Donnerstag, 28. März 2013

SurprisepartY

Vorwort: (ich hasse Vorwörter!)
Als ich in Neuseeland ankam und das Land weder mochte noch verstand, erreichte mich die Message meines Freundes Dipankar aus Pune/Indien: „When everything is going dark and dim, dont worry... god is actually switching off the lights before throwing a surprise party.“
Ich hab drei Wochen gebraucht um das Land zu mögen. Bin dann vier Wochen glücklich rumgekrused, um in meinen letzten drei Tagen an diesen Ort zurückzukehren, an dem nicht nur mein Mietwagen das erste Mal verreckt ist, sondern an dem meine Einstiegsdepression wegen Regen und Kälte unter den Gefrierpunkt gefallen war.

Oft Kanu gefahren bin ich wirklich noch nicht.
Kajak dagagen noch nie.
Und jetzt bekomme ich spontan genau dieses für die nächsten drei Tage unter den Hintern geschoben. Schließlich bin ich allein auf dem Wasser und allein lässt sich nur ein Kajak steuern. Ich denke ganz bewusst nicht daran, dass auf der Ardeche regelmßig die Kumpels untergegangen sind, die in einem Kajak saßen. Solche Gdanken irritieren jetzte nur und außerdem lag das mit Sicherheit nicht an dem Bootstyp versuche ich mich zu beruhigen. Vielmehr schiebe ich den Zustand auf Ungeschick des männlichen Übermutes unter Einfluss von zu viel Kölsch, dem Katja und ich damals im Kanu weibliches Geschick und Trinkfestigkeit entgegengesezt haben.
Und trotzdem bekomme ich allmählich ein mulmiges Gefühl.
Dass ich nicht allein für drei Tage dem unbekannten Fluss ausgesetzt werde, sondern mich mindestens einer Non-guidet-Person anschließen muss, wenn ich schon keine geführet Tour buche, kann ich noch verstehen, aber der fürchterliche Gedanke, womöglich mit einem tranigen Päärchen unterwegs sein zu müssen, was sich durch zu viel Nähe auf engem Raum permanentem Rosenkrieg unterwirft, wird bewusst sportlich verdrängt: „Rechts..... r e c h t s..... REEEEECHTS hab ich gesagt.... zum Teufel... kannst du nicht hören...., du bist du zu blöd zum ….. wie damals, als..... meine Mutter hat recht gehabt...“, Puh, diese asexuellen abturnenden Ehekriege kennt doch jeder und braucht keiner. Lieber wär mir eine Gruppe cooler Leute, mit denen Spaß und Bier gleichermaßn den Wankawi River stromabwärts fließt. Aber ich werde als Anhängsel einem Päärchen zugewiesen und letztendlich soll mir nur wichtig sein, dass sie mich im Notfall rausziehen und den Helikopter oder das Speedboat rufen. Schließlich sehe ich mich von vornerein schon ziemlich verunfallt, als ich Emegency-Nummern für den eintreffenden worstcase hinterlegen muss. Mein lieber Schatz, deine Telefonnummer ist mitlerweile überall in der Welt verteilt. Verzeih mir.
Am nächsten Morgen wird das Paket „Unsicherheit“ dann weiter geschnürt, als zum Aufbruch gerüstet wird: Mein Gepäck muss in wasserdichte Säcke gepackt werden, die erstens nicht so richtig wasserdicht sind und zweitens zu klein, um all meinen Krempel auf zu nehmen. Wut kocht hoch! Ich weiß noch nicht, wen sie treffen wird, aber ich weiß genau, dass ich gestern im Office betonthabe, dass ich eine Hungerphobie hab und eine Frostbeule bin, weshalb ich neben Unmengen an Lebensmitteln auch zwei Schlafsäcke mitscheppen muss.
„No Problem", war die Antwort aus dem Mund eines greisen Abenteurers, der entweder noch nie mit genau diesem Kajak gefahren ist oder noch nie eine Frau hat packen gesehen.
Wütend lasse ich meine Wasservorräte von zehn Litern, -kein Problem, das wird aus Wasserfällen aufgefangen und abgekocht, meint irgendein anscheinend Verantwortlicher vor Ort- und meine Kochutensilien -mit denen ich mir Salat hätte zubereiten können (und Wasser abkochen können)- im Auto, genauso wie Austauschobjeltive und Buch, was mir die Langeweile am Abend hätte vertreiben sollen. Außerdem beschränke mich auf eine Flasche Wein, und eine Packung Zigaretten, das ist eh gesünder. Vor meinem geistigen Auge sehe mich an Scorbut und Hospitalismus leiden. Gekrönt mit depressiviven Verstimmungn weil ich meine Not nicht in Alkohol ertränkend kann. So ging das damals allen Seeleuten, so wird es mir ergehen. Meine Laune ist auf dem Nullpunkt. Hinein ins Elend.
„Oh my god“ – ich verzweifel und schwitze trotz der noch eisigen Temparaturen in der Frühe. Die Realität holt mich ein, denn obwohl ich mein Gepäck so selbstlos reduziert habe, fülle ich immer noch drei Säcke und ein Fass mit lebensnotwendigen Dingen.
Der Platz reicht immer noch nicht und ich brauche dringend einen Schuldigen als Ventil. Ich focussiere ganz klar den Veranstalter, weil der nicht da ist und somit kann ich ungehemmt fluchen.
Das Fass sollen meine zugewiesenen Beleiter, ein stocknüchternes britisches Päärchen -ich habs doch gesagt!!! argh!!!!- einfach mit an Bord nehmen, sagt der Fahrer des Shuttels. Na, wenn der das so anweist, dann muss das bestimmt so laufen. Die schüchternen Frischverliebten werden sich freuen.
Im Shuttelbus sitzen dann komischereise noch sechs Leute mehr. Zwei davon sind mit halbwüchsigen Gören und einer mit ner schweizerischen-touri-part-time-loverin mewaffnet. Sie wollen den Wangawi-River unsicher machen. Einer scheint eigentlich Tourguide zu sein, denn er hat mir immerhin ein paar Wassesäcke zum bepacken gegeben, da ich sein breites nuschelndes Englisch mit den verschluckenden Wortenden aber nicht richtig verstehe, bin ich mir nicht so sicher. Sie bilden genau den Gegenpol zu dem schweigsamen sportlichen Paar. Es wird gelacht, geulkt, die Kinder sind aufgedreht und die Gruppe verbreitet eine fröhliche Stimmung.
Zwischendrin sitze ich, mit einem Boot, was ich nicht beherrsche und was mein Gepäck nicht transportieren kann.
Aber ich komm gar nicht zum Nachdenken, da der Fahrer freundlicherweise mit Einweisungen begonnen hat und mich mich auf Englisch mit Sicherheitstipps bombardiert. Ich versuche mich auf sein Speedvokabular einzulassen:
„...bei Bäumen einen großen Bogen machen, die laufen unter Wasser noch ewig weiter.... bei Rapids immer im V des Stromes fahren, es sei denn, es ist zu schnelle Strömung, dann etwas daneben, innerhalb oder außerhalb???, du wirst schon sehn..,„
ich nicke denn das V werd ich wohl sehen, den Rest versteh ich eh nicht
