normalerweise MIT wasser: die jogg falls |
Wenn der Tag mit dem
Wecker um halb sechs beginnt und mit Gewitter aufhört, kann
dazwischen...
nein, ich muss ehrlich
sein. Ich möchte den Tag jetzt nicht schlechtreden, nur weil ich
heute grantiggriesgrämig bin. An solchen Tagen kann bekanntlich die
Sonne ihr Bestes geben, die Straßen deutscher Straßenbaukunst
entsprechend und das Essen wie von Muttern sein. Irgendwas ist dann
immer totalverkehrtundbeschissen.
freunde, die man morgens um sieben braucht |
Und die Sonne gab ihr
Bestes heute wahrhaftig schon um sieben Uhr. Ich hab die Nacht im
Freien verbracht und beschlossen noch vor dem ersten Kaffee
-sozusagen als Frühsport- die 760 Stufen zum Wasserbecken der Jogg
Falls runter zu laufen. Dass mich dort eine Horde brüllender
Jugendlicher empfängt, die mich mit viel zu guter Laune für meine
Miesepetrigkeit und ihren Ambitionen auf ein ausgedehntes
Fotoshooting mit exotischem Wessi abnerven. hab ich nun wirklich
nicht erwartet.
Angekitscht von 5 Tagen
Abhängen am recht einsamen Strand und durch eine halbromantische
Nacht unter freiem Sternenhimmel mit schimmerndem Viertelmond bin ich
wohl in den Romantikmodus abgedriftet. Ich dachte ich allen Ernstes
dass um die Uhrzeit an einem Montagmorgen noch kein Inder in die
Tiefen der größten Wasserfälle Indiens hinabsteigt und ich einsam
und nackig im klaren Wasser eine guten-Morgen-Dusche nehmen kann.
OHMANNKIKI!!! Da bin ich im Land mit der zweitgrößten Einwohnerzahl
der Welt und zudem eins der dichtbesiedeltesten Länder der Welt und
glaube wirklich, ich könnte in einem Touristischen Highlight allein
sein.
Und ich hab auch gedacht,
dass hier nicht der Müll als Zeugnis der Zivilation den Wegesrand
schmückt. SCHWACHSINN!!! Warum sollte auf einmal hier der Natur
Respekt gezollt werden, wenn Im ganzen Land Mülltonnen ein
Fremdworts zu sein scheint.
Einzig die ach so verehrten Kühen, denen
durch den Stempel der Heiligkeit Achtung entgegengebracht wird,
interessieren sich fressenderweise für den Drreck auf der Straße.
Aber der Ursprung für schmackhafte Gewürze, für heilende Kräuter,
für Blumen als Opfergabe, für lebenswichtigen Sauerstoff, für die
Resource der zukünftigen Generation, für Lebensquell... erfährt
durch diese Misshandlung lediglich Ignoranz, wenn nicht gar
Ablehnung.
Ich steiger mich rein,
ooooh, ich könnt noch weiter...
schön wars da unten trotzdem - beim zweiten hinsehen |
Ich hab auch gedacht,
dass das Wasser klar und kalt ist. WOHERDENN? Menschen und Müll
machen aus dem Wasser eine grünlichbraune Brühe, auf dessen
Oberfläche sich Öl in bunten Schlieren sammelt, dass man nach einem
Bad direkt eingecremt wäre.
Kurz: ich bin genervt und
weiß nicht warum. Besser ich geh erstmal frühstücken. Nur 730
Stufen hoch und dann links gibt’s Dosa, daruf freu ich mich.
Beim Aufstieg geb ich mir
Mühe keinem ins Gesicht zu sehen, sonst hätte ich als weiteren
Frühsport Ins-Gesicht-springen dazugenommen. Ich kann zwar
verstehen, dass ich mit meinen schweren Mopedklamotten und der weißen
Haut eine außergewöhnliche Erscheinung abgebe, aber heute will
ich das nicht gezeigt bekommen!!!
so gut sieh man nur nach 1460 stufen laufen vor dem kaffe aus |
„The gras on the other
side is always greener“, denke ich, als ich vor dem Chailaden
sitze, meinen viel zu dünnen Kaffee in der Hand halte und beobachte,
wie in der Bude nebenan knusprig dünne Dosas gebacken werden,
während die Dame meine dicken schlabberigen Dosas hilflos, wendet.
Mein Glück scheint anzuhalten, meine schlechte Laune bestätigt zu
werden. Ist desshalb der Laden nebenan so brechend voll, oder ist
dort zufällig ein Betriebsausflug gelandet? Ach, ich lass mir
einfach Nachschlag von der grünen Nussauce geben, bestell einen
zweiten Kaffee extra strong und verfeiner den mit ner Rolle Kekse.
Geht doch.
Eigentlich ein herrlicher
Morgen. Ich muss heut wohl nur zweimal hingucken.
Nach dem gemütlichen
Packen, viel ist ja nach ner Nacht unterm Sternenhimmel nicht zu tun,
fahre ich dieselbe Stecke zurück. Ja, das war anders geplant, aber
ich finde die Straße, die ich suche nicht, alle Schilder sind in
„gegen-mich gerichteter“ Kringelschrift und alle Passanten
erklären mir den Weg über den National Highway, der angeblich so
gut sein soll.
Ich
nenne ihn lieber berechenbar: Dort, wo ich in der Ferne Fahrzeuge wie
nach einer Schlacht im Kinderzimmer auf dem Straßenteppich wild
durcheinander auf der Straße sehe, weiß ich, dass ein spaßiger
Hindernisparcour auf mich zukommt. Das passiert durchschnittlich
jeden Kilometer. Und diese Löcher haben es in sich. Manchmal fahre
ich im 80° Winkel über die Straße, manchmal auf dem unbefestigten
Seitenstreifen der Gegenfahrbahn und einige Male bin ich einfach
stehen geblieben und hab überlegt, wie ich da wohl rüber komme. Ich
setzt mir im Geiste klein Etappenziele zum Überprüfen der Stimmung.
Da ich aber möglichst tief in den Süden kommen möchte, fällt jede
Überprüfung positiv aus.
Selbstverarschung
dient als Stimmungsmacher und das klappt ganz hervorragend.
Murdeshwar
muss ich sehen, die angeblich größte Statue der Welt stellt Shiva
dar und wurde wohl erst vor zehn Jahren gebaut. Sie überragt
imposant die Bäume und ist vom Highway deutlich zu sehen, so dass
auch ich merke, dass ich vorbeigefahren bin.
Die
Stadt ist wahrlch kein Ashängeschild für gigantische Herrlichkeit,
aber der herrliche Tempel liegt direkt am Meer, und ist eingefasst
von einer beeindruckend prachtvollen Anlage über der riesiggroß
diese wunderschöne Gottheit wacht. Was für ein gigantischer
Anblick.
Natürlich
bin ich zur Mittagszeit da, lande erst im Tempel im Pilgerstrom und
anschießend vor geschlossener Tür vom Turm zu Murdeshwar und
geschlossener Tür zu Shivas Innerem.
Bei so viel
verschlossenen Türen und ungeschossenen Fotos überlege ich mich
selbst zum Besichtigen auszustellen und mit dem Moped vor die
monströse Göttlichkeit zu fahren. Eine bewachte Straße führt bis
fast dahin. Aber der fotobesessene Inder hat zwar wenig Verständnis
für Verkehr oder Umweltschutz, aber fürs Foto machen allemal.
Die Idee fühlt sich gut
an und soll meine Laune bessern. Also los.
Aber ich brauch mich gar
nicht selbst zu inszenieren.
An meiner BMW stehen
wieder mal interessierte Menschen, die gebildet genug sind mich
sofort auf Englisch mit Fragen zu überhäufen. Die Englisch
sprechende Bevölkerung hat hier massiv nachgelassen. Und wenn es
einer die Sprache beherrscht und dazu noch saubere Kleidung und einen
gepflegten Haarschnitt trgt, dann sind es Ausflügler aus Banglaore.
So auch diese. Wahrscheinlich steht der polierte Mercedes hinter den
Bussen. In Kantarka hab ich mehr gesehen als in ganz Indien, konkret:
drei. Passend zum gestreiften Poloshirt mit Bügelfalte, wird das
I-Pad gezückt und der Rest der Familie in vors Bike in Szene
gesetzt. Der Kleine noch dazu. Ach schnell noch ein Bild, schließlich
hat er nicht gelächelt. Die Familie ist nett und interessiert, aber
mir macht die Hitze zu schaffen und meine Stimmung tendiert heute
rein gar nicht zu solchen …..
Potzblitz, was geht hier
ab? Um uns stehen Dutzende Menschen. Shiva kann abdanken, hier mach
ich das Rennen. Der eine prüft den Reifendruck, der nächste spielt
am Gas, ein anderer tätschelt liebevoll den Rest des Schaffells und
einer dreht mir tatsächlich den Kölner Dom am Kotflügel gerade.
Jetzt, wo ein Sprachführer den Anfang zu mir gemacht hat traut sich
auf einmal jedes männliche Wesen, was zwei Beine hat um mich. Der
Eisverkäufer lässt seinen Wagen allein, die Parkplatzwächter,
Busfahrer, Schuhverwahrer und Besucher sammeln sich um mich, ja sogar
die Postkartenverkäufer, die ich mir in kurzer aber heftiger Zeit zu
Todfeinden gemacht habe, trauen sich vorsichtig in meine Nähe und
lächeln versöhnlich. Ich muss weg - zu Shiva. Das ist nicht nur die
Sonne, die mich schwitzen lässt.
ganesh hilf |
„I give you my
facebookadress, then you can look for the fotos.“
Oh nein! Polohemd will
noch Facebookadressen austauschen.
Was interessiert mich...
Ich lächel äußerlich.
Hab heute immerhin schon den Postkartenjungs, den Fotojungs, den
lieben Tourijungs, die ich für Fotojungs hielt und dem Kellner
verbal eins übergebraten; nicht noch diesen wirklich freundlichen
Spießbürgern. Und er schreibt schnell.
„Byebye, nice to meet
you“, und weg sind sie in ihrem klimatisierten Familienvan. Die
haben ein Erlebnis mehr im Herzen sitzen und ich habe hundert
Freunden mehr im Weg stehen.
Ein hübscher Kerl hat
direkt die Rolle des Sprachrohrs übernommen und stellt
ununterbrochen die Fragen, die ich dankbar vermisst habe: „How much
cost? How much horsepower? How much petrol?“ Ich könnte die
Antworten vorne auf die zerbochene Windschild schreiben, um dieser
heute echt nervenden Baggage zu entgehen. Dabei hau ich einem den
Ärmel übers Gesicht, aber der lächelt nur und wahrscheinlich wird
er die Stelle jetzt nie wieder waschen. Um mein Bein über die
Sitzbank zu schwingen, muss ich glatt um Platz bitten. Langsam fühl
ich mich echt unwohl, denn überall sind Finger die irgendwas
begrapschen müssen. Masse hat Macht, geht mir bei sowas immer durch
den Kopf und entsprechend groß ist mein Wunsch zu verschwinden.
Scheiße, ich komm
rückwärts nicht aus der Parklücke und vorwärts bin ich zugeparkt.
Hoppla, Sprachrohr
versteht meine bittende Aufforderung mich zu schieben und redet dabei
unverblümt weiter. Multitaskingtalent. Ich werf den Motor an und es
bildet sich eine Gasse in Fahrtrichtung, so dass ich das Gefühl hab,
der rote Teppich wird vor mir ausgerollt. Aber die Richtung stimmt
nicht, ich hab ja noch das Rendevouz mit Shiva und muss wenden. Was
für ein herrlicher Moment: Ich deute mit einer anscheinend magischen
Handbewegung meinen Wendekreis an und wie durch eine Choreografie
festgelegt schließt sich die Menge vor mir, andere weichen zur Seite
und eine neue Gasse bildet sich, durch die ich hocherhobenen Helmes,
die Bremshand zu einem lockeren Gruß gereckt durch ein winkendes
Spalier fahre.
