Freitag, 19. Oktober 2012

Ben erster Eindruck - der Ärmste

THIS IS A HIGHWAY-NOT A DIEWAY´(Gebotsschild am Straßenrand)

Mehr davon?
Save driver: proud of the nation“
haha, gut, näch? oder der:
Savety on road is save tea at home“
Gackergröhl..

Ohja, ich gebs zu. Ich dachte, ich hätte schon nen paar üble Kartoffelacker gesehen auf der Welt, die als Training für Indien ideal wären (vgl hier allein Kptl Albanien / the Gullideckeltheme).
In meiner Fantasie spannte sich ein Band aus endlosen geteerten Highways, unterbrochen durch vernachlässigbare Lücken, um die ganze Welt. Pustekuchen- in dieser Fantasie gibt es ab sofort auch den National Highway 3 von Agra nach Bhopal- wo die Lücke definitiv zum eigenen Krater wird. Die pure Größe unseres aktuellen Kraters und die damit verbundenen Distanzen der Überlandstrecken, machen Indien absolut zu meiner neuen persönlichen Herausforderung. Ich bin hoch erfreut und zufriedengestellt, dass es meiner lieben Kiki auf diesem Abschnitt ähnlich geht. Und sie lässt die ganze Welt vom Rücksitz des Motorrades verbal daran teilhaben. Dürfen deutsche Beamte überhaupt solche Worte benutzen? Ich bin mir sicher - sollte ein Verantwortlicher für diese Krater in der Nähe gewesen sein, dann wird sich dieser Zustand bald ändern.
Das es hier sowas wie Motorradkrankenhäuser und Chaibuden an jeder Ecke gibt, versöhnt mich mit den Kratern. Hab ich schon gesagt, das ich diese indischen Motorradwerkstätten liebe? Echt! Und unser Seitenständer oder Gepäckträger oder sostwas sorgt ständig für kleine Anlässe solcher freudigen Pausen. Trotzdem, den eingefleischten Motorradenthusiasten unter euch muss ich nichts über das nervige `Zu-Zweit-Fahren-auf-überladenem-Bike´ erzählen. Allen anderen sei gesagt, dass nur dieser Umstand allein, schon so manche Freundschaft ratzfatz ruiniert hat.
Bei Kiki grübel ich hingegen noch, ob sie auf einem Motorrad geboren wurde. Sie greift auch bei absoluter Übelpiste nach Schokolade, knipst mit der Canon, dreht munter Filme mit der Helmkamera oder liest nen bisschen im Straßenatlas. Soll ja bilden so ne Reise. Ich hingegen bilde mir seit Stunden nur ein, dass der Highway gleich hinter der nächste Kurve wesentlich besser wird. Wird er aber nicht. Die Löcher haben Durchmesser zwischen 20 Zentimeter und einem Meter, nur um dann einen Rand als Abgrenzung zum nächsten Loch zu haben. Sonst wäre das Loch dem Inder vermutlich als Senke zu glatt und zu einfach zu befahren. Auf besseren Abschnitten ist der Asphalt aufgeraspelt und in Schichten abgetragen von den Anbremsmanövern der fetten LKW`s.
Ja, die LKWs, auch so ne Sache hier. Superlang und überbreit stellen diese Wundermonster aus Stahl hier nahezu den gesamten Autoverkehr da. Es gibt prinzipiell nur drei Marken und die sind quasi überall vertreten.
`Eicher´ heißen die `kleinen´ Großen, und ich hab selten einen gesehen, der mehr als läppische 15 Meter lang war. Die `Mittelklasse´ unter den stählernen Schwergewichten wird durch die Marke `Tata´ belegt. Die Dinger sind schon echt fett und zumeist getrennte Zugmonster a là Sattelschlepper. Die richtig langen Biester aber sind meist aus dem Hause `Ashok- Leyland´. Bauträgerstahl über zig Meter aneinandergeschweisst mit darunterliegenden Heerscharen von Reifen, die sogar noch größere Durchmesser als die Krater haben, sich hydraulisch oder durch fehlerbedingtes IRD (indian-random-technology) während der Fahrt senken und heben lassen und teilweise in Fetzen an den Stahlkolossen hängen. Sie alle eint das National Permit. Fernfahrer echten Schlages. Theo gegen den Rest der Welt. Faszinierende Technik vom Schlage eines Traktors, bunt bemalt und mit so echten Theos im Fahrerhaus. Egal ob mal kurz nen Reifen am Wegesrand gewechselt wird oder der halbe Motor auseinandergenommen werden muss. Ihre Fahrer sind bezüglich ihrer Fuhrwerke in schwarze Lumpen gehüllte Alleskönner.
Wird man an so einen Brummer ran gedrängt, befindet sich der Lenker eines Motorrades noch weit unter dem Höhenniveau der Frachtauflage. Geht’s dann hart auf hart, flutscht man sozusagen unter ihnen durch. Dann kommts dem überlebensgeneigten Biker lediglich drauf an, ob man vor oder hinter einem Rad landet und ob der Fahrer seinen Fehler bemerkt und rechtzeitig bremst, nicht rückwärtsfährt oder einfach mal das Richtige macht.
Wir entschieden uns glücklicherweise für einen Platz hinter dem letzten Rad, um uns auch mal vom Hocker nocken zu lassen. Das Motorrad verkeilte sich mit dem Lenker unter der hinteren Stoßstange. Der Fahrer bemerkte uns, als er uns umrangiert hatte- wenn auch spät- aber immerhin. Kiki krocht noch ziemlich fix unter der Fuhre raus, ich hingegen hatte noch ein Bein unter der BMW. Ich sag mal: was für ein Scheissdreck!
Nach dem Gehuzzle zog ich mir meinen verlorenen Schuh wieder an und verzog mich auf den Rücksitz, wo ich geschlagene zwei Stunden sitzenblieb und mit allen schmutzigen Wörtern die ich von Kiki kennengelernt hatte, über die Theos dieser Welt sinnierte. Dieser Tag war nicht unser Freund. Egal, ich hab Urlaub und Kiki ist tough genug um die Fuhre weiter zu kutschieren.
Kratergenervt sitzen wir einen Tag später, samt Motorrad, im Zug von Bhopal nach Mumbai. Aus der größten städtischen Müllkippe die ich bisher gesehen habe, und die es meinem Selbstverständnis nach nirgendwo sonst noch auf dieser Welt so groß geben kann, geht die Fahrt im komfortablen Liegeabteil an hübscher grüner Landschaft vorbei in die Megametropole der Westküste. Geht doch! Happy Müllkippe. Schönes Indien.

