Sunrise-Cafe“ -
Strandbuden mit solch vielvesprechend nach Groschenromanen klingenden
Namen, sind wie Speisekarten mit Bildern oder bellende Hunde, die
nicht beißen. Sie müssen den Triumph als Aushängeschild nutzen,
weil sie sonst nichts zu bieten haben. Denke ich, als ich endlich
total verschwitzt vor diesem einsamen Cafe am kilometerweitem fast
menschenleerem Strand gestrandet bin, zu dem mich das Durchfragen
jenseits der Ortsgrenze geführt hat.
Wenn ich in der Lage
wäre, mein Gefährt auf zwei Metern unbefestigter Straße zu wenden
ohne mich möglicherweise zum Gespött der Passanten zu machen und
wenn ich nicht durchgeschwitzt gewesen wegen der Stiefelei mit
Mopedklamotten durch den Sand und wen ich nicht schnell eine
Unterkunft haben wollte, um den Ort an einemNachmittag abzuhaken, …
... dann wäre ich
wahrscheinlich nicht hier, sondern irgenwo im Ort zwischen Tempeln,
Backpackerabsteigen und Handycraftläden gelandet und hätte den Ort
an einem Tag abgehakt.
Aber jetzt bin ich hier.
„One night, maybe two“,
sag ich dem Besitzer, als er mir die Hütte zeigt, die noch die
Bewohner der Wintersaison und den Geruch von leerstehenden Kellern
aufweist. Ist mir egal. Ich schlaf vor der kleinen Terrasse im Sand.
Ich ignoriere das Gestrüpp und den Müll zwischen den welken Bättern
auf dem Boden und sehe nur das Meer und höre die Brandung durch die
Palmen, die vor der Tür stehen.
Ich hole kurz das
wichtigste Gepäck für einen Tag, nachdem ich noch kürzer überlegt
habe, ob ich das Bike angeberisch von die Bude durch den Sand quäle.
Aber es ist nicht möglich hier zu parken, ohne, das es von der Flut
unterspült wird oder im steilen Sandhang im Eingang steht.
Naja, ein Tag.
immerhin mal ein bild von mir, wenn auch nicht erkennbar |
Hier ist es ruhig. Ich
geh schwimemen. Die wenigen Menschen hier sind Dauerauswanderer beim
Zeittotschlagen oder einfach beim Leben. Das neuseeländische
Päärchen kommt seit Jahren für mehrere Wochen hierher, nachdem sie
die Welt gesehen haben, die zwei Briten sind seit der Hippieaera in
den 70gern hier. Ich trink Tee und unterhalte mich. Der Kölner
Rentner haut hier sein Harz4 durch und der junge Israeli hat
beschlossen sich hier niederzulassen. Ich geh schwimmen, bin die
einzige im Wasser und die Wellen sind phänomenal. Der Deutsche, der
in Indien an einer Schule arbeitet kommt auch immer wieder an diesen
Platz und der Brite hängt hier seit Monaten ab. Alle genießen die
Ruhe und gehen entsprechend mit ihr um. Es wird geredet und nicht
gegröhlt. Es wird nicht gesoffen (ok, hier gibt’s auch nix, aber
wer will, hat was im Gepäck), höchstens gekifft.
Wie anders ist hier die
Atmosphäre, als im Nachbarstaat Goa. Herrlich
Ok, zwei Tage.
Ich beginne den Morgen
mit dem Versuch zu schwimmen. Außer hochkonzentriertes Wellenhüpfen
mit lebensrettenden Armwirbeln ist allerdings nichts drin. Die
Brandung ist zu heftig und die Unterströmung zieht mich immer wieder
weg. Dann hau ich mir doch lieber ein fettes Frühstück rein und
erkunde die Umgebung.
Zwei weitere Strände hab
ich mir vorgenommen zu erobern, den Cuddel-Beach und den Om-Beach, die
durch kleine Klippen voneinander getrennt sind. Eine Stunde Fußweg,
sagen die Menschen hier. Mit dem Fotoapparat bewaffnet ziehe ich los
und brauche bis in die Nacht.
das war dann am nächsten morgen fotoshooting |
„I need your Camera,
tomorrow, my photograph is ill, and the waves should be very good.
