„THIS IS A
HIGHWAY-NOT A DIEWAY´(Gebotsschild am Straßenrand)
Mehr davon?
„Save driver: proud
of the nation“
haha, gut, näch? oder
der:
„Savety on road is
save tea at home“
Gackergröhl..
Ohja, ich gebs zu. Ich
dachte, ich hätte schon nen paar üble Kartoffelacker gesehen auf
der Welt, die als Training für Indien ideal wären (vgl hier allein
Kptl Albanien / the Gullideckeltheme).
In meiner Fantasie
spannte sich ein Band aus endlosen geteerten Highways, unterbrochen
durch vernachlässigbare Lücken, um die ganze Welt. Pustekuchen- in
dieser Fantasie gibt es ab sofort auch den National Highway 3 von
Agra nach Bhopal- wo die Lücke definitiv zum eigenen Krater wird.
Die pure Größe unseres aktuellen Kraters und die damit verbundenen
Distanzen der Überlandstrecken, machen Indien absolut zu meiner
neuen persönlichen Herausforderung. Ich bin hoch erfreut und
zufriedengestellt, dass es meiner lieben Kiki auf diesem Abschnitt
ähnlich geht. Und sie lässt die ganze Welt vom Rücksitz des
Motorrades verbal daran teilhaben. Dürfen deutsche Beamte überhaupt
solche Worte benutzen? Ich bin mir sicher - sollte ein
Verantwortlicher für diese Krater in der Nähe gewesen sein, dann
wird sich dieser Zustand bald ändern.
Das es hier sowas wie
Motorradkrankenhäuser und Chaibuden an jeder Ecke gibt, versöhnt
mich mit den Kratern. Hab ich schon gesagt, das ich diese indischen
Motorradwerkstätten liebe? Echt! Und unser Seitenständer oder
Gepäckträger oder sostwas sorgt ständig für kleine Anlässe
solcher freudigen Pausen. Trotzdem, den eingefleischten
Motorradenthusiasten unter euch muss ich nichts über das nervige
`Zu-Zweit-Fahren-auf-überladenem-Bike´ erzählen. Allen anderen sei
gesagt, dass nur dieser Umstand allein, schon so manche Freundschaft
ratzfatz ruiniert hat.
Bei Kiki grübel ich
hingegen noch, ob sie auf einem Motorrad geboren wurde. Sie greift
auch bei absoluter Übelpiste nach Schokolade, knipst mit der Canon,
dreht munter Filme mit der Helmkamera oder liest nen bisschen im
Straßenatlas. Soll ja bilden so ne Reise. Ich hingegen bilde mir
seit Stunden nur ein, dass der Highway gleich hinter der nächste
Kurve wesentlich besser wird. Wird er aber nicht. Die Löcher haben
Durchmesser zwischen 20 Zentimeter und einem Meter, nur um dann einen
Rand als Abgrenzung zum nächsten Loch zu haben. Sonst wäre das Loch
dem Inder vermutlich als Senke zu glatt und zu einfach zu befahren.
Auf besseren Abschnitten ist der Asphalt aufgeraspelt und in
Schichten abgetragen von den Anbremsmanövern der fetten LKW`s.
Ja, die LKWs, auch so
ne Sache hier. Superlang und überbreit stellen diese Wundermonster
aus Stahl hier nahezu den gesamten Autoverkehr da. Es gibt
prinzipiell nur drei Marken und die sind quasi überall vertreten.
`Eicher´ heißen die
`kleinen´ Großen, und ich hab selten einen gesehen, der mehr als
läppische 15 Meter lang war. Die `Mittelklasse´ unter den
stählernen Schwergewichten wird durch die Marke `Tata´ belegt. Die
Dinger sind schon echt fett und zumeist getrennte Zugmonster a là
Sattelschlepper. Die richtig langen Biester aber sind meist aus dem
Hause `Ashok- Leyland´. Bauträgerstahl über zig Meter
aneinandergeschweisst mit darunterliegenden Heerscharen von Reifen,
die sogar noch größere Durchmesser als die Krater haben, sich
hydraulisch oder durch fehlerbedingtes IRD (indian-random-technology)
während der Fahrt senken und heben lassen und teilweise in Fetzen an
den Stahlkolossen hängen. Sie alle eint das National Permit.
Fernfahrer echten Schlages. Theo gegen den Rest der Welt.
Faszinierende Technik vom Schlage eines Traktors, bunt bemalt und mit
so echten Theos im Fahrerhaus. Egal ob mal kurz nen Reifen am
Wegesrand gewechselt wird oder der halbe Motor auseinandergenommen
werden muss. Ihre Fahrer sind bezüglich ihrer Fuhrwerke in schwarze
Lumpen gehüllte Alleskönner.
Wird man an so einen
Brummer ran gedrängt, befindet sich der Lenker eines Motorrades noch
weit unter dem Höhenniveau der Frachtauflage. Geht’s dann hart auf
hart, flutscht man sozusagen unter ihnen durch. Dann kommts dem
überlebensgeneigten Biker lediglich drauf an, ob man vor oder hinter
einem Rad landet und ob der Fahrer seinen Fehler bemerkt und
rechtzeitig bremst, nicht rückwärtsfährt oder einfach mal das
Richtige macht.
Wir entschieden uns
glücklicherweise für einen Platz hinter dem letzten Rad, um uns
auch mal vom Hocker nocken zu lassen. Das Motorrad verkeilte sich mit
dem Lenker unter der hinteren Stoßstange. Der Fahrer bemerkte uns,
als er uns umrangiert hatte- wenn auch spät- aber immerhin. Kiki
krocht noch ziemlich fix unter der Fuhre raus, ich hingegen hatte
noch ein Bein unter der BMW. Ich sag mal: was für ein Scheissdreck!
Nach dem Gehuzzle zog
ich mir meinen verlorenen Schuh wieder an und verzog mich auf den
Rücksitz, wo ich geschlagene zwei Stunden sitzenblieb und mit allen
schmutzigen Wörtern die ich von Kiki kennengelernt hatte, über die
Theos dieser Welt sinnierte. Dieser Tag war nicht unser Freund. Egal,
ich hab Urlaub und Kiki ist tough genug um die Fuhre weiter zu
kutschieren.
Kratergenervt sitzen
wir einen Tag später, samt Motorrad, im Zug von Bhopal nach Mumbai.
Aus der größten städtischen Müllkippe die ich bisher gesehen
habe, und die es meinem Selbstverständnis nach nirgendwo sonst noch
auf dieser Welt so groß geben kann, geht die Fahrt im komfortablen
Liegeabteil an hübscher grüner Landschaft vorbei in die
Megametropole der Westküste. Geht doch! Happy Müllkippe. Schönes
Indien.
Bhopal:
Nunja, über
diese Drecksloch gibt’s eigentlich nicht viel zu sagen- ich tu`s
trotzdem. Deutsche Gründlichkeit. Also, es ist extrem dreckig, so
mit Leuten die nachts aus dem Weg vom Hauptbahnhof rauskommen und dir
gleich vor die Füße pullern, weil sie ewig in nem überfüllten Zug
saßen. Müll ist nicht in den Ecken oder am Knick zu finden (wie in
jedem vernünftigen französischen Dorf der 80`er), nein, der Müll
ist überall. Auf der Hoteltreppe, auf dem Klo, Im Resto, auf dem
Pavement, und zum Schluss auch im Kopf.
Bhopal zieht mich
runter, punkt. Indien mag ja nichts für feine Gemüter- hinsichtlich
hygienischer Standarts- sein, und Kiki und ich sind auch keine
Trivago-Hoteltester sondern Campingfans, aber das, meine lieben
Inder, daß geht zuweit. Euch lasse ich nicht in die EU! Aber wer
will das schon..- ääh, heute ICH. Bhopal, meine Perle, in den eben
erwähnten 80èrn haben dir die Manager von Union Carbide ne satte
Giftgaskatastrophe beschert weil sie 40 $ am Tag Kühlstrom sparen
wollten. Schöne globale Welt Union Carbide, du gehörst heute Dow
Chemical, du kaputtes Arsch. Und die sind rund um Hamburg für ihre
Sauereien bekannt. Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während
unseres Zwangsaufenthalts in diesem `Loch in der Welt´ (vgl. Fink).
Zwang, weil hier die Möglichkeit der Verbahnung der Mofa samt
kratergeschädigten Fahrern besteht. Da wir der `City of Lakes´
(Bhopals romantisierter Name, da es an zwei echt großen Seen liegt)
natürlich eine faire Chance geben wollen und ich vor meiner Perle
den Eindruck der kulturbeflissenheit erhalten möchte, gehen wir ins
Bharat Bhavan, ein örtliches Museum, bei dem der Seeblick gepriesen
wird. Ghandi hat dies als erste von vielen Hilltrible-Art-Station
fürs ganze Land gedacht, was allerdings nach dem Tod der guten
Nickelbrille und der Korruption und überhaupt zum Opfer gefallen
ist. Aber das Bhopalmodell dieser Idee gibt’s bis heute. Und lasst
euch sagen: Wir sind nicht nur begeistert von dieser Oase der
Entspannung in diesem Dreckskaff; wir werden auch noch TV-Stars,
rutschen glatt in eine Vernissage von oberlangweiligen Ölbildern
rein und kriegen vor sattem Publikum und mindestens zehn Mikrofonen
ein Statement der Künstlerin.
Man sind die geil auf
westliche Anerkennung.
Aber in die EU kommt
ihr mir nicht. Nicht mit mir.
Der Rest des Museums
ist echt Hilltrible-Art. Teils absolut sweet, getöpferte Elefants
mit Trauerdackelblick, Blätterwaldbilder von Riesengröße, coole
Bilder von metropoler Tristesse in monocrome, teils superrealistisch,
teils in heftigste Farben gezwängt das man vor dem Bild wegläuft.
Ich kann bauchig was damit anfangen. Die Workshoparea is so oder so
am besten, da wird renoviert und dem Nachwuchs die Chance gelassen
und ich fühl mich an Robs Bootshallenatelier erinnert.
Das war mal gut und
rettet mich davor, diese Stadt in Grund und Boden zu schreiben.
Sicher wollte grad
jemand von euch da Urlaub machen aber ich sags euch trotzdem:
vergesst es!
Mumbai:
Bahnhof
nachts, Mofa und komische Taxes, Flucht ohne bezahlen weil korruptes
Geschacher, im Waggon umgefallene Kratersuchmaschine, Öl überall,
Hotelsuche XXL, Hitze, Ratten, dreckige Kinder ohne Eltern, Dreck, 60
Dollar Hotel weil alles zu, aber die schöne Erinnerung an Bhopal
tröstet mich. Na wenigstens das. Achja: morgens lese ich im Bett die
Mumbai Times. Da gibt es wissenswertes zu lesen, nämlich das 10% der
Bevölkerung über 60 Jahre alt sind (!) und man langsam an sowas wie
Barrierefreiheit denken müsse. Ausserdem seien die Straßen in einem
bedenklichen Zustand und jeden Tag würde statistisch ein Kind
getötet. Soviel zum Tagesanfang. Indien, man kann dich lieben oder
hassen, aber egal bist du altes Drecksloch einem nicht, soviel mal
klar..
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