Bhopal: 
Nunja, über diese Drecksloch gibt’s eigentlich nicht viel zu sagen- ich tu`s trotzdem. Deutsche Gründlichkeit. Also, es ist extrem dreckig, so mit Leuten die nachts aus dem Weg vom Hauptbahnhof rauskommen und dir gleich vor die Füße pullern, weil sie ewig in nem überfüllten Zug saßen. Müll ist nicht in den Ecken oder am Knick zu finden (wie in jedem vernünftigen französischen Dorf der 80`er), nein, der Müll ist überall. Auf der Hoteltreppe, auf dem Klo, Im Resto, auf dem Pavement, und zum Schluss auch im Kopf.
Bhopal zieht mich runter, punkt. Indien mag ja nichts für feine Gemüter- hinsichtlich hygienischer Standarts- sein, und Kiki und ich sind auch keine Trivago-Hoteltester sondern Campingfans, aber das, meine lieben Inder, daß geht zuweit. Euch lasse ich nicht in die EU! Aber wer will das schon..- ääh, heute ICH. Bhopal, meine Perle, in den eben erwähnten 80èrn haben dir die Manager von Union Carbide ne satte Giftgaskatastrophe beschert weil sie 40 $ am Tag Kühlstrom sparen wollten. Schöne globale Welt Union Carbide, du gehörst heute Dow Chemical, du kaputtes Arsch. Und die sind rund um Hamburg für ihre Sauereien bekannt. Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während unseres Zwangsaufenthalts in diesem `Loch in der Welt´ (vgl. Fink). Zwang, weil hier die Möglichkeit der Verbahnung der Mofa samt kratergeschädigten Fahrern besteht. Da wir der `City of Lakes´ (Bhopals romantisierter Name, da es an zwei echt großen Seen liegt) natürlich eine faire Chance geben wollen und ich vor meiner Perle den Eindruck der kulturbeflissenheit erhalten möchte, gehen wir ins Bharat Bhavan, ein örtliches Museum, bei dem der Seeblick gepriesen wird. Ghandi hat dies als erste von vielen Hilltrible-Art-Station fürs ganze Land gedacht, was allerdings nach dem Tod der guten Nickelbrille und der Korruption und überhaupt zum Opfer gefallen ist. Aber das Bhopalmodell dieser Idee gibt’s bis heute. Und lasst euch sagen: Wir sind nicht nur begeistert von dieser Oase der Entspannung in diesem Dreckskaff; wir werden auch noch TV-Stars, rutschen glatt in eine Vernissage von oberlangweiligen Ölbildern rein und kriegen vor sattem Publikum und mindestens zehn Mikrofonen ein Statement der Künstlerin.
Man sind die geil auf westliche Anerkennung.
Aber in die EU kommt ihr mir nicht. Nicht mit mir.
Der Rest des Museums ist echt Hilltrible-Art. Teils absolut sweet, getöpferte Elefants mit Trauerdackelblick, Blätterwaldbilder von Riesengröße, coole Bilder von metropoler Tristesse in monocrome, teils superrealistisch, teils in heftigste Farben gezwängt das man vor dem Bild wegläuft. Ich kann bauchig was damit anfangen. Die Workshoparea is so oder so am besten, da wird renoviert und dem Nachwuchs die Chance gelassen und ich fühl mich an Robs Bootshallenatelier erinnert.

Das war mal gut und rettet mich davor, diese Stadt in Grund und Boden zu schreiben.
Sicher wollte grad jemand von euch da Urlaub machen aber ich sags euch trotzdem: vergesst es!

Mumbai: 
Bahnhof nachts, Mofa und komische Taxes, Flucht ohne bezahlen weil korruptes Geschacher, im Waggon umgefallene Kratersuchmaschine, Öl überall, Hotelsuche XXL, Hitze, Ratten, dreckige Kinder ohne Eltern, Dreck, 60 Dollar Hotel weil alles zu, aber die schöne Erinnerung an Bhopal tröstet mich. Na wenigstens das. Achja: morgens lese ich im Bett die Mumbai Times. Da gibt es wissenswertes zu lesen, nämlich das 10% der Bevölkerung über 60 Jahre alt sind (!) und man langsam an sowas wie Barrierefreiheit denken müsse. Ausserdem seien die Straßen in einem bedenklichen Zustand und jeden Tag würde statistisch ein Kind getötet. Soviel zum Tagesanfang. Indien, man kann dich lieben oder hassen, aber egal bist du altes Drecksloch einem nicht, soviel mal klar..

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen