Javier mit einem
Lächeln voller positiver Vibes vormacht. Reinschlagen könnt ich.
Also probiere ich einen Perspektivwechsel und schau mir die
K***-Situation von draußen an:
Wir stehen seit zwei
Stunden. Viele haben sich neben die Bahn gesetzt oder gelegt und
warten ab. Von Zeit zu Zeit fliegt Müll aus dem Fenster, ergießt
sich Wasser hinterher oder Urin aus dem Bodenloch des Zuges. Die
Menschen starren mich an. Ein zwei Brocken Englisch, und ansonsten
nur kalte Gesichter. Lachen bemerke ich nur untereinander und dann
fühlt es sich an, als lachen sie über uns und und nicht mit uns.
Auf den Gleisen watet man
durch die angetrocknete Scheiße der vorangefahrenen Züge und die
Frische sploddert schon neben einem aufs Gleis, um in der Hitze zur
nächsten Schicht zu dörren. Die Menschen starren - es ist nicht
auszuhalten ist, wenn man innerhalb von Sekunden von Unmengen an
starrenden und verschlossenen Gesichtern umgeben ist, die sich zu
keiner Regung hinreißen lassen. Sie glotzn nur, reagieren nicht auf
Ansprache, oder Lächeln, nicht auf Augenzwinkern oder Witze. Noch
nicht mal die Kinder. Auch sie starren. Dafür stehen sie aber so
nah, dass ich die Adern in ihren Augenzählen kann.Ich fühl mich
unwohl und bedrängt. Selbst jetzt, wo ich hier schreibe, bleibt
immer mal einer stehen, schaut mir intensiv zu, als lese er den Text
und starrt mich ausdruckslos wie blöd an, wenn ich meinen Blick mit
einem Lächeln zu ihm hebe. Ich hab mich dabei erwischt zu überlegen,
einfach auch nicht mehr zu lächeln, verwerfe den Gedanken aber
schnell wieder. Trotzdem ist im Ansatz etwas gefährliches.
Imitationslernen.
Stndenlanges Warten verschfft dann doch neue Freunde |
Was hat diese Volk so
verschlossen gemacht? Sind das auch die Amis schuld, oder ist es eine
typische Eigenart? Wie angenehm ist dagegen die iranische
Umgangsweise.
Wir haben uns nach ein
paar Fotos, etwas „Gaffen-spielen“ und der Überzeugung, dass es
draußen sogar im Schatten wärmer ist als drinnen, schnell wieder in
den Zug begeben.
Hier geht das Spiel in
harmlos weiter.
Der Zug steht auch nach
drei Stunden noch und wahrscheinlich krieg ich mit etwas Zeit auch
hier noch den Dreh hin, warum die Amis das Schuld sind. Immerhin
scheint hier doch ein Defekt zu sein, weil mittlerweile drei
Ersatzteile angeschleppt wurden.
Hinter mir dröhnt
pakistanische Diskomusik aus einem Handy. Ob ich dies jetzt
angenehmer finde als den Ballerfilm der vorher den Waggon mit
Geräuschen durchflutet habe, kann ich noch nicht beurteilen. Die
meisten haben sich hinter Tüchern verbarikadiert, Javier und ich
sitze gegenüber auf Einzelplätzen in der prallen Sonne. Ich öle.
Die Menschen fangen an zu stinken.
Ich entdecke eine
Sitzgruppe Frauen, und beschließe doch noch mich von den
Mopedklamotten zu befreien müssen. Vielleicht hilft dies nicht nur
die Hitze zu reduzieren, sondern auch noch die Blicke zu minimieren.
Freundlich luke ich
hinter deren Vorhang, gestikuliere und sprechen sie auf Englisch an,
ob ich … .
„What you want?“,
bellt mich eine Stimme von außerhalb an. Der bissige Wachhund mit
Turban scheint der Ehemann des Harems zu sein.
„I want to talk to the
ladies,“ antworte ich frech, denn was geht den denn mein Bedürfnis
an.
Gaaanz falsch Kiki.
„What you want?“, mir
scheint, ich sehe Sabber an gefletschten Zähnen entlang laufen und
daher werde ich jetzt nicht über Fremdbestimmung, Emanzipation und
Rechte der Frau diskutieren, sondern mein Bedürfnis vortragen.
Und so läuft´s: Er
beschließt und er bestimmt und nur er kann mir erlauben mir hinter
den Vorhang der Damen zu kriechen, meine Gebeine vor dem Blick er
Ladies zu entblößen. Langsam nervt mich diese Land. Überall nur
Leute, die etwas für mich bestimmen: vom Ehemann zum Hotelmanager,
vom Polizisten bis zum Bürofurzer. Kann ich nicht mal selber
irgendetwas selbst entscheiden.
Hey Amis, go home ;-)!
Oder sind die daran etwa nicht Schuld.
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