Ich hab jetzt ein Problem mit entprechenden Bilder, weil durch unser gemeinsames Reisen
nur noch Bens Kamera zum Einsatz kam. Dieses Modell besitzt allerdigs ne Speicherkarte aus dem letzten Jahrtausend und ich kan de Bilder nicht laden, was ich zu spät gemerkt habe.
Sch... aber isses und wir arbeite dran
Die Inder oben im Norden
des Landes stammen ja größtenteils noch von den Tibetern ab, viele
Vertriebene haben sich im Norden Indiens mit ihrer Kultur
niedergelassen. Das erkennt man sowohl deutlich an den Gesichtszügen
als auch, wenn man sich ein wenig damit auskennt, an Kleidung (die
kleinkarierten langen Gewänder der Frauen und die schlichten
Kopftücher), Kochgewohnheiten (tierischen Fett statt Öl) oder
Traditionen (Gebetsmühlen) erkennen kann. Meine kleinen
Gebetsfähnchen am Motorradlenker signalisieren jedem, dass ich bei
den „Tibetern“, also im Norden war.
Weiter südlich erinnern
mich als Laien sowohl die Gesichtszüge, als auch die feinere,
verschnörkelte Art der Frauenkleidung, Gewand und Schleier in
farblich harmonischem Einklang wann immer es geht aufgepimpt mit
Glitter und Steinchen und der must-have-rote Punkt auf der Stirn, an
die Menschen in Pakistan. Wie viele Frauen in Pakistan -wohlgemerkt
in Grenznähe zu Indien, im Rest des Landes hab ich keine Frauen
gesehen- in kurzen Gesprächen gefragt, ob sie Inderinnen seien und
immer bekam ich die Antwort: „No, Pakistani“, bis ich es sein
gelassen habe, weil mein Klischee von schwarz verhüllten Frauen, die
aus den Sehschlitzen ihrer beängstigend dunklen Burkas die Welt
betrachten, zerbröckelt ist. Die Frauentribüne bei der
Wagha-Border-Zeremonie war prächtig farbenfroh anzuschaun und alle
riefen mit tiefster Leidenschaft die Pakistanischen Schlachtrufe in
den Abendhimmel, laut, fröhlich und selbstbewusst.
Aber noch etwas scheint
die Inder im Norden zu unterscheiden, was sie mir so sympathisch
macht. Sie sind zurückhaltender.
Je weiter südlich ich
mit Ben durchs Landesinnere mit dem Motorrad fahre, desto mehr
erinner ich mich an die starrenden Menschenpulke in Pakistan, die
mich hiflos und wütend und unbehaglich zugleich gemacht haben. Wo
immer wir auch anhalten, sei es an der Tankstelle, an einer Dharba
oder einem keinen Shop bildet sich in Sekunden ein Menschenauflauf
um uns, dass es unerträglich wird. Und wie die Pakistanis, sind die
Inder zu kaum einer Regung hinzureißen. Kein Lächeln, keine Fragen,
kein Gespräch. Nur glotzen. Ich merke, dass auch Bens Stimmung sich
diesbezüglich ändert. Humorvolle Bemerkungen auf den ersten
Kilometern wie: „So fühlen sich Filmstars“, wandeln sich
allmählich in non verbales Stirnrunzeln und nach drei Tagen in
offene Ablehnung, die dazu führt, dass wir uns bemühen nur noch
außerhalb von Ortschaften zu halten oder zu übernachten. Und
Filmstars haben in solchen Situationen einen Vorteil: es wird ihnen
eine Botschaft übermittelt, wenigstens irgendein Gefühl entgegen
gebracht, sei es kathegorische Ablehnung, oder frenetischer Jubel.
Einmal haben wir den
Fehler gemacht, zum Frühstück in einem kleinen Ort am Straßenrand
zu halten. Ohje – und das nach einer Nacht unter freiem Himmel, bei
dem Moskitos mit den Sternen im flutlichtverdächtigem Mondschein
Flamenco tanzten, und einer Luftfeuchtigkeit, die um 2 Uhr nachts
kleine Pfützen auf den Schlafsäcken hat entstehen lassen. Es hätte
romantisch sein können, wenn Moskitos und Feuchtigkeit diese Nacht
eine Auszeit genommen hätten. So aber haben wir uns irgendwann, ohne
darüber nachzudenken oder nachzuschauen, was außer Strohresten noch
in den Ecken zu finden wäre, in den kleinen Stall zurückgezogen, in
dem wir die BMW vor den Blicken möglicher Gaffer verbergen wollten.
Und nach so einer Nacht giert man geradezu nach heißem Kaffee, der
sowohl die Seele als auch die Knochen daran erinnert, wie sie zu
funktionieren haben.
Bis wir den Kaffee,
bestehend aus heißer Milch mit Zucker, nur der Chef weiß, woher die
bräunliche Färbung des Heißetränks kam - Kaffee wars kaum,
serviert bekamen, hatte sich die komplette männliche
Dorfgemeinschaft um uns versammelt. Die Alphatierchen nahmen in der
ersten Reihe Platz, saßen also bei uns mit am Tisch, der Rest
formierte sich dahinter oder belagerte das Bike und jedermann sprach
über Gott und die Welt und natürlich uns.
Aber bloß nicht mit uns.
Das Bildungsbürgertum
lebt hier nicht; Englisch ist zwar Amtssprache aber hier in die
Randzone der Zivilisation noch nicht vorgedrungen und daher erschwert
es die Kommunikation erheblich. Und das hat mich schon in Pakistan
waaaahnsinnig gemacht. Starren, gaffen, womöglich noch miteinander
lachen, aber nicht in Kontakt mit uns treten.
Aber die Inder haben
Kultur. Und so wurde vor der Zubereitung unseres Kaffees noch schnell
in demselben Topf auf dem Feuer der Chai für circa ein Dutzend
Gaffer aufgekocht, denn Chai ist hier Kultur und das gehört hier zum
entspannten Glotzen dazu wie bei uns Chips und Bier zum Fernsehen.
Dafür haben wir vollstes Verständnis.
Wir reagieren
entsprechend, allerdings zum Unverständnis des indischen Publikums.
Wir ändern unser Frühstücksmenü in die bereits fertigen
gefüllteen Teigtaschen. Das bringst uns die Zeitersparnis bei der
Zubereitung, was zu sehr an meinen Nerven gezehrt und so können wir
uns schneller verdrücken.
Ben empfindet das
Gottseidank genauso.
Wir quälen uns weiter
über die kaputte, von Schlaglöchern zerborstene Straße, kämpfen
wie Matadore gegen unberechenbare LKW, die wahlweise den
Schlaglöchern auf ihrer Spur ausweichen oder Kühe, Mopeds,
Menschen, Autos, Rikschas, andere Lkw, Busse oder gleich mehrere
gleichzeitig davon überholen.
einer mehr im straßengraben |
Ganz selten gleitet für
Bruchteile von Sekunden ein entspannt-anmierter Blick von mir über
die Landschaft. Wenn Ben das tut gibt’s sofort Schläge auf den
Leib, denn in den Bruchteilen gehen gerne Teile zu Bruch.
Ich nehme grüne saftige
Landschaften wahr. Man könnte es genießen. Erdnussfelder, deren
kniehohe Büsche gerne ein bis zwei gelbe Blätter an der Spitze
tragen, als wollten sie eine Blüte simulieren. Archaischer Ackerbau
mit bunt gekleideten Menschen, die in gebückter Haltung das Feld
bearbeiten oder auf den Köpfen teilweise riesige Lasten ins nächste
Dorf tragen. Holzwagen am Wegesrand mit den Früchten der harten
Arbeit. Hirten mit ihrem Vieh. Wilde Flusskurven durchziehen weite
Ebenen. Und immer wieder rote Erde. Lehm-Stroh-Hütten und einfache
Holzbuden an den Feldern. Wir fühlen uns oft an Afrika erinnert.
Mittags halten wir an
einer weiteren Dhaba, ärgern uns mit dem Besitzer rum, weil mir der
Preis für Chicken Masala zu hoch vorkommt, setzen uns dann draußen
vor die Nachbarbude auf die Sitz-Lieg-Schlaf-Tische und lassen
dieselbe Prozedur wie jedes Mal über uns ergehen. Hier gibt’s zum
Glück genügend Sitz-Lieg-Schlaf-Tische, so dass wir beim Essen
einen Gnadenabstand gewährt bekommen. Die körperliche Distanz
ändert aber nichts an den bohrenen und fragenden Blicken. Einige
Jüngere stellen sich dreist einfach neben uns und schauen kurz mal
zu, die Bedienung knallt das Essen vor uns hin, die Mittgspause in
einem wohl nahegelegenen College (die gibts hier mehr als Fressbuden)
beschert uns ein paar ordentlich gekleidete Fans dazu, von denen
immerhin einer wagt uns auf Englisch anzusprechen, den wir aber
leider nicht verstehen. „Abtreten, Baby. Fünf!“ Aber vielleicht
wollen wir ihn auch nicht mehr verstehen, wollen nicht mehr lächeln
und freundlich sein. Ohne Grund lächelt hier doch auch sonst keiner.
und die jungs konnten wenigstens noch lachen |
Ums Moped sammelt sich
eine Traube. Die sind unter sich und freuen sich wie Kleinkinder
darüber, dass sie unbeobachtet sämtliche Knöpfe drücken können,
bei denen dann doch nichts passiert, weil die Zündung aus ist.
„Einmal den Blinker einer BMW drücken... ich habs getan“...,
wird wahrscheinlich noch nachts im Traum verarbeitet werden und die
nächsten Wochen Thema beim Chai-Stammtisch sein. Diese Jungs
jedenfalls sind erstmal beschäftigt und stören erst, wenn wir
wegfahren wollen.
naja - die waren auch überall im dreck |
Die einzig wirklich
unbeteiligten an der Szene sind die Hühner, die zwischen unseren
Beinen nach Essensresten scharren und ich liebe sie in dem Moment
dafür.
Und zeitgleich enwickel
ich ein latentes Hassgefühl auf dieses Volk, was überall auftaucht,
wo man hält, und durch Nichtstun und diese vermeindliche Kühle eine
Distanz schafft, die das Hassgefühl noch verstärkt. Vielleicht
versteh ich das Verhalten irgendwann. Aber in solchen Momenten weiß
ich, warum man sich bei einer anerzogenen oder antrainierte
Freundlichkeit, wie man sie den Asiaten nachsagt oder wie man sie
auch bei Geschäftsmännern erkennen kann, wohler fühlt. Oft wird
dies vielleicht als falsche Freundlichkeit besonders bei den
bezeichnet. Aber ein Lächeln tut nicht weh und kann tausend Tore
öffnen. Und was dann hinter dem Tor steckt, das kann man hinterher
herausfinden.
Dieses Verhalten hier
verschließt sie mir.
Kurz darauf schaufeln wir
uns ziemlich gereizt eine Gasse fahren endlich weiter. Ob das
angenehmer ist wegen des Straßenbelags und dem Verkehr ist
zweifelhaft. Ben kämpft tapfer weiter
Meter um Meter vor, durch
Löcher und Holperabschnitte, zwischen Karren und Trucks hindurch und
dann …
… dann lerne ich die
Inder schlagartig lieben.
Wir liegen unter einem
dieser Monstertrucks.
Keiner kann sich
vorstellen, wie schnell das passieren konnte. Ein LKW überholt einen
anderen, kommt uns entgegen, wir können nicht ausweichen, weil ein
Moped an der Seite steht, der Verkehr kommt zum Stehen. Ben tastet
sich langsam vorwärts zwischen Truck und Moped und dann fährt
dieses Arschloch mit seiner Roadtrain einfach wieder an. Ben weicht
instinktiv zur Seite titscht an das stehende Moped, lenkt gegen und
in dem Moment erwischt uns der LKW, zieht uns mit der ganzen Fuhre zu
Boden und als ich die Augen öffne, liegen wir zwei samt Moped unter
dem Auflader.
Scheiße hoch drei.
Gottseidank steht der
Truck schnell wieder.
Seitlich ist kein
Rauskommen, da hat sich das Moped verkeilt und Ben liegt drunter. Ich
bete, dass der Wichser nicht losfährt, denn dann sind meine beiden
Lieblinge Mus. Ohje. Was ist mit Ben? Der liegt immer noch unter der
Maschine. Was ist mit der BMW? Ich husche unter der hinteren Achse
raus. Alle Körperteile arbeiten ordnungsgemäß. Ein kurzer Dank gen
Himmel und an die Schutzengel, die mich heute Morgen nicht die
Protektoren haben ausziehen lassen.
Und dann liebe ich die
Inder schlagartig!
Zuverlässig, wie aus dem
Nichts dreißig Mann an einer Dhaba auftauchen können, stehen hier
schon ein Dutzend Inder wie aus dem Nichts um die Unfallstelle. Woher
weiß ich nicht aber ist auch egal. Ein gemeinsames Ziel öffnet Tore
der Gemeinsamkeit und fremd sein wird durch Hilfsbereitschaft an
zweite Stelle gerückt. Dankean den, der diese Instinkte den Menschen
mitgegeben und den Indern jetzt und hier bewahrt hat.
Ben steht. Und bis auf
einen verlorenen Schuh und eine Schramme am Knie scheint erstmal
alles in Ordnung zu sein. Eine konkrete Schadensmedung kommt dann
später, wenn sich der Schock gesetzt hat. Einige Hände kümmern
sich um ihn, einige Gemüter wollen ihn zum Sitzen und Wasser trinken
animieren. Die andern ziehen, drücken und fachsimpeln an dem
Motorrad, brüllen den Fahrer des LKW Befehle entgegen, der gelassen
aus seinem Fahrerhäuschen schaut, als warte er auf einen frischen
Chai und den Morgengruß der Liebsten.
Die Helfer drücke das
Motorrad gegen den Boden, dass es fast Kopf steht, der Fahrer fährt
kurz an und dann wird das gute Stück aufgerichtet und im
Blitzverfahren gerade gerichtet. Navi und Spiegel lasen sich
gererücken. Aber der Koffer sieht schlimm aus und und ist aus der
Halterung gerissen. An der Stelle der riesen Beule ist mein Laptop
geparkt, hoffentlich hat der nichts abbekommen, ich hab die aktuellen
Fotos nicht gesichert.
Was für bescheuerte
Gedanken einem durch den Kopf gehen...
Wir sind uns einig, dass
wir weiterfahren. Wir tauschen nur die Fahrer, da ich definitiv
weniger abbekommen habe und relaxter bin. Das Grundbedürfnis nach so
einem Erlebnis in Ruhe zur Ruhe zu kommen ist bei uns Beiden. Da
hilft es auch nicht, dass ich die Inder auf einmal liebe, weil sie so
schnell zur Stelle und so hilfsbereit waren. Alles zu seiner Zeit.
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