Gerettet. Ich schau ein
zweites Mal hin und plötzlich wird die Situation lustig. Ich kann
lächeln.
ha - das pendent zu dem troll in norwegen |
Zu Shiva wird mir wie
erwartet der Weg versperrt.
„Just for one foto“,
scheint die moderne Zauberformel von: „Sesam öffne dich“ zu sein
und der Polizist lässt mich relativ schnell und schmiergeldlos
passieren.
Oben am Weg warten meine
neuen Freunde, eben noch ´Feindbild No2´ nach den Postkartenjungs.
Trotzdem schnapp ich mir einen vermeindlich begnadeten
Schnappschussprofi dessen Blick sowas wie Intelligenz vermuten lässt
und er schafft es tatsächlich nach einigen Instruktionen
meinerseits, wenigen Probeversuchen seinerseits und vielen Lachsalven
der nicht betroffenen Knipser andereseits mit meiner Kamera ein Bild
zu machen, was nicht den Titel `Kiki und seine Freunde`, sondern
`Kiki, die Dicke und Shiva` verdient.
Auf den zweiten Blick,
hats geklappt.
Ich hasse die
Schlaglöcher und überlege zu wenden. Zurück zu meinem ruhigen
Strand. Anderrseits ist mein nächstes Stimmungsüberprüfungsziel
Udupi und die Landschaft ist herrlich. Kokosnussplantagen, Flussdelta
und zur Krönung weißer Strand und Meer begleiten meinen Blick,
sobald ich ihn vom Straßenbelag lösen kann. Die Ortschaften bieten
von ärmlichen Hütten bis bunten Schmuckbauten alles, was das Auge
verkraften kann und das Fahren wird auf den letzten 50 Kilometern
sogar entspannend, da die Straße bis auf einige Baustellen richtig
gut wird.
Kurz vor Udipi folge ich
einem Schild, was wohl eine Abkürzung darstellt, ich holper über
Schotter, durchquere Schlammlöcher und Felsbrocken und lande nach
einigen Kilometern schlagartig auf einer sechsspurigen Hauptstraße,
deren Hektik und Krach mir den Spaß an der Stadt vergehen lässt. In
solchen Momenten liebe ich das allein reisen. Keine Moment lasse ich
den Frust aufkommen, der mich jetzt wieder zermürben könnte. Ich
frage mich durch, drehe und setzte als neues Etappenziel das 5 km
entfernte, im Reiseführer zwar erwähnte aber verrissene Malpe.
Dieser Ort liegt immerhin am Meer und ich könnte Udupi je nach Lust
und Laune am nächsten Tag nochmal ansteuern.
Und wieder ist es der
zweite Blick, der diese beschissene Situation letztendlich herrlich
werden lässt.
der nächste morgen am hafen |
Ein quirliges und
lebhaftes Treiben bestimmt die Atmosphäre. Das Städtchen wirkt sehr
authentisch, denn auf den Straßen sind fast ausschließlich Männer,
kaum einer spricht Englisch und die Hotelpreise sind nicht
verhandelbar. Es scheint hier nicht viele Touristen zu geben und die
Wenigen steigen vermutlich in dem Luxusresort einen Kilometer weiter
außerhalb ab. Ich finde ein preiswertes Hotel, was den Flair von
Monteur-Unterkunft hat. Die Jungs schlurfen über den Gang und ein
Lächeln oder Grüßen haben sie nicht gelernt. Vor meiner Tür
sammeln sich leere Bier und Whiskeyflaschen was sowohl Schlampigkeit
beim Personal, als auch verloddert-rohes Treiben bedeuten kann und
mein Bike parkt hinter der Bude zwischen Schutt, Müll und anderen
Mopeds.
Ich fühl mich wohl und
buche mich direkt für zwei Nächte ein und verschwende aber dennoch
einen zweiten Gedanken daran, wo mein Pfefferspray steckt.
Die Zweite Nacht ist für
den besseren Blick.
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