Can you do this?“ Ich bin platt und es dauert keine zwei Sekunden
bis ich die vermeindliche Anmache als sympathisch witziges Wortspiel
verstehe, weitere zwei Sekunden, bis ich meinen Plan am nächsten Tag
abzureisen aufgebe und eine Sekunde um „Yea, no promlem“, zu
sagen. Etwas zu schnell, denn er bittet mich um 7.30 am Strand zu
sein. „Wieder kein joggen“, geht mit durch den Kopf. Hätte ich
mir doch noch eine Sekunde Zeit für die Nachfrage gegeben, aber das
kenn ich ja langsam von mir.
Ich beobachte Kinder beim
Spielen im Sand, einen Mann, der mit einer einzigen Schnur versucht
zu angeln, Frauen, die meterlanges Holz auf dem Kopf transportieren, einen Mann, der sich nach dem Scheißen die Kimme sauberspült und bin
begeistert, welch Ruhe die ganze Szenerie ausstrahlt und mit was für
einer sanften Hingabe jede dieser Handlungen vollführt wird.
Der Begriff „Achtsamkeit“ geht mir durch den Kopf und ich muss lachen, weil wir in unserem Kulturkreis Hunderte von Euro für Seminare ausgeben, um zu lernen was hier zwischen Spiel, Scheißerei und harter Arbeit zur Lebensphilosophie gehört.
Der Begriff „Achtsamkeit“ geht mir durch den Kopf und ich muss lachen, weil wir in unserem Kulturkreis Hunderte von Euro für Seminare ausgeben, um zu lernen was hier zwischen Spiel, Scheißerei und harter Arbeit zur Lebensphilosophie gehört.
Ich fotografiere
Fischerboote und wunder mich über die Farbenvielfalt, die einem mit
Photoshop bearbeitetem Hochglanzprospekt geklaut zu sein scheint. Die
Menschen lächeln und reden mit mir. Sie starren nicht stupide und
sie wollen auch nichts verkaufen. Einfach so.
Ich schlender durch das
Örtchen und werde gegrüßt, ignoriert, angelächelt. Herrlich. Kein
Shop an dem ich vorbeigehe und eine trostlos-resignierte Stimme mir
ein „Good morning madam, how are you, have a look into my shop,
very cheap“ entgegenleiert. Erst jetzt merk ich, wie sehr mich das
angekotzt hat. Ich kaufe ein paar neue FlipFlops ohne um den Preis zu
feilschen, weil ich nicht schon vor Betreten des Ladens das Gefühl
habe übers Ohr gehauen zu werden.
Entspannend.
Ein paar Stufen geht es zu einem der Tausend Tempel dieses Örtchens hoch und schon vorher verkündet mir ein lächelndes freundliches Gesicht, dass die Aussicht dort oben auf den Strand hervorragend sei. Oben begrüßt mich ein farbig bemalter aber einfacher Tempel auf dessen Umrandung dasselbe lächelnde freundliche Gesicht von eben zwischen Büchern sitzt und für die Abschlussprüfung der Uni lernt, wie er erzählt.
Ein paar Stufen geht es zu einem der Tausend Tempel dieses Örtchens hoch und schon vorher verkündet mir ein lächelndes freundliches Gesicht, dass die Aussicht dort oben auf den Strand hervorragend sei. Oben begrüßt mich ein farbig bemalter aber einfacher Tempel auf dessen Umrandung dasselbe lächelnde freundliche Gesicht von eben zwischen Büchern sitzt und für die Abschlussprüfung der Uni lernt, wie er erzählt.