„aber es treibt dich nah an die Felsen“
scheiße, das will ich nicht
„also hier notfalls gegenlenken und solltest du doch den Fels touchieren... gegenlehnen, das machen alle falsch und dann kippen sie um...“
fuckdasklingtnichtgut
“bei Speedbooten“
scheiße, die gibt’s auch noch????
„...quer stellen, und immer nach rechts rüber, sonst haun dich die Wellen um...“
MAMA
„...und solltest du umkippen treiben lassen, ach!... und nie nie nie das Ruder loslassen, weil ohne Ruder keine Chance...haha...“
lacht der w*** da grad??? mir geht grad der Arsch auf Grundeis, was es hoffentlich nicht auch noch im Fluss gibt
„...aber sollte es mal ganz schlimm werden, bloß nicht über Land versuchen Rettung zu bekommen, hier ist überall Urwald da findest du nie raus...“
ahahmmgrr
„...aber wenn du nach drei Tagen nicht da bist schicken wir ein Speedboat stromaufwärts...“
bis dahin bin ich verhungert
„...und ach ja... bei gekräuseltem Wasser umfahren, da ist flach, besonders jetzt, aber nicht über das einzeln gekräuselte kommen, da sind Unterwasserfelsen...“
MIRREICHTS
„...bei Stromschnellen mindestens die Fließgeschwindigkeit des Flusses halten, also speed...“ SCHNAUZE, aber es hilft nicht
„...und bei Whirlpools“
what the hell is ???
„gegenlenken, die saugen dich ein oder ziehen dich quer über den Fluss, aber lenken kanns du ja oder...“
F****?????
Statistisch gesehen können kleine Kinder bis in die Grundschule EINE Botschaft auf einmal verstehen und behalten, im fortgeschrittenen Alter dann einige mehr – was nicht bei allen Schülern zutrifft. Dieses Kerl scheint zu denken dass sich dies mit zunehmenden Alter potenziert – ABER DAS IST NICHT SO darling!!!
Mir qualmt der Kopf. Während die Fuhre vorne rappelt und klappert und hinten gegröhlt und gelacht wird versuche ich das Wichtigste zu verstehen. F*** Englisch mit so vielen Nebengeräuschen auszumachen fällt mir schwer. Mir schwirrt der Kopf. Was soll ich bei Whirlpools machen? Umfahren? Und warum rechts rüber, hier ist doch Linksverkehr? Und... aber die nächste Botschaft kommt angeflogen.
KLATSCH „....und wenn ich nicht weiß wolang, dann einfach diese Karte lesen“, er schleudert mir lässig eine Tüte mit laminierten Hyroglyphen in den Schoß. Ich versuche Sicherheit aus den verblichenen Zeichen zu ziehen, das hilft immer. Bilder bringen mir Klarheit.
Hier nicht!
Mich irritiert das Durcheinander von Buchstaben, Bildern und Pfeilen so sehr, dass sich mein Magen meldet. Himmel und Hölle, seit wann bin ich den ein Kartenanalphabet. Meine Augen durchbohren die Papiere, als ob mir dadurch irgendwann der Mut in die Herzgegend hüpfen würde. Wie Schüler, die bei Tests unlösbare Fragen stundenlang anstarren und auf göttliche Eingebung oder die kurze Aktivierung des Langzeitgedächtnisses warten. In solchen Momenten komm dann höchstns ich, um einzusammeln. So fühlen die sich also.
Da! Ich bin anders! Göttliche Eingebung? Die Karte ist falsch. - Notfalls sind immer die anderes Schuld. - Ein völlig fremder Flussabschnitt wurde mir in die Hand gedrückt, die fahrbare Route müsste auf den fehlenden drei Seiten sein. Ich schau mich vorsichtig um. Könnte ja idiotisch sein die Annahme.
Ja, das Päärchen hat diese Seiten.
Ich sprech den Fahrer an.
Ja, er hat sich wohl vertan: „No problem, just follow them“, er zeigt auf das Päärchen.
So langsam reichts mir hier. Ich muss dringend Verbündete haben, sonst sauf ich vor der ersten Stromschnelle ab.
„Hello“, dreh ich mich zu dem Päärchen um, denn bisher hat sich noch niemand verantwortlich gefühlt uns einander vorzustellen. „I think you´re the two, I acompany for three days. My name is Kirsten.“
„Oh, hello. (Hinz und Kunz?) You can do. But we don´t go out for three days, we´re doing the tour in two days.“
SMASH
„????? Pardon?“
„Sorry, we´re doing the tour in just two days, we don´t have enough time, so we have to do hurry up directly, when we reach the river.“
„Fuckthefuckingfuck“ - ich liebe Bens lyrische Kreation für ausweglose Situationen.
Ich bin verloren.
Jetzt …
Welche scheiß fucking Orga steckt denn dahinter.
Wer nimmt mein Gepäck`?
Wer rettet mich vorm Ertrinken?
Bei wem schnorr ich Wein?
„You got it?“, haue ich den Fahrer an.
Er bleibt lässig, als hätte jemand nur das vorletzte Bier gesoffen: „Shit, Paul is getting old. He´s making bullshit every day.“ Ein mildes Kopfschütteln ihn kratzt das nicht. Das scheint an der Tagesordnung zu sein. „He has to quit the job. So you can go with the group.“
The group? Das sind wohl die lustien Gesellen auf der Rückbank.
Ich horche in mich. Der vermeindliche Tourguide spricht so schnell und lässig, dass ich immer dreimal nachfragen muss. Außerdem wirkt er so distanziert, als wäre es ihm zu lästig einen einsamen Ladyhasen zu betreuen, während er ein lässiges Wochenende mit Kumpels verbringen will. Seine Tochter ist bildhübsch und wirkt aufgeweckt, redet und gackert allerdings pausenlos, wie eine Vorpubertierende. Der zahnlose Freund scheint gar nicht reden zu könnn, dafür lacht er permanet grollend, wie Quasimodo in den herzzerreißendsten Filmszenen. Sein Sohn passt nicht zu ihm und steht dem Mädel um nichts an Schönheit und blitzenden Augen nach – ein Lichtblick. Und was will der dritte Freund, lang, hager, fussig, wie ein im Mittelalter geflüchteter Quäker aus Irland, mit dieser bildhübschen blutjungen Schweizerin, die sich nur in ihren rosa Strickpulli kuschelt und raucht?
Und wie sehr freuen die sich auf ihrem entspannten Trip eine einsame übermütige Middelagerin zu bemuttern?
Ich verzieh mich nach innen. Grummel in mich rein und mach mir gaaaanz bewusst, dass es keine Zufälle im Leben gibt. Das muss zu was gut sein. Ich weiß nur noch nicht wozu.
Beim Abladen am Ufer sind die Engländer bereits auf dem Wasser, als ich meine Gepäckrollen in Emfang nehme. Gute Reise und danke für das Nachfragen, ob ich doch lieber euch begleiten will. Als sie um die erste Kurve verschwinden merke ich, dass die Gepäckrollen zu groß für die Öffnungen ins Kajak passen.
„Idn´tknwnthingbou Kajaks“, resümiert der Tourguide, als ich ihn um Tricks anhaue und dreht sich um. Ich verstehe nix, aber „Leck mich am Arsch“, hätte wohl genauso gepasst.
Ich pack also wieder um.
 
