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Varanasi empfängt mich
mit Verkehrschaos, wie es normal ist für acht Uhr abends in der
Dunkelheit. In Indien erwachen die Städte dann erst so richtig. Und
ich, immerhin seit drei Monaten in diesem Chaostreiben gefangen,
schaffe es immer wieder den allabendlichen Blechlawinenamok mit
meiner Ankunft zu unterstützen. Varanasi hat aber zudem noch
gepflasterte Hauptstraßen zu bieten, deren Pflastersteine
abwechslungsreich immer mal über mehrere Meter ausgebrochen, mit
Sand oder Teerbrocken vermischt eine fahrerische Herausforderung
ergeben.
Ich könnt kotzen.
Stattdessen halte ich
aber erstmal am Rand, atme einmal tief Nikotin ein und üblicherweise
müsste jetzt mindestens ein hilfsbereiter Inder auf mich zugelaufen
kommen.... aaah, da isser.
„You looking for Mam?“
...vom wegesrand... |
Aha – der Sprache
leidlich mächtig ist dies bestimmt einer dieser Hotel-Schlepper. Ich
zücke meinen Reiseführer, fest willens mich nicht abschleppen zu
lassen: „Please...show me, where I am.“
Er erklärt mir den Plan,
meinen Standort und zeigt mir den Weg in die Altstadt, warnt mich
noch vor den Gassen und...
„You want to go...?“,
der Bärtige bleibt hartnäckig, aber ich bin gewappnet, will ich ja
schließlich den Weg finden und zeige auf das billigste Guesthouse,
was ich bereits markiert hatte.
...sind schöner... |
„Oh no no no...“,
auch darauf bin ich vorbereitet, jetzt kommt die Story, dass das
Hotel abgebrannt ist. „...you can´t go there with the bike. Too
small the road.“ Darauf bin ich nicht vorbereitet. Vielleicht hat
er ja recht. Ich grübel.
„I show you a
guesthouse“, unterbricht er mich beim Denken.
„I dont want to pay too
much. I´ll find one.“
„No no no no expensive.
Give me 100 Rupie and I´ll show you three, you can choose.
Eigentich eine gute
Sache, aber ich bin jetzt auf meinem `das mach ich alleine trip´ und
winke daher ab.
„First I look for my
guesthose, thank U“, und ich packe ein.
Aber irgendwie hat er
recht. Ich lass mich immer gern zu einem Hotel bringen indem ich
einer Rikshaw hinterherfahre. Das ist das entspannteste. Was hab ich
heute? Ich sitze seit knapp 13 Stunden auf der Dicken und muss nun
wirklich nicht mir selbst gegenüber eine dämliche Sturheit an den
Tag legen.
...als verkehrschaos! |
„Ok“,ich dreh mich
wieder zu dem ´Ab´-Schlepper, „show me our guesthouses, I give
you the 100 Rupie“, ich feilsche noch nicht mal mehr.
„200“
„HÄÄÄÄ???“
„I don´t show U“
„Du hast den Arsch
auf!“, kann ich leider nicht auf Englisch – ich werd´s demnächst
mal googeln, das flucht sich bestimmt herrlich, aber ich versuche die
Botschaft mit meinem Blick rüber zu bringen, schwing mich in den
Sattel und gebe Gas. Vollgas!! Das ist kindisch, tut mir aber gut.
So. Ich bild mir ein ich übertrage die Verachtung, die ich spüre.
Die ham ne Schraube
locker – der Tourismus hat die Leute versaut.
Ich muss in den
Gegenverkehr, das hab ich immerhin noch rausbekommen und ich schwitze
schon bei dem Gedanken daran. Jede Richtung ist ein mehrspuriges
Gewimmel aus hupenden, drängelnden Mofas, Rikshaws, Taxis,
Händlerkarren und anderem Kleinvieh. Die Fahrbahnen sind immerhin
durch eine mittlere Plastikbarrikade in ihre Richtung gewiesen. Diese
Barrikade weist allerdings immer hilfreiche Lücken auf, durch die
sich alles drängt, was die Spur wechseln möchte, ohne bis zum
nächsten offiziellen U-Turn zu fahren. An den Stellen ist dann das
Chaos perfekt, weil man von der schnellen Überholspur in kürzester
Zeit auf Stand runterbremsen muss, um dann sofort aus dem Stand in
einer 180 Grad Kehre auf der Überholspur des Gegenverkehrs zu
landen.
Indien Roulette.
Aber es klappt.
Fast. Irgendwas blockiert
meinen Lenkereinschlag. Ich krieg die Kurve nicht, so wie ich will.
Lenken – lenken – ich taumel, ich schwitze noch mehr... und ich
kreuze alle drei Spuren und schaff es mit Ach und Krach nicht in die
parkenden Rikshaws zu lenken, weil die
anderen aufgepasst haben und sich wie Wsser um Öl zur Seite
gewunden haben, um sich anschließend wieder hinter mir zu schließen
und mich in den Flow aufzunehmen. Ich atme auf. Danke. Jetzt bloß nicht
halten und wieder den Verkehr irritieren. Das hat geklappt und ich
grübel. Ich hatte das gleiche Problem vor ein paar Stunden, als ich
rechts rum vor dem Obststand über die Straße gewendet habe. Da
dachte ich zuerst, jemand hält mich fest...
Jetzt wird aber nicht
gedacht, ich beschließe einfach enge Kurven und Gassen zu vermeiden. Pah. Und so halte gerade vor den nächsten jung und unschuldig aussehenden Männern
in Uniform. „Studenten im Pulk“, denke ich, „werden keine
Hotelschlepper sein“ und ich hab recht. Sie erklären ausführlich
und schicken mich weiter in Richtung Guesthouseviertel.
Geht doch.
Mein nächster Stopp ist
bei einem Ladenbesitzer – er kann auch kein Schlepper sein. Ich
warten geduldig, bis er seine Arbeitsplatte mit Sekundenkleber auf
den Unterschränken für die Ewigkeit fixiert hat, um eine
commissionfreie Auskunft zu bekommen.
Geht doch.
Und dann kommt der
Kreisverkehr. Rechts sagte er, aber rechts ist nun wirklich eine
sehr kleine Gasse. Ich stoppe mitten im Kreisverkehr. Der
große Typ wirkt etwas desorientiert und dämlich, aber ist der
einzige, den ich mit einer Vollbremsung im Kreisverkehr erreichen
kann. Und der ist bestimmt auch kein Schlepper, hier umkreist von
vier Spuren hupender Blechlawine.
Geht bestimmt auch.
„Where is the area with
the guesthouses please. Straight or right“
„Follow. I show you.“
Schlepper??
„No no no, I dont want
to pay. I just want to know.“
„No pay. I go there, I
live there. But drive slow, I have to walk.“
Und schon hab ich
irgendwie unterschrieben.
Er geht rechts. Und links
und links und rechts und..... irgendwann ist er zu Fuß doppelt so
schnell wie ich. Die Gassen sind eng - sehr eng und mir vergeht der
Spaß. Gottseidank ist der Boden ist an den Seiten abfallend, damit
die Gülle besser abfließt, das bringt Abwechslung beim Bremsen,
weil ich den Boden mit den Füßen kaum noch erreiche. Zudem liegen
die Seiten voll Unrat vom Tagesgeschäft und es mischen sich
verwesende Gemüseabfälle mit Kuhdung zu einer schmierigen Paste auf
der ich ausrutsche, wenn ich dann doch mal den Boden erreiche.
Zwischendrin liegen Plastiktüten die als Fußangeln dienen. Eine
spannende neue Erfahrung für die letzten Tage in Indien. Aber
schnell merke ich, dass ein Wegrutschen der Fuhre auch egal wäre,
denn die eng stehenden Wände fangen mich an den Seitenkoffern auf.
Indish Roulette – einen Tod musst du sterben.
Der hat nicht nur ne
Schraube locker – der spinnt komplett.
„Hey Sir!“, er ist
kaum noch auszumachen zwischen dem Fußvolk, aber er bleibt stehn,
„What the fuck is that? I cant go there.“
„No problem. You can.
Only two Minutes.“
Er dreht sich um und geht
und ich gebe Gas. Vorsichtig. Ausweichen, Loch. Füßeln. Kuhscheiße.
Ich rutsch aus, aber
alles `no problem`, die Koffer knallen gegen die Hauswand und halten
mich fest.
„Bullshit“, brülle
ich ihn an aber er ist schon wieder zu weit vor und mir kommen die
gleich die Tränen. Noch nicht mal ein Ziel für meine Wut ist in
akustischer Reichweite. Nach dreizehn Stunden Fahrt, die letzten
Stunden über SchrottKackDrecksWege hab ich das echt nicht verdient.
„Fuck“ und nochmal.
Fluchen tut gut und ich zeige auf ein Rad, das mir den Weg versperrt.
Der ist nicht nur ein
Schlepper, der ist wahnsinnig. Und in meiner Phantasie sehe ich den
Wahn auch schon aus seinen Augen sprühen, als er ohne die Miene zu
verziehen ein Rad auf eine Fensterbank heben lässt, damit ich
passieren kann.
Hier dreh ich nicht
einfach um! Nein, hier bin ich gefangen im Irrgarten von Varanasis
Altstadt einen Irren als Wegweiser in den Untergang. Wahrscheinlich
erst zum Ausraub- und dann direkt zum Verbrennungsghat.
Die Passanten betrachten
mich zwischen Verachtung und Belustigung, ich versuche zu lächeln
aber innerlich fluche ich über meine Naivität in letzter Sekunde.
Einzelne hüpfen schnell in Hauseingänge, wenn ich komme, Kinder
werden zur Seite gerissen, ein Roller verschoben.
„What the hell is going
on! Two minutes are gone!“, ich kill den Typ, wenn wir da sind.
Meine Arme schmerzen, sie fühlen sich an, wie nach Stunden
Endurorennen, meine Beine zittern, denn Anspannung gegen das
Ausrutschen auf Scheiße ist zur Standardübung geworden.
„No problem, one
minute.“
Ich hasse ihn.
Als ob ich dieses Hotel,
wo immer ich auch lande, heute nochmal verlasse! Die Masche ist gut
und ich kleb dran wie eine Fliege am Fänger, zappelnd, fluchend aber
total hilflos. Wissend, ich bin dem Schicksal ausgeliefert.
von meinem balkon |
Ein Hof. Mitten in diesem
Gewimmel von Gassen öffnet sich ein Tor. Mit lachenden Gesichtern
werde ich begrüßt. Ein Dutzend helfende Hände sind parat die
parkenden Mopeds eifrig zur Seite zu stellen, vor Kopf ist der
Eingang eines Tempels – Heiligkeit kann nicht schaden bei meiner
Laune, links der Hoteleingang, sauber, beleuchtet, mit Blumen davor,
der Manager kommt mir entgegen, als hätte er nur auf mich
gewartet... Das war also das Telefonat eben...
Ich vergesse zu
schimpfen, so willkommen fühl ich mich. Vielleicht ist es aber auch
nur das Glück angekommen zu sein. Ich handel den Preis zwar noch
etwas runter, aber wir wissen beide, dass ich meinen Arsch hier und
heute nicht mehr wegbewege, zumal meine Argusaugen die erste saubere
Bettwäsche in Indien erspäht haben.
Luft holen!
Ich esse im Hotel und
setze keinen Fuß mehr vor die Tür. Heute schleppt mich hier keiner
mehr ab und morgen hab ich dann weder Energie mich zu wehren.
zum glück gibts am ganges nicht nur schlepper.. |
„Coffee – Chai“
Ich bin am morgen fünf
Meter aus dem Hotel raus. „No, thanx“
„Boattrip - very cheap“
Ich bin zehn Meter
gegangen und noch nicht unten am Ganges. „No, thanx“
„Boattrip – very
cheap“
Ancheinend ist Boattrip
hier der Tourirenner. Muss ich das machen? „No, thanx“
„Boattrip – very
cheap“
„F***no thanx!!!“
„Boattrip – only 100
Rupies for you. Alone madam?“
...sondern auch wartende... |
„Fu***“ Ich wende den
Kopf und schau in ein etwas trauriges Lächeln. Hundert Rupies für
eine Stunde allein ohne eine Horde Knipssüchtiger Touristen – ich
werde wach. Wir tauschen ein paar Worte, ich mach ein Foto von dem
Jungen, damit ich ihn in der unüberschaubare Masse an
Boat-Trip-Anbietern am Abend auch wiederfinde und ich bummel weiter.
...die tiefenentspannten... |
...die frustrierten... |
Meine Laune bessert sich
nur schleppend, denn eine erschreckende Menge an Menschen stürzt auf
mich ein und bietet Dienstleistungen an. Das fängt bei Boattrips an,
geht über Massage und Handlesen bis hin zu Tourguides und
Fotografen. Dazwischen all die Händler mit Ketten, Schals und
Räucherstäbchen. Wie viele Trickberüger dazwischen sind kann ich
nicht beurteilen, aber der „volunteer“ am Verbrennungsghat hat
mir Geld entlockt, ein netter junger Mann, der mich eine Stunde
begleitet und sogar zum Tee eingeladen hat, wollte mir am Schluss
Ayuverda andrehen, der Kellner erschnorrt sich sein Trinkgeld in
Zigarettenform und mit meinem Bootfahrer bin ich abends noch so
aneinandergeraten, dass er die Länge der Tour nahezu verdoppelt und
mich noch zum Spaghetti auf dem Kahn eingeladen hat.
...die beschäftigten... |
Daher beschließe ich am
nächsten Morgen ganz einfach nur den Fehler beim Lenkereinschlag an
meinem Moped zu suchen. Ich mit ein paar Schrauben
allein...herrlich...
… aber eine Utopie. Die
Hotelbelegschaft schaut zu, einige Anwohner und ein paar Zaungäste
hab ich auch. Immerhin wollen die keine Kohle von mir. Und der
Stärkste von allen, den ich mit einem bestimmenden Lächeln dazu
überredet habe mein Moped hinten zu belasten, will hoffentlich auch
kein Bakshish.
Ich schraube die Plastiks
ab, und die Zuschauer kommen fasziniert näher.
...die musischen... |
Aber das Lenkerstoppen
ist kein loses Plastikteil. Ich suche ratlos. Drehe den Lenker hin
und her, fachsimpel mit dem kleinwüchsigen, stotternden
Hotelmanager, der mir versucht mit Mopedgeschichten seiner wilden
jungen Jahre zu imponieren, während ich Ursachenforschung am Moped
betreibe und Dickbauch stetig das Hinterrad belastet.
Da.
Nicht nur die Schlepper
haben hier eine Schraube locker
Ich seh sie genau: eine
von den zwei Schrauben von der Cocpithalterung hat sich losvibriert
und ist auf die Gabelbrücke gefallen, wo sie nun lustig eingeklemmt
rumhopst und beim Lenkereinschlag eine Blockade bildet.
Das ist doch in Sekunden
erledigt...
...denke ich,...
…aber ich krieg das
Miststück nicht raus.
...die meditierenden... |
Mein Hinterradballast hat
sich verabschiedet, der Manager hat sich in die hintere Reihe
zurückgezogen und die Belegschaft ist auch urplötzlich unpässlich.
Da isses wieder: Maul
aufreißen und wenn´s drauf ankommt Schwanz ...
Ich reiß die Augen auf
... knarrend öffnet sich das Gatter zum Hof und ganz langsam und
zögerlich schreitet ein junger Bursche mit seinen Freunden im
Schlepptau zu mir. Ich komm mir vor wie in einem Western: die Musik
dreht dramatisch auf, die Bande schreitet bedächtig mit großen
Schritten und Händen in der Tasche auf einen zu, und wenn die Kamera
auf den Blick des Alphatierchens lenkt, weiß der Zuschauer, ob der
Killer oder der Retter kommt.
..ob er mal schauen
dürfe....
???...???
...oder die arbeitenden. |
Normalerweise wird direkt
haptischer Kontakt zu den verführerischen Knöpfen der Armatur
aufgenommen. Der hier fragt höflich - Anscheinend kommt der Retter.
Mein Blick wandert zum
Hotelmanager, der mich jetzt schon zweimal vor zu engem Kontakt zu
Local-People gewarnt hat. Er sieht definitiv den Killer kommen, ich
merks genau, kümmer mich aber nicht.
Und während ich meinem
Retter das Problem erkläre und seine Kumpel beteuern, dass er ein
echt guter Mechaniker ist, fischt er schon die Schraube heraus.
Ich freu mich, seh aber
direkt das nächste Problem, weil mir genau dieser Thorx-Schlüssel
schon seit Monaten fehlt. Wie oft hab ich nach dem Werkzeug gesucht,
war aber nie bereit, den ganzen Satz zu kaufen. Wegen dieser Schraube
war ich in Pune in einer Werkstatt und die Schwächlinge konnten die
Schraube mit nem Schlagschrauber nicht fest genug anziehen. Pune ist
erst 2000 km her.
Aber mein neuer Freund,
Lakki, hat natürlich eine Werkstatt, in die er mich entführt.
Schlepper! Geldmacher. Ich zöger zwar, seh aber andererseits eine
reelle Chance auf Erfolg und zieh mit meinem jungen Cowboy ab.
Sein Freund in der
Werkstatt hat dieses Tool nicht, aber einen Scooter, mit dem mich
Lakki durch halb Varanasi fährt, einfach so. Ich verspreche ihm vom
Soziussitz aus, dass ich ihm den Sprit für meine die Tour zahle,
aber er winkt nur ab. Immer weiter geht es, bis wir jemanden aus dem
Schlaf wecken, der mir tatsächlich -wohl noch in Trance- ein
Einzelstück verkauft.
Ich fühle Dankbarkeit in
mir aufsteigen. Bescheidenheit bei einem Inder in Varanasi? Kaum zu
glauben.
Und Hunger spüre ich
auch - schließlich ist es mittlerweile drei Uhr.
Mein Schraubenengel fährt
mich in eine Dharba und bestellt Thali – für mich.
„You don´t like – I
invite you.“ füge ich noch hinzu.
„No thanx.“ Meine
Standardantwort bescheiden aus seinem Mund.
Ich hasse es allein zu
essen und geh posthum zum Kellner und bestell Thali – für ihn.
und endilch ein bild, was zum text passt |
Fünfzig Cent für ein
Gericht. Wenn er es wegschmeißt – soll er.
„You already had
lunch?“, frage ich ihn.
„No.“
„But a big breakfast?“
„Just milk madam.“
„F..., why don´t you
want to eat?“
Schulterzucken.
Er haut rein. Er
schaufelt. Und er bestellt nach, und nach (das ist im Preis
inbegriffen).
Welche Welt ist das hier.
Nach zwei Tagen, an denen jede Begegnung mit latenter Abzocke
verbunden ist, dieser bescheidene Kerl.
Ich erfahre, dass er
eigentlich Boottouren für seinen Onkel fährt um seine Familie zu
unterstützen, dass sein Onkel ein Halsabschneider ist und dass er um
vier wieder arbeiten muss.
Also los.
Aber unterwegs möchte er
mir noch sein zuhause zeigen. Es liegt fast neben meinem Luxushotel
auf dem Weg zum Bootsanleger. Wir biegen in ein kleine enge Gasse.
Menschen hocken auf Mauern und Stufen und schauen mich merkwürdig
an. Links geht es an einer Häuserwand Stufen hinunter.
„It´s small.“
„Ok.“
Ein eiserner Türrahmen
steht offen, die Türwand ist lediglich rostiger Kaninchendraht. Ich
schau hinein.
„It´s very small.“
Irgendwie muss er das nochmal loswerden.
„I dont mind.“
Der Raum ist vielleicht
zehn Quadratmeter groß, hat kein Fenster, kein Licht, und zig Töpfe
stehen an einer Wand aufgestapelt. Die gegenüberliegenden Wand kann
ich wegen der Dunkelheit schon nicht mehr erkennen. Auf dem Boden
sitzt ein Jugendlicher und näht.
„My brother“, erklärt
er.
Wie kann der hier nur was
sehen?
„How many people live
here?“
„Fife, my parents, my
brother, my sister and me.
„?????? - Where do you
sleep?“ - und ich muss an mein Meckern über dreckige Bettwäsche,
schimmelige Wände, Klo aufm Flur und Preise über zwei Euro denken?
„Inside.“
OMG - Ich bin entsetzt,
wie nah hier arm und reich nebeneinander leben. Gestern habe ich mit
einem anderen Zwanzigjährigen abgehangen, der mich zum Tee
eingeladen hat und erzählte, das seine Eltern ein Haus mit dreizehn
Zimmern bewohnen – auch direkt hier um die Ecke.
so hab ich mich gefühlt: sprachlos |
„Wait!“, auf dem Weg
zum Bootsanleger stoppe ich ihn in einem Torbogen. Ich weiß
mittlerweile, dass Agenten der Touristenpolizei überall unterwegs
sind und entweder Schmiergelder kassieren oder sie anschwärzen,
sobald sie sehen, dass Fremde den Einheimischen Geld geben. Das
bedeutet nämlich, dass sie unter der Hand als Guides arbeiten.
Außerdem will ich nicht, dass sein Onkel uns sieht. Die Rupies hab
ich bereits in der Hand.
„I want to pay the
petrol.“
„No thanx“
Idiot!!
„I don´t pay for your
help. I pay the petrol.“ Ich hasse es, mich zu wiederholen. „Help
comes from the heart, I know. But petrol from the station.“ Ich
versuche es weiter, aber er wedelt ab und geht einfach.
„I give it to you
mother!“ mein letzter Versuch.
Aber ich hab die Gasse
nicht mehr gefunden.
Ich hab ihn auch abends
nicht am Bootssteg getroffen, obwohl ich mehrfach nach ihm gesucht
hab und wir grob für sieben verabredet waren.
Ich hab ihn auch am
nächsten morgen nicht an dem Shop gesehen, an dem er angeblich immer
ab fünf Uhr morgens sitzt.
Ich hab ihn auch um
sieben Uhr morgens nicht am Bootssteg gesehen, wo er auf seine ersten
Kunden wartet.
Aber in meine Herzen seh
ich ihn noch als den, der die Ehre Varanasis hochgehalten hat. Einer,
der keine Schraube locker hat.
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