Und er erzählt über
seine Heimatatadt Hampi, deren Großteil vor einem halben Jahr von
der Regierung dem Erdboden gleich gemacht wurde, um das
Weltkulturerbe zu erhalten. (Zur Erklärung, Hampi ist eine heilige
Ruinenstadt, an deren Rand sich illegalrweise eine neue Sieldlung mit
Häusern, Hotels und Geschäften gebildet hat.) Seit zehn Jahren war
dies von der Regierung wohl angekündigt. Aber wie vieles von der
Regierung angekündigt und nicht umgesetzt wird, weiß wohl jeder
Bürger in jedem Land zu berichten. Und auf einmal und unverhofft
machten die Nägel mit Köpfen und jetzt gibt es neben der
historischen Ruinenstadt noch einen modernen Trümerberg.
Und er erzählt von den
Elefanten, die dort morgens ein Bad im Fluss nehmen und von dem See,
in dem man tauchen kann und von dem Nachbarort, der eh viel netter
als Hampi sei und und und … und ich schreib Doro abends, dass wir
da auf jeden Fall gemeinsam hinfahren.
Beschwingt ziehe ich
weiter, genieße dass ich für drei Kilometer zwei Stunden brauchen
darf und genieße noch mehr, dass die Menschen hier anscheinend aus
den Herzen heraus freundlich sind, vielleicht, weil sie glücklich
sind.
Etwas weiter den Weg die Klippen entlang, passiere ich eine Badeguft in der halbnackte Männer rumspringen, und lande an einem erneuten Tempel, der auf einem Felsvorsprung trohnt und sich etwas mehr aufplustert. Hier springt einem die Spiritualität direkt ins Gesicht: Wasser kommt aus dem Fels, schlafende oder meditierende (sind das?) Bramahnen liegen davor und im Inneren lernt ein Schüler Verse ohne Stottern abzulesen. Ich stell meine schwere Tasche vor der Tür ab, weil man drinnen eh nie fotografieren darf und sie von Heiligkeit umgeben mit Sicherheit nicht geklaut wird.
Etwas weiter den Weg die Klippen entlang, passiere ich eine Badeguft in der halbnackte Männer rumspringen, und lande an einem erneuten Tempel, der auf einem Felsvorsprung trohnt und sich etwas mehr aufplustert. Hier springt einem die Spiritualität direkt ins Gesicht: Wasser kommt aus dem Fels, schlafende oder meditierende (sind das?) Bramahnen liegen davor und im Inneren lernt ein Schüler Verse ohne Stottern abzulesen. Ich stell meine schwere Tasche vor der Tür ab, weil man drinnen eh nie fotografieren darf und sie von Heiligkeit umgeben mit Sicherheit nicht geklaut wird.
„Don´t leave your bag
outside...“
HÄ? Der Kerl mit der
Truckerkappe und Boxershort hat doch vor einer Minute noch neben dem
Tempeleingang gepennt.
„...it disturbes my
meditation!“
????
Ich bin sprachlos.
Entschuldige mich
mehrfach, um meinem Kopf Zeit zum arbeiten zu geben:
Egal ob im Schlaf oder in
der Meditation. Man bekommt in solchen Momenten doch nicht mit, ob
jemand eine Tasche abstellt. Warum stört ihn das denn dann?
Und warum entspricht der
freundliche Kerl mit roter Baseballkappe, zwei-Wochen-Bart und
kräftiger Statur so gar nicht meinem Bild von Mönch in Meditation?
Aber schnell denke ich an den turbantragenden bärtigen Segelflieger,
der vorgestern am Strand von Arambol vor meiner Nase gelandet ist und
ich bin befriedigt in der Unstimmigkeit der Dinge. Lass dich
überraschen .
Und das tu ich.
Er erzählt vom Eins-Sein
mit dem Kosmos, der Befriedigung in der Meditation und dem Glück an
diesem stillen Ort. Er spricht Englisch und nutzt viele Fachbegriffe,
die mir fremd sind. Aber ich hänge an seinen Lippen und klebe an
seinem Gesicht und kann alles nachvollziehen, weil er beim Sprechen
den ganzen Körper intensiv mitbewegt, Arme und Hände zur
Untermalung seiner Worte benutzt und sein Gesicht dieses Glück von
dem er berichtet ausstrahlt. Unter normalen Umständen könnten diese
Bewegungen als schwul interpretiert werden. Aber er gestkuliert so
wild und empathisch als würde er beim Sprechen tanzen und allein das
macht Freude beim Zuhören, denn er spricht mit mir und tanzt für
mich und er spricht über sein glücklichs Dasein.