mein kleins neben den vollbeladenen...
Meine Körpersprache der Verzeiflung muss eindeutig gewesen sein, denn während die Jungs packen steht die Schweizerin neben mir und pafft mir lächelnd ne frisch Gerollte ins Gesicht:
„Kommst halt mit uns. Is doch cool.“
Ich schau auf.
Sie lächelt unschuldig, wie man das nur in dem Alter beherrscht.
„Bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Und euch auch nicht.“
„Hey, wir nehmen den großen Sack noch und die Tonne ist schon bei Clyde und der Rest...“
Ich reiß innerlich die Augen auf: ohne Absprache hat der unnahbare Freizeitguide meine Tonne bereits bei sich verstaut, also bin ich wohl wilkommen, nur wird nicht drüber geredet.
Und auf einmal klappts.


Ich packe nochmal neu, stopfe die Schuhe und die Klamotten zwischenrein, unterschreibe die Liste mit den besprochenen Sicherheitsbestimmungen - scheißdrauf, das klappt schon irgendwie und bin auf einmal heilfroh, nicht mit dem verbissenen stocksteifen Briten unterwegs sein zu müssen, sondern mit einer Truppe einfacher, herzlichen Kumpels, neutraliesiert durch einem deutschsprachiges sympatisches Mädel und zwei erfrischenden Kids, die so wirken, als würde das erste Bier noch vor der britischen Teatime geöffnet werden. Clyde, Steven und Alwin, die Freunde Hunter und Sam, die Kids und Franzisca. Meine Freunde für die nächsten drei Tage.
Während die Gruppe noch packt, übe ich im seichten Wasser Wendemanöver und ich versuche den potentiellen Umkippunkt zu finden. Pah, das geht ja einfacher als mit einem grobschlächtign Kanu. Ich fühl mich sofort sicher, blicke zum Ufer und wunder mich, dass immer noch gepackt wird. Mein Gott ich hab noch nie so viel Gepäck an Bord eines Kanus gesehen. Entweder die schmuggeln Heizdecken oder haben sämtliche Biervorräte Opanakas an Bord.
Mir wird langweilig und ich will los, kann aber mein neu gewonnenes Zuhause jetzt nicht verlassen, das kommt doch echt blöd. Erst nonverbal Hilfe einfordern und Gepäck verteilen und dann...
Urwaldschreie reißen mich aus den Gedanken. Ich schnelle herum. Die drei Boote schwimmen, auf ihnen steht die Besatzung andächtig, die Ruder sekrecht gen Himmel gestemmt und Clyde singt eine Maorische Hymne, die von energischen Schlachtrufen untermalt wird. Ich bin beeinduckt und gerührt und ich glaube fest daran, dass ab jetzt alles richtig läuft.
 
Und es läuft.
Zwei Stunden padddeln wir mühelos, belanglose Gespräche, lockere Witze, einmalige Landschaft und schnell fühle ich mit den Menschen, dem Kajak und dem Wasser vereint.
Auf einmal brüllt Clyde „Lunchtime“, dreht spontan eine enge Kurve hinter ein paar Stromschnellen - Tourguide ist er, das steht fest. Ich kann kaum reagieren und gegen die Strömung arbeiten aber in Sekundenschnelle sind wir in seichtem Gewässer, legen an der Landzunge im seichten Wasser an und die Jungs packen aus.
Mehrere Fässer. Ich versteh das nicht, denn mir reicht mein kleiner Sack mit Brot und Käse, das Gemüse find ich eh nicht und das Wasser hab ich immer bei mir.
Kurz darauf versteh ich. Der Picknicktisch wird wie bei Muttern mit einer Decke gedeckt.
„You like a beer?“
Ich wusste es! „Yea, if its cold.“
Eine eiskalte tropfende Dose wird mir gereicht. Zisch, Glück, was für ein Traum. Und die ganze Tonne ist voll mit Bierdosen in Eiswürfeln. Das kann ja heiter werden.
Aber dann wird’s ernst und ich mach mich fast lächerlich mit meinem selbstgebackenen Brot von Claudis Oli.
Käse, Wurst, Salat, Tomaten, Gurke, Obst, Ketchup, die haben einen ganzen Supermarkt mit dabei, Mayo, Butter, Marmelde, Avocdocreme, Brot, Kuchen, Oliven, Chips, Kekse.
„Help yourself“, werde ich aufgefordert und das lass ich mir nach einem frühstückslosen Morgen nicht zweimal sagen.
„You like coffee or tea?“
Wie bitte? Ich reiß die Augen auf. „What the hell are you carrying with you?“
„Everything – with milk and sugar?“ Das Schlaraffenland kann nicht besser gewesen sein.
„And tonight we make BBQ. And tomorrow, we serve lambmeat“
„U´re kidding me“
„No, Simon slaughtered it last week and he is a great cook.“
Ich weiß nicht was mich mehr umhaut, das zweite Bier oder die Tatsache, wo ich hier gelandet bin.
Aber es ist Ernst.
Aber am ersten Abend wird der Grill ausgepackt und alles an Fleischwaren gegrillt, was es gibt, mit Salat und Brot und kaltem Bier und Wein und Lagerfeuer. Und als ich gegen drei Uhr ins Zelt schwanke, bin ich einfach nur glücklich. Clyde hat sich in der Nacht noch am Feuer verbrannt, weil es dort gepennt hat, aber als ich morgends aus dem Zelt geschmissen werde, hat er schon den Rest gegrillt, dazu Spiegelei und Kaffee bereitet und wahlweise gibt’s auch Müsli mit Früchten. Kik in heaven.
Am zweiten Abend bereitet Simon in der Küche des maorisch geführten Campingplatzes tatsächlich einen famosen Lammbraten mit Kartoffeln und Salat, während wir uns im Maoriversammlungshaus auf Matratzen ausbreiten und anschließend mit der Besitzerin unter Vollmond Bier in den Schlund schütteten und Weisheiten in den Kopf. Bis nichts mehr da ist.

Jajaja, wir sind auch so an die vierzig Kilometer am Tag gepaddelt, oft musste ich mein Boot auskippen und die anderen haben geschöpft. Einige gingen freiwillig oder auch nicht über Bord und eine heftige Kenteraktion hatten wir auch. Jeden Morgen wurde die Maorihmne für ein gutes Paddeln gesungen. Phasenweise hat uns der Wind zugesetzt und ich hab geflucht was mein Englisch hergibt. Manchmal hat Clyde alte Maorigeschichten zu Orten erzählt und regelmäßig dröhte Alvins Lachen über den Fluss. Wir haben andächtig die Stille genossen und lauthals Wasserbomben verteilt. Wir haben Picknick und Wettrennen veranstaltet. Oft haben die Kinder leise Maorisongs vor sich hin gesungen.
Und am Schluss, also nachdem wir auch noch das ganze Material wieder verstaut und geputzt und sortiert hatten, nachdem wir noch einen oder mehrere Goodbyedrinks bei Clyde genommen hatten und ich die Nacht neben der Tochter auf dem Sofa verbracht hatte, fiel mir Abschied richtig richtig schwer.
Und sollte mich jemals jemand fragen, was ich in Neuseeland am meißten genossen habe....
surprise surprise – thanx dipankar

Well-well wellingtoN

Endlich eine Stadt. Auf einmal kommt das Gefühl auf, dass ich genug Landschaft und Ruhe genossen habe, dass ich Menschen, Musik und Bier auf einem Haufen um mich haben möchte. Da kommt mir Wellington doch grad recht. So schön es ar noch einmal bei meiner Freundin vorbei zuschauen, und vorher die Hügel Pictons mit einem Mountainbike durch zu wälzen, jetzt bin ich endlich in Weligton und mein erstes Zeil ist eine Bar, ein Bier und das in der Sonne.
Das passt.

Der Typauf dem Sonnenplatz wird zwar gefragt ob der Platz noch frei ist, aber eigentlich sitze ich schon und signalisiere unmisverständlich, dass ich hier auch erstmal bleibe, denn hier gibts genau Beides.

Ein tiefer Schluck... herrrrlisch.

Eine Zigartette... herrrlisch.

Die Rhythmisierung des Reisens klappt in Neuseeland hervorragend.

Whaddafackngreadayahday.”

Ich schau kurz hoch.

Whaddafackngreadayahday.”

Spricht der mit mir oder mit einem Gegenstand seines ausgebreiteten Elektonic-Equipments?

Sorry - You are talking to me?”
 
Er verlangsamt seine Aussprache, schaut von seiner Mobilefunksammlung in meine Augen... "What a fucking great day it is today”, ich bin tatsächlich gemeint.

Oh yeah - beautiful.”

Das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Manchmal ist mir das Englisch sprechen zu viel und heute möcht ich möchte nur meine Ruhe haben. Der soll bitte weiter tippen und mich nur eine Stunde lang abwechselnd Alkohol und Nikotin in meinen Körper pumpen lassen. Darauf hab ich mich schon seit Tagen gefreut.

Aber er erzählt.

Und ich dann irgendwann auch. Irgendwie gefällt mir seine schnöselige undefinierbare Art. Seine optisch pikante Mischung zwischen korrektem Stoppelschnitt und billigen Tattoos an ich schwer einordnen und über weltbewegende Themen zu sprechen, ohne mich nach Namen, Herkunft und Reiseroute zu interviewen passt mir heute sehr. Auf einmal klappt mein Englisch, das Plaudern macht Spaß und ich freu mich hier gelandet zu sein.

Wir sind uns einig, dass wir beide eigentlich nur allein und in Ruhe ein Feirabend Bier trinken wollten, weil das ein herrlicher Abend ist. Und wenn wir schon zufällig gemeinsam hier landen, das Feierabendbier zu zweit trinken und über so bedeutungsschwere Themen, wie die weltweite Nahrungsmittelökonomie fachsimpeln, dann muss man auch ein zweites Bier trinken.

Und ein drittes..,-

Ein Anzeichen von einem längeren Abend kündigt sich an, als ich nach dem dritten Glas beschließe ins Guesthouse zu verschwinden um mir wärmere Sachen an zu ziehen und er mir anbietet in der nächsten Bar um die Ecke auf mich zu warten. Er würde derweil seine Freundin anfunken, ob sie noch vorbei schaut. Na da bin ich doch dabei. Das klingt nach einem gepfleten Absturz. Im Klartext: Das klingt gut.

Mit einer langen Hose an den Beinen und dem vierten Bier in der Hand habe, sagt seine Freundin zu und wir müssen nur wieder die Bar wechslen, um dort das fünfte Bier bestellen.

Beim sechsten versinken wir in Geschäftsideen, zu denen er mich in seine neue Importidee aus Amerka einweiht. Ich muss nur in meinen folgenden Reiseländern die Augen für potentielle Käufer in Landwirtschaft oder Beim Militär offenhalten. Das klingt vielversprechend und ich sehe meine Nerven in Zukunft nicht von pubertierenden an Balzverhalten oder illegaen Drogen interssierte Schüler verlieren, sondern an minderbemittelte Farmer in Entwicklungsländern oder kampfwütiges Militär in Kriesengebieten, die ich vom nuen 2x2 Bike aus Amerika überzeugen soll.

Aber beim siebten Bier beschließe ich, dass das auch nichts anders ist, als meine Schüler. Die Musik ist laut und die Band einigermaßen gut. Zudem sind die Bier hier groß und ich bin nichts mehr gewohnt, so dass ich beim achten Bier meine Emailadresse auf Papier und meine Aquiese in den zukünftigen Ländern per Handschlag zusage.

Beim neunten Bier sind wir Geschäftspartner in Spe und stoßen auf unsere großarige Zukunft mit minimalem Einsatz und höchstem Gewinn an. Wie ich den asiatischen Markt von diesen two-wheel Lastfahrzeug überzeugen soll weiß ich noch nicht, ist aber in dem Zustand auch egal.

Beim zehnten Getränk fällt meinem neuen Freund das Sprechen allerdings sichtlich schwer, seine Freundin drängelt zum Aufbruch und ich hab auch ein wenig Sorge, dass die 2x2 Hammerfahrzeuge am nächsten Morgen durch meinen Kopf brettern werden, anstelle der Kultur des Te Pau Museums.

Und trotzdem...well-well-wellington – der Einstieg war schonmal gelungen.




Sonntag, 10. Februar 2013

Legal-illegal-scheißegaL

Einer der Great Walks muss es sein. Milford, Routburn oder Kepler. Für den Kepler spricht alle Male, dass es ein Rundwanderweg ist und ich weder Shuttelbus, noch Schiff, noch Helikopter brauche um zurück an mein Auto zu kommen.
Warum also nicht.
Aber das liebe Geld - seit Neuseeland ständiger Begleiter in meinem Oberstübchen... Die Sache gefällt mir gar nicht: Eintritt für den National-Park kann ich ja noch akzeptieren, denn ich bin ich die erste, die sich lauthals beschwert, wenn ich mich mangels Beschilderung auch nur einen Kilometer zu viel bewege oder eine Brücke nicht TÜVgemäß gesichert ist. Rund 60 Dollar pro Hüttenübernachtung finde ich dann allerdings extrem übertrieben, wenn ich Verpflegung und den Schlafsack – und ich Frostbeule hab derer zwei dabei – selbst hinaufschleppen muss. Und was ich vor Vorausbuchungen halte muss ich nicht erwähnen. Immerhin bin ich jetzt eine Woche vorher hier als geplant und bin froh, dass ich nichts reserviert habe.
Lange Rede kurzer Sinn: ich pack mir das Abenteuer mit etwas krimineller Energie ins Handgepäck. Meine Idee ist es, mich illegal in den Park zu schleichen, den Weg gegen die Richtung zu gehen und nicht in Hütten, sondern den dazwischen eingerichteten Emergency Shelters zu übernachten.


Der Plan scheint genial zu sein, denn ohne Permission in den Park zu gehen bedeutet, dass ich aus jeder Hütte rausgeschmissen oder direkt verhaftet werde. Die Shelters degegen sind immer genau nach drei Stunden Weg zwischen zwei Hütten eingerichtet. So schaff ich die siebzig Kilometer in drei Tagen, hab das kürzeste Stück beim heftigsten Aufstieg und ich muss mir abends nicht das selbstherrliche Wandergeseier der gesinnungsglichen Trekkinggesellen anhören. Stille, Einsamkeit, Natur – der Gedanke gefällt mir außerordentlich.
Mein Plan ist genial.
Wenn mein Kopf mitarbeitet.
Der Eingang zum Park ist kurz hinter einem Nadelöhr, einer Schleuse und schon begegnet mir das erste Schild: „Control gate“ rechts.
Ich geh links.
Das geht ganz einfach und ich jubel schon innerlich. „Ich in drin!“
Aber schon nach fünf Minuten kommen mir zwei abgehetzte Mädels entgegen: „Sorry, how far is it to the contol gate?“
„Fife minutes“, - aber warum fragen die nach dem „control gate“. Muss man hier etwa auch auschecken? Ich bin doch offiziell gar nicht drin. Was ist wenn ich rausgehe? Muss ich am Ende doch blechen?
Hier und jetzt Baby, ermahne ich mich und genieße den Märchenwald, die Sonne leuchtet durch das Blätterdach, Moose und Flechten überwuchern das Gehölz zentimeterdick, Farne, Schlingpflanzen und uralte Bäume geben immer wieder einen Blick auf den Nebenarm des Fjordes frei. Es ist herrlich.
Da hör ich hinter mir Schritte. Oh, das ist aber selten, dass jemand gegen die Richtung geht. Ich dreh mich lächelnd um und schau direkt wieder weg.
Schluck. - Blaue Hose, blaues Hemd, blaue Kappe mit Emblem und kein Rucksack. Das ist bestimmt ein Ranger, der mich jetzt nach meiner Einreiseerlaubnis fragt.
Quatsch – das ist bestimmt nur ein Israeli beim frische-Luft-schnappen, mach ich mir Mut und beschließe noch in dem Moment, den Kerl unauffällig vorbei zu lassen, dann kann er sich um andere illegale Einwanderer kümmern. Ich stoppe also, dreh mich wieder um... der Mensch ist verschwunden.
Koooomisch.... Entweder, der Israeli hat genug Luft geschnappt, oder der Ranger hat mal eben einen verletzten Baum entdeckt und registriert den schnell.
Ich weiß nur eins. Wenn mein Kopfkino jetzt drei Tage so weitermacht, hätte ich die Zeit besser mit Weintrinken am Lake Anau verbracht – das ist entspannender.
Ich versuche erneut Zeit zu schinden indem ich mich in Selbstportrait in „fairy-wood“ versuche während ich mir zeitgleich eine Ausrede (basiered auf Naivität) für die ersten Kilometer zurechtbastel, als der Blaumann wieder auftaucht.
„Hey Sir, excuse me, can you take a picture of me? You never have pictures of yourself, when your travelling alone“, lächel-knieper-flirt.
„Of course. But... You´re alone? Aren´t you afraid alone?“ Welcher Akzent ist denn das. Imigrierter Ranger oder doch Israeli.
„No no - what is your accent? Where are you from?“
„Israel – I just take a small walk. Your´e doing the whole loop?“
Kiki, bleib locker oder lass es. Du siehst doch, dass alles gut ist.
Und dann kann ich wirklich erstmal aufatmen und genieße den mehrstündigen Walk bis zur ersten Hütte. Herrlich gelegen auf einer Lichtung am Strand läd sie zum verweilen ein, aber ich koche nur etwas Wasser ab um meinen Vorrat aufzufüllen, plauder mit ein paar netten Wanderern und erkläre dem Ranger – das sind hier die Hüttenwirte – der alle neuen Gäste zum Schwimmen einläd, dass ich leider noch weiter zur nächsten Hütte muss.
„Iris-Hut? - It´s six hours!!“
„Oh I know. No problem, cause its almost three, and it´s getting dark at ten.“
Ohohoh Alarm. Ich muss die Zeiten im Rückspiegel behalten, sonst mach ich mich verdächtig. Das sind ja richtig schwierige Denkaufgaben im Urlaub.
Ich mach dass ich wegkomme, bevor es noch zu Fragen kommt auf die ich nicht vorbereitet bin, schleiche mich aber dennoch am Ende des Strandes zum Ufer und lasse es mir nicht nehmen schnell mal ins Wasser zu hüpfen. Aahhh, die kühle Erfrischung tut gut und befreit die Seele von Stress im Kopfkino. Ein Blick zum Wandervolk einige hundert Meter weiter zurück lässt mich glücklich lächeln. Ich will gar nicht bei denen sitzen und glaub ich will auch diesen Treck jetzt so illegal beschreiten. Der kleine Adrenalinkick beginnt bei mir hier auf dem Treck und nicht beim Bungeespringen.
Und er hört bei Sandflies auf. Nämlich in dem Moment, wo ich nach weiteren drei Stunden Wanderung bei meinem Schlafplatz Rocky Shelter ankomme, den Rucksack glücklich auf ein paar Felsen am rauschenden Fluss werfe, mich daneben fläze und gemütlich in der Abendsonne mein Dinner einwerfen will. Ruhe, Natur, Idylle, Essen.... und Sandflies. In Sekunden werden sie zu meinem größten Feind und übertreffen fast noch die Ranger.