Er erinnert mich an
Javier. Oh my Best-Friend - U would enjoy.
Er erzählt mir weiter,
dass der Om-Beach ein heiliger Ort sei und sehr sehr spirituell sei,
daher auch der Name, und sich in Neumondnächten viele Menschen dort
versammeln um die Energie in sich aufzunehmen und miteinander
auszuleben. Oh Gott. Gut das Neumond gestern war, so komm ich um
diese Erfahrung herum. Ich habe später zwei weitere Menschen danach
gefragt. Der eine sagte: „Das ist ein LSD-Beach, das ist das
einzige spirituelle.“ Der nächste sagte: „Das sind alles
Spinner, der heißt Om, wegen der Form.“
Wir verabreden uns für 5
pm. Dann möchte er mir in 15 Minuten meditieren beibringen und wenn
das nicht klappt, kann ich wenigstens Delfine beobachten, die um die
Zeit in die Bucht kommen.
Ist das nett hier.
Dann mach ich mich auf
den Weg zum Om Beach.
Ich verlaufe mich in der
Mittagshitze auf der Klippe. Aber vom Strand erkenne ich dann, dass
durch Baumaßnahmen für neue Unterkünfte der Berg terassenförmig
abgetragen wird. Und um verirrte Touristen wie ich davor zu schützen,
dass sie in die so entstandenen Schluchten fallen, wird das Gelände
mit natürlichem Stacheldraht – das sind aneinandergeflochtene
Dornenbüsche, die einen höllische Schmerzen zufügen - dass ich
mich nicht wage mit meiner Billigvariante von FlipFlops darüber zu
steigen. Also zurück auf den Berg und mein Multituch, was bisher
Strandmatten-Kopftuch-Kleid-Vorhang-Schal-Zudecken-Vibrationsschutz-Funktion
hatte wird um die weitere Fähigkeit `Sonnenschirm` erweitert.
Der Strand ist hübsch
leer und mit einigen Buden versehen, ein potentieller Ort zum
Wohlfühlen. Noch sind hier mehr Kühe als Touris und erst als ich
eine Gruppe Neuankömlinge mit Trollies über den Sand stampfen sehe,
kommt eine Ahnung von der bevorstehenden Neckermann-Saison auf.
Auch auf der nächsten
Klippe muss ich nach dem Weg fragen und schlepp mich über die kleine
Hochebene, bis ich den sagenumwogenen Om-Bech erreiche.
Goldener Sand, träge
Kühe, dezenter Müll und wesentlich mehr Leute. Vor allem Menschen,
die in Rudeln auftreten.
Ein Schattenplatz unter
Bäumen im Sand lässt mich aufatmen.Ich schließe die Augen, atme
tief, versuche zu entspannen, gehe gedanklich die Shakren ab, aber so
sehr ich auch in mich reinhorche... keine Spiritualität. Vielleicht
mit offenen Augen beim Genießen der natürlichen Schönheit
„Aaaaargh!“ Eine Kuh, wahrscheinlich auf LSD kleben geblieben,
tranced genau auf mich zu. Ich brüll sie unheilig an.
Vielleicht
will sie auch nur ihren Weg im Schatten fortsetzten. Ich kick ihr
asimäßig Sand entgegen. Vollrausch. Mich rettet nur noch das
reaktionsschnelle Tuch-um-Körperwickeln und zur Seite rollen. Das
Kopfschütteln passiert automatisch. Und eine Minute später roll ich
mich fassungslos auf meinen alten Platz zurück, um mich auf ihre
Hufabdrücke im Sand zu betten.
drei kühe sie sonne anbetend |
ThanxGod. Du bist doch an
diesem Ort, hast dich mir nur anders gezeigt.
Als ich auf dem Rückweg
in einer Strandbar neues Wasser kaufe und die ersten Russen beim
Kampftrinken höre wird mir erst recht klar, dass dies nicht mein
Beach werden wird. Göttlichkeit hin oder her.
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