Ich wurde gewarnt, hab aber bisher keine nervende Menge wahrgenommen. Ich hab bisher aber auch noch nicht lange still gesessen. Aber jetzt... jetzt kann ich ach nicht still siten, denn sobaldich in den Entspannungsmodus falle, fallen diese kleinen unscheinbaren Mistviecher über mich her, wie Fliegen auf den Scheißhaufen. Sie setzten sich an der Haut fest und beißen, dass es tagelang unerträglich juckt. Hier hilft kein hochgiftiges Bug-Repellent und kein hektisches Wedeln. Hier hilft nur Bewegung. Also bewege ich mich weiterhin. Beim Essen esse ich in Bewegung, beim Entspannen mache leichte Gymnastik, beim Relaxen laufe auf und ab... Ach du dicke Scheiße. Bis Sonnenuntergang sind noch mindestens vier Stunden. Ich kann doch nicht wie ein Irrer hier permanent auf und ab gehen. Da könnt ich auch noch zur nächsten Hütte gehen - wenn ich legal unterwegs wäre. Oh, ich könnte so gemütlich auf einer Matratze im fliegengeschützen Dormroom liegen... mit netten Menschen plaudern... über illegale Wanderer lachen, die jetzt der Fliegenplage ausgesetzt wären... wär das herrlich. Statt dessen verfluche ich meine Idee, beschließe, dass ich Aufregung genug hatte, dass ich genug gesehen habe und eigentlich jetzt umdrehn könnte.
gut, dass ich nicht gedreht habe
„Sollte morgen früh nur auch nur eine Wolke am Himmel sein, dreh ich um“, beschließe ich und baue mein Bett auf dem Picknicktisch. Isomatte, zwei Schlafsäcke gegen die Kälte, die Rettungsdecke für den worst case unter die Matte geklemmt, und mein Strandtuch um den Kopf gewickelt, damit kein Zentimeter Haut freiliegt.
Atmen fällt schwer.
Ich bin bescheuert.
Durch das dünne Tuch seh ich die Fliegenschwärme um die Nase kreisen. Es umständlich eine Position zu finden, bei der das Tuch weit genug vom Gesicht weggehalten wird, um beim Einatmen nicht die Nasenlöcher zu verstopfen und gleichzeitig die Hände nicht an das Tuch kommen, weil die sonst attakiert werden. Meine Fingr sind immerhin am nächsten Morgen zerstochen. So hab ich mir das nun nicht vorgestellt. Lächerlich vermummt bei Tageslicht wegen millimetergroßen Insekten.
Schritte.
Mein Herz rast.
Bin ich nicht schon genug gestraft mit diesem Killerangriff hier? Muss ich mich jetzt noch in meiener hilflosen Lächerlichkeit vor einem Förster blamieren?
Bitte nicht noch das.
Ich hör sie kommen. Panik starrt durch das feingewebte Tuch in die Idylle. Zwei Personen. Rucksäcke. Und ein erstes Entkrampfen in der Magengegend, denn Rucksäcke bedeutet in erster Linie Wanderer und daher keine potentielle Gefahr. Ich frage mich zwar, was die um die Uhrzeit hier machen, denn in einer Stunde wird es dunkel und drei Stunden Weg sind es in jede Richtung zu einer Hütte, aber solang die mir nicht an den Karren pissen, ist alles egal. Mein Zeitplan ist richtig nur diese Menschen passen sich nicht meinem Plan an und bringen mich daher zum Schwitzen.
Sie schauen zu mir rüber. Vielleicht wollen die auch hier pennen? Vielleicht haben die Bier dabei, was die Situation erträglicher machen würde... Grad will ich mein Tuch lüften und die zwei fröhlich begrüßen, da drehen sie sich um und gehen weiter.
Versteh ich nicht, aber auch gut.
Nachts schlafen Sandflies. Eine Wohltat, denn mir fällt mindestens dreimal mein selbstbgebasteltes Kopfkissen vom Tisch und sechsmal das Tuch. Zudem beschließe ich mitten in der Nacht doch mein Geld im Schlafsack zu verstauen und die Kamera folgt eine Stunde später. Man weiß ja nie, wer hier so rumschleicht. Um zwölf Minuten nach fünf attackiert mich der erste Frühaufsteherschwarm Fliegen und mit ihm der Gedanke, dass menschliche Frühaufsteher hier spätestens so gegen acht vorbeikommen. Das bedeutet für mich aufstehen, nutzlos bewegen und eine Ausrede basteln, warum ich hier und jetzt im Schlafsack bin. Meine Phantasie arbeitet auf Hochtouren, aber ich finde keine gute und schlüssige Story. Ich steh also auf, mache in Zeitlupe Morgengymnastik, frühstücke im Umhergehen und versuche irgendwie Zeit zu schinden, denn eins ist mir ganz klar: Wenn ich jetzt losgehe, bin ich zu keiner plausiblen Zeit an der Iris Hut.
Ich hasse mich für meine blödsinnige Idee umsost hier durch zu wandern. Gleichzeitig schwöre ich, dass ich die Donationbox fülle, wenn ich hier lebend rauskomme und verspreche, dass ich in Zukunft immer zahlen werde. Dieser Zeit-Kalkulations-Druck und Geschichten-Erfindungs-Zwang ist echt zu stressig. Drei Stunden sind es laut Tafel zur Iris Hut- also zwei bei schnellem Tempo, also darf ich vor elf dort nicht eintreffen. Ich schlender blöd rum und mache überflüssige Fotos. Ich futter Bananen beim Gehen, schleuder die Schale wütend in den Wald. Natürlich! Sie bleibt in den Ästen hängen. Hiermit gipfelt mein Zeitschinden in einer Bananenschalen-Rettungsaktion zu befreien. Entwirren und verbuddeln kann dauern.
„What are YOU doing here????“
Adrenalin!!!
Aufgerissene Augen, ein Bündel Stroh im Arm und ein „very poisoned“ Blick begegnet mir auf Iris Teritorium. Zehn vor elf. Ich hätte mehr Bananenschalen wegschleudern sollen.
„Oh -I just arrived. What do you think about the weather?“
„Where are you comming FROM?“
Die lässt sich nicht ablenken. So sieht die auch aus, Hausdrache in drahtig durchsetzungsfähg.
„I come from the Hut.“ Lüge! „Mmmm. Moooo... The one with M in the beginning.“ Vielleicht hilft Hilflosigkeit.
„When did you leave????“ Nein, sie reagiert nicht, sie ist hart. Männer wären drauf angesprungen.
„Uiii, very early. About six.“ Keine Lüge.
„Ahhh, you come from Morana Hut.“
„Yea. Thats it.“
„Ahhh, you come the other way round.“
„Yea. I go to Luxmore today, cause I only have three days for the treck.“
„It´s a long way.“
„No problem. How´s about the weather. There should be sun.“ Nicht, dass ich mein eigentliches Anliegen vergesse.
„This is Newzealand. Maybe it´ll be fine.“
Et is wie et is würde der Kölsche lässig sagen. – Diesem Drachen würde ich allerdings lieber...ich bleib aber freudich und habe mittlerweile Wasser getankt - das Wichtigste hier. - Bei dem Versuch mein Frühstück auszupacken kommt zu der nervenden Rangerin allerdings ieder meine Fliegenplage hinzu.
„Lot´s of flies around.“
Sie bleibt nüchtern: „It´s less. But you could leave the place, if you don´t like it.“
Arschkuh. Wir werden nie Freunde werden. Aber ich bin kurz dankbar für die Fliegen und pack das Angebot beim Schopf:
„I think it´s better“, und ich stecke liebend gerne meine Bananen wieder ein, bevor diese Gesetzesreiterin noch weiter nachhaken kann. Ein freundliches Winken, ein friedliches Lächeln und ich bin dann mal weg.
Ein Stück weiter am Wasserfall lässt sich auch gut frühstücken, bevor ich mich den heftigen Anstieg zur nächsten Schutzhütte hocharbeite. Drei Stunden brauche ich, muss mehrfach Pause machen, kämpfe mich über Schluchten, Felsen und Geröllabhänge bis ich endlich endlich über der Baumgrenze lande und mit herrlicher Aussicht belohnt werde. Allein dafür hat sich die Plackerei mit Sandflies, Devil of law, und eigens produziertem Wahnsinn gelohnt. Jetzt nur noch etwas über den Kamm laufen, dann gemütlich an der Schutzhütte relaxen und allmählich für die Flucht aus dem Nationalpark Rescherche betreiben. Dafür brauche ich sympathische, deutschsprachige Menschen, die mir entgegen wandern.
Und da kommen schon Potential. Ein junges Paar setzt sich zu mir an den Tisch und unterhält sich auf Englisch. Aber Deutsche haben einen so unverkennbar schrecklichen Akzent, dass sie jederzeit sofort identifiziert werden können. Peinlich aber hilfreich. Er ist so einer. Bei ihr bin ich mir unsicher, aber Hauptsache ich kann mit einer Person in die Muttersprache wechseln, so dass nicht jeder in der Umgebung das Gespräch mitbekommt. Jetzt muss ich mich nur noch gekonnt ins Gespräch mischen, was eigentlich nicht schwerfallen sollte, aber ich sitzt mit dem Rücken zu denen und signalisiere dadurch Desinteresse...
„Oh no, there is snow in Germany. I talked to my husband yesterday“, ich dreh mich um.
„Really. Is it much?“
„Enough, that little children have fun with it“, geht doch.
mein zweiter schlafplatz hat wände !!!
Da war wieder ein kleiner Engel an meiner Seite. Was ist einfacher, als sich über das Wetter ins Gespräch zu bringen. Und mein Plan geht auf. Er ist Schweizer, sie Belgierin und nach zwanzig Minuten Weltenbummler-Smalltalk (ha! Weltenbummler sind eine eigene Comunity), Treckkingerfahrung und Preisniveau in Neuseeland (ganz wichtig, das schafft emotional Verbündete) und non-verbalen-Sympathie-Austausch (noch wichtiger als Basis für Ehrlichkeit und Vertrauen) kann ich ihn auf deutsch anhauen.
„Sag mal, ihr seid ja andersrum rein in den Park... Wie ist das denn am `control gate`? Da bin ich ja gar nicht durchgekommen, bin also ohne Registrierung hier. Komm ich da einfach so wieder raus? Oder...“
Große Augen starren mich an.
„Du bist ohne Erlaubnis hier?“ Er hat´s direkt geschnallt. „Wie machst du das denn mit den Hütten?“
Jetzt kommt Ehrlichket und Vertrauen ins Spiel: „Ich schlafe nicht in Hütten.“
„Ja... Wo denn... Geht doch gar nicht anders... Wie...“
Hmmm, ein bisschen stolz bin ich in dem Moment schon auf meine Aktion. Liebe Engelchen, bleibt bei mir, damit das so bleibt.

das erlebt man nur alleine
Auf jeden Fall bekomme ich die beruhigende Info, dass das `Gate` zwar den Namen `Kontrolle` hat, das dort aber niemand ist, der diesen Namen in die Tat umsetzt. Der Mount Luxmore fällt mir in dem Moment vom Herzen, denn sah mich schon Bundeswehramateur spielen und entweder auf allen Vieren um den Kontrollposten herumschleichen oder bis Nachts warten, um heimlich über die grüne Grenze zu huschen. Die Engelchen spielen Ringelreihen, mir geht’s richtig gut und ich genieße die Sonne und Ausblick nun in vollen Zügen noch bis fünf Uhr mit einem wandernden Weltenbummler aus Leipzig. Danach sind alle Erdenbewohner aus diesem Gebiet verschwunden und ich gehe gemütlich die zwei Stunden bis zu meinem geplanten Unterschlupf.
mount luxmore
Die Berge sind leergefegt, weil alle ihre Hütten erreichen wollen, die Sonne spendet ihr schönstes Licht, Adler kreisen, Moose leuchten grün und gelb, der Wind (hier oben als stürmisch bekannt) weht sanft. Nur ich bin hier oben, genieße das Anderssein und das Alleinsein und weiß, dass dieses Gefühl nur dadurch möglich ist, dass mir das legal sein für einen Moment scheißegal war.


PS: Ich hab wirklich in die Donationbox gespendet und dann das gesparte Geld direkt am nächsten Tag in eine Quadtour reinvestiert. Ich will das Land nicht um seine Devisen betrügen. Und Mann... hat das gut getan mal wieder einen Motor unterm Arsch zu haben. 

und erholung am tag danach ;-)

Sonntag, 3. Februar 2013

Seafood-und-dosenbieR



trauriges Kino

wahr
Mein nächster Stopp liegt nur fünfzig Kilometer südlich von Christchurch, aber nachdem ich in gemäß Lehrbuch in den Tourismus eingetaucht bin und sogar in Chch eine Bustour durch die RedZone, das gesperrte Stadtzentrum, was vom Erdbeben 02/2011 am meisten getroffen war, gemacht hatte, brauch ich etwas Erholung. So viel Zerstörung noch zwei Jahre nach dem großen Beben, hat mich schockiert.
 
Gap-Filler: Pallett-Pavillion mit lifemusic
 
Kreative Kontainer-Shopping-Mall

Der historische Stadtkern, das Kneipen-viertel, das empfohlene Restaurant, in dem ich Muscheln essen wollte, die einzigartige Kirche – alles kaputt. Zwar entstehen wunderbare Kulturprojekte, GAP-Filler, aber die Stadt wirkt trotzdem irgendwie tot.

Etwas laendlicheres pures Neuzealand  verspreche ich mir von meinem nächsten Couchsurfingpartner.

Seine Wegbeschreibung ist ganz einfach: viertes Grundstück links mit dem grünen Bus. Viele Grundstücke scheint es in dem Ort also nicht zu geben und das gefällt mir. Dass ich im Zelt schlafen kann und muss, ist mir sehr lieb, denn dann hab ich meine Ruhe. Grüner Bus klingt auch sympathisch und noch sympathischer finde ich, dass es außer dem grünen Bus nichts dort gibt. Er ist WohnSchlafKochzimmer und alles wohnt dadrin mit seinem Sohn. Alles andere spielt sich im Garten ab, der eine bezaubernde Mischung zwischen gemütlichen, verlodderten Sitzecken, abgestelltem Kann-man-bestimmt-mal-brauchen-Krempel und freakingen Erinnerungen ist.
Ich bin noch nicht ganz ausgestiegen, da kommt sein neunjähriger Sohn auf mich zu, zeigt mir zwei daumennagelgroße Krebse uns erklärt mir, dass er die heut beim Muschelsuchen gefunden hat.
„Wow - what are you doing with them?“ Mal sehn, ob in diesem Neunjährigen ein angeborener Forscherinstikt oder eher ein Hang zur sozialen Epathie steckt.
„I want them to fight.“
UUUps, keins von beidem und mir wird mulmig.

 
Nein - Ich fühl mich sofort sauwohl.. Hier findet ein anderes Newzealand statt, als der glattgeleckte Aucklandzirkus und die weichgekochte Trekking-Organsation. Die ich wohlbemerkt zu schätzen weiß und genieße!
Mein Gastgeber hat mehr Tattoos auf dem Körper als Zähne im Mund, kommt mir mit Dosenbier entgegen, schmeißt verheißungsvoll seinen einen Dreadzopf auf den Rücken und fragt mich tatsächlich als erstes, ob ich duschen will. Wo, möcht ich aber erst noch in Ruhe herausfinden und stattdesse nehm ich ein Bier.

Kueche, mein Schlafzimmer, Fussballfeld und Freilichtmuseum

„Food is nearly ready“, verkündet er mir und verschwindet im Bus.
Ich bin gespannt, denn noch hab ich das System hier nicht durchschaut. Hinten auf dem Grundstück steht unter einem dicken Baum ein aufgebautes Zelt neben einem selbstgebauten verrosteten Trike mit abertausend Spinnenweben dran, weiter hinten fristet ein Kinder Crossmoped ein trauriges Dasein und auf die Schnelle zähle ich vier Fahrräder verstreut in Ecken stehen. Unter demselben Baum steht aber auch ein Gasofen mit Töpfen und drei unterschiedlichen Stühlen drumrum. Alte gestapelte Farbeimer dienen als Ablage oder als Tisch oder als gar nichts – aha, hier ist also die Küche.
Erstmal folge ich aber in den Bus, denn irgendwas spannendes findet hier statt. Museum für angewandte Lebensphilosophie. Mich erschlägt die angenehme Atmosphäre, in der in liebevoller Kleinarbeit jede Lücke mit einem nutzbringenden lebensnotwendigen Utensil gefüllt ist, welches dann durch persönlichen Spirit in eine aussagekräftige individuelle Philosophe umgewandelt wird. Ein alter Eisenofen, der mit Holz gefeuert wird strahlt Geschichte und Gemütlichkeit aus, der Tisch ist eine skurrile Holzplatte, deren Rinde fließende Surrealistische Formen darstellt, der Schrank scheint Omas Lieblingsstück gewesen zu sein, passt sich aber in die halbrunde Form des Busdaches an, was wiederum aufgesägt und aufgestockt ist, damit man stehen kann, nicht allerdings ohne eine 360° Fenster-Ballustrade zu integrieren. Und jeder, wirklich jeder freie Zentimeter bietet Botschaften aus Darryls Leben, sei es nun ein Hirschgeweih oder ein Messer vor der Windschutzscheibe, ein Schaffell auf dem Sitz, ein Sticker von Bioheazard auf dem Kühlschrank, eine Postkarte aus Bayern am Schrank, ein Bild, was sein Sohn gemalt hat neben einer Kopie von zwei klugscheißernden Hunden. Leere Marmeladengläser dienen als Vorratsbehälter, in einer Ecke steht ein Bücherregal, ein alter Kupfer-Boiler und eine Plastik-Wasserpistole. Ich in erschlagen und begeistert.
Währenddessen setzt Jim die kämpfenden Bonsaikrebse auf die Ablage – einem fehlt schon die Schere und Darryl rührt eine undefinierbare Teigmischung an.
„Just basic Food“ erklärt er seine zähe Marinade und gibt einen Schuss Ketchup dazu. Ha! Junggesellenhaushalt versorgt Sohnemann. Dass hier Ketchup als Hauptnahrunsmttel eingesetzt wird ist sogar in down under so und ich vermute es gibt Nudeln mit Ketchupsauce.
„We found musceles today, so we prepare them now.“
Muscheln? In Pampe?
Ich gebe meine Story zum Besten, dass ich als Kind das Haus verlassen habe, wenn meine Eltern Muscheln gekocht haben, weil ich den Geruch unerträglich fand. Vorsicht, jetzt mach ich mir entweder Freude oder Feinde. Wir bleiben Freund, weil ich hinten anschließe, dass ich Muscheln jetzt natürlich liebe. Ich verschweige allerdings, dass mir rätselhaft ist, wie aus dem zähflüssigen Ketchupbrei eine Muschelsauce...
Schweigen ist manchmal Gold wert.
Darryl geht mit dem Topf zur Kochecke unter dem Baum, nimmt gemütlich Platz, erhitzt Öl in einer Pfanne und wirft riesige bereits gekochte Muscheln in die Pampe. Ich stutze. Neeeein. Aber alles wird gut, denn vorsichtig gibt er die ummantelten Muscheln in das Fett, brät sie aus und serviert sie heiß und fettig. Sie sind richtig gut. Dazu gibt’s Dosenbier. Wie es sich gehört.
„If you collect musceles tomorro again, I´d like to accompany you“, hör ich mich sagen.
Jetzt mach ich hier einen auf Muschelsucher – eigentlich ist es mein Job Fotos von denen zu machen, wenn sie in bunte Gewänder gehüllt am Strand im Sonnenuntergang nach dem glibberigen Kleingetier suchen. Das ist dann eine unglaublich romantisch verklärte und authentisch Idylle für Vorzeigebilder. Hier befürchte ich ein Kraxeln in ausgelatschten Gummistiefeln und zerrissenem Karohemd über glitschige Steine.
Aber erst gehen wir nach dem Dinner noch Aale beobachten. Die Autobatterie wird hierfür kurzerhand ausgebaut, eine ultrastarke Halogenlampe angeschlossen und dann stampfen wir zum nahegelegenen Fluss und Jim leuchtet die Oberfläche des Gewässers ab. Warum das ganze wird mir nicht klar, denn es werden weder welche geangelt, noch bekommen wir viele zu Gesicht. Dafür sammelt sich aber alles, was Flügel hat vor dem Scheinwerfer und zieht wunderbare Leuchtspuren, so dass Jim sich in Selbstverteidigung gegen Insektenalarm übt.
Der nächste Morgen beginnt mit Stress für mich. Ich hab kaum geschlafen, weil es extrem kalt war und liege dementsprechend so lange im Zelt, bis die Sonne es erwärmt.
lebende Schafe werden geschoren...

...tote bleiben einfach liegen
 Halb Zehn. Mist. Ich hab doch Termine. Um elf soll ich die beiden von der Schaffarm abholen, weil sie mit mir wandern und baden gehen wollen. Die Wegbeschreibung liegt wie abgesprochen auf dem Outdoorsessel, ich zauber schnell einen heißen Kaffee und ein Müsli, fahre zur nächsten ´public toilet´, denn sowas gibt’s hier nicht auf dem Grundstück, packe Schwimmsachen und Picnic ein und fahre los.
Deutsche Pünktlichkeit fährt gegen die Wand. Darryl ist mit drei Kumpels noch am Scheren und Jim hängt gelangweilt auf einem Sack Wolle ab. In buntem Neonlicht wäre das eine Touriattraktion, die übers ganze Land verbreitet angeboten wird. Ich kriegs im Original mit dosenbiertrinkenden, stinkenden, tätowierten Kerlen. Danke. Während dem zweistündigen Warten machen Jim und ich einen Fotoeinführungskurs auf der Farm, erklettern den Berg und besichtigen die Käserei im Ort.
darryl sucht
Endlich ist es soweit. Ich freu mich, kann mir aber so einen Heilewelt-Sonntagausflug mit den zwei Helden nicht richtig vorstellen.
Und so kommt es auch.
Wir halten an einer abgelegenen Stelle im Nichts, die Männer ziehen sich Gummisiefel über und wir kraxeln einen Grashang runter, dessen Steigung nur mit selbstmordverdächtigen Prozenten eingeordnet werden kann. Wir landen in der ´Small Piggons Bay´, die von riesigen Felsbrocken eingesäumt ist und von einen meterbreiten Seaweed-Gürtel geschmückt wird.

Wo sollen wir hier wandern?
Wo sollen wir hier schwimmen?
Für Jim und seinen Vater scheint das jedoch normal zu sein, denn sie spazieren munter über die Felsen und verschwinden abwechselnd mit Nase oder Arm im Wasser. Meine Vorstellung räumt gerade auf mit den verwendeten Begriffen wandern und schwimmen. Ich ordne neu: man kann hier schwimmen, wenn man sich über die spitzen Felsen und durch die mannsgroßen Algenblätter gekämpft hat. Ich aber nicht. Und klar läuft man hier rum, wenn man das geißbockartige Hüpfen so nennen kann.
Für mich ist das neu und allmählich dämmert es mir: Sie gehen Muscheln suchen. Für mich. Hab ich das in meinem Englisch nicht gerafft oder war es eine Überraschung.
Auf jeden Fall muss ich hier und jetzt ganz schnell von „erwatetem Sportprogramm“ auf „neue Erfahrung sammeln“ umswitchen, aber das wollt ich ja so.

jim praesentiert paua
Also hüpf ich hinterher von Fels zu Fels, steck regelmäßig meine Nase und meine Arme ins Wasser, schiebe metergroße Algenblätter auf Seite und stelle unendlich viel Fragen, weil ich auf meiner Muschelexpedition schließlich auch Erfolg haben will. Aha: nur handgroße, der Rest ist Kinderkram, nur die, die unter Wasser sind, sonst schmecken sie nicht und bloß nicht reißen...
„Dad, I´ve got a Paua!!“
Jims Ruf hallt über die Bucht. Ein dutzend Mal mindestens, denn Dad ist schon weit vorne. Aber er dreht um, ein Messer in der Hand und schaut bewundernd: Ein Paua scheint etwas besonderes zu sein. Darryl stiefelt mit dem Messer bewaffnet bis zum Bauchnabel ins Wasser und kämpft. Ich erwarte mindestens eine kleine Nessie, aber er taucht mit einem kleinen Wesen, einer ungefähr faustgroßen halben Muschelschale auf, die von außen wie ein Stein aussieht. Aaahhh, die kenn ich. Eine davon hat Claudi mir geschenkt, weil sie innen wunderschön perlmuttfarben schimmern. Sie sagte, die sind schwer zu finden, weil sie wie ein Stein aussehen.
Jim jubelt und ist stolz wie Oskar. Diese hier ist knapp zwei Fäuste groß. Er legt die offene Seite der Paua auf seine Hand und das Tier saugt sich in Sekunden so fest, das man es kaum lösen kann. Pures Muskelfleisch. Leider erinnert es mich an außerirdische Schneckenwesen und Schnecken würde ich genauso wenig essen wie Austern, aber das hier ist anders. Da muss ich heut abend durch.
Wir suchen weiter. Dad flitzt vor. Jim und ich bilden die Nachhut und …
„Dad. I´ve got a Paua.“
Wie sieht der die nur? Hier ist nix für meine Augen. Aber Dad reagiert nicht. Er scheint auf eine Muschelversammlung oder auf ein Pauanest gestoßen zu sein. Jim ordert mich an hier zu warten und läuft Papa holen.
Mir wird langweilig.
„Sein oder nicht sein?“
Vorbild oder Weichei?
Mann oder Memme?
 Traveller oder Tourist?
Sein!!! Ich werde vom Zuschauer zum aktiven Muschelsucher.
Ich zieh die Schuhe aus, stell mein Kameraequipment auf Seite und schnapp mir mein Singapore-Airline-Plastikmesser. Auf in den Zweikampf.

meine stolze beute

Ich kann unter Wasser deutlich sehen, wie der Saugfuß arbeiten und den Stein abgrast. Dann strecke ich langsam meine Hand aus, meine Finger berühren zaghaft den Panzer und `Zack` in Bruchteilen von Sekunden schließt die Muschel an den Felsen an, saugt sich fest, sitzt bombenfest und sieht aus wie ein Mitesser des überwachsenen Felsens. Kein Wunder, das ich die nicht sehe. Und ein Wunder, wenn meine Plastikwaffe den Kerl hier gelöst bekommt.
Ich schiebe das Messer an einer Stelle unter den Saugfuß und hebel ihn vorsichtig los, um meine einzige Waffe nicht zu zerstören. Dann zieh ich schnell das Messer raus um eine andere Stelle zu lösen und `Zack` sitzt die erste Stelle wieder fest. Ach so geht das Spielchen... jetzt verstehe ich auch Darryls Kampf unter Wasser. Auf diese Weise bin ich chancenlos dem Tier gegenüber, denn der Saugfuß ist Handtellergroß. Also müssen beide Hände her, die eine zieht die losgelöste Seite weg, hält sie hoch und die andere hebelt mit wohldosierter Kraft neue Stellen los. Ich spüre minimalen Erfolg und wie beim Armdrücken verleiht dies zu noch ein bisschen mehr Kraft. Mitleid kommt auf. Hier kämpfen grad zwei ungleiche Partner miteinander. Wenn ich verlieren soll, dann muss jetzt das Messer brechen. Ich selbst bin grad zu sehr emotional an diesem Kampf beteiligt, als dass ich jetzt nicht auch den Sieg davontragen möchte. (Hach – das sind Momete in denen ich meine Schüler verstehen kann.)
Kraft, Druck, Anspannung.
Ich taumel nach hinten. Der Widerstand ist gebrochen. Messer oder Paua?
Paua.
Lächeln, Schulterklopfen, mentales Fotoshooting.
Ich bedank mich für den Sieg, für das Erlebnis, für den Stolz, den ich davontragen kann und entschuldige mich bei dem Paua. Dann schiebe ich den Gedanken beiseite, ob ich doch ehr der Supermarkt-Typ bin (ausgenommen und filetiert) und folge dem Männerduo.
ausgenommen
Das bessere ist des gutem Feind. Die zwei lösen eine friedliche Paua-Party auf und der Rucksack quillt über. Und wer zwanzig Pauas hat, schenk einer Einzelnen keine Bedeutung, also feier ich meinen Sieg alleine.

Ich weiß was es heut zum Dinner gibt.
filletiert

Und ich weiß, warum ich sowohl beim Auslösen als auch beim Zubereiten nur fotografierender Zaungast bin, aber geschmeckt, in Ketchup-Pampe ausgebraten und mit Dosenbier, haben sie hervorragend.




thanx darryl
Wie hervorragende Kalamati. Und weil ich jetzt weiß, dass das Kilo teurer gehandelt wird als Austern, schmecken sie auch am nächsten Abend, nach einer Radtour mit Jim, wieder herrlich. Mit Spaghetti und natürlich mit Dosenbier.