Samstag, 5. Januar 2013

SchraubelockeR

bilder....
Varanasi empfängt mich mit Verkehrschaos, wie es normal ist für acht Uhr abends in der  Dunkelheit. In Indien erwachen die Städte dann erst so richtig. Und ich, immerhin seit drei Monaten in diesem Chaostreiben gefangen, schaffe es immer wieder den allabendlichen Blechlawinenamok mit meiner Ankunft zu unterstützen. Varanasi hat aber zudem noch gepflasterte Hauptstraßen zu bieten, deren Pflastersteine abwechslungsreich immer mal über mehrere Meter ausgebrochen, mit Sand oder Teerbrocken vermischt eine fahrerische Herausforderung ergeben.
Ich könnt kotzen.
Stattdessen halte ich aber erstmal am Rand, atme einmal tief Nikotin ein und üblicherweise müsste jetzt mindestens ein hilfsbereiter Inder auf mich zugelaufen kommen.... aaah, da isser.
„You looking for Mam?“
...vom wegesrand...
Aha – der Sprache leidlich mächtig ist dies bestimmt einer dieser Hotel-Schlepper. Ich zücke meinen Reiseführer, fest willens mich nicht abschleppen zu lassen: „Please...show me, where I am.“
Er erklärt mir den Plan, meinen Standort und zeigt mir den Weg in die Altstadt, warnt mich noch vor den Gassen und...
„You want to go...?“, der Bärtige bleibt hartnäckig, aber ich bin gewappnet, will ich ja schließlich den Weg finden und zeige auf das billigste Guesthouse, was ich bereits markiert hatte.
...sind schöner...

„Oh no no no...“, auch darauf bin ich vorbereitet, jetzt kommt die Story, dass das Hotel abgebrannt ist. „...you can´t go there with the bike. Too small the road.“ Darauf bin ich nicht vorbereitet. Vielleicht hat er ja recht. Ich grübel.
„I show you a guesthouse“, unterbricht er mich beim Denken.
„I dont want to pay too much. I´ll find one.“
„No no no no expensive. Give me 100 Rupie and I´ll show you three, you can choose.
Eigentich eine gute Sache, aber ich bin jetzt auf meinem `das mach ich alleine trip´ und winke daher ab.
„First I look for my guesthose, thank U“, und ich packe ein.
Aber irgendwie hat er recht. Ich lass mich immer gern zu einem Hotel bringen indem ich einer Rikshaw hinterherfahre. Das ist das entspannteste. Was hab ich heute? Ich sitze seit knapp 13 Stunden auf der Dicken und muss nun wirklich nicht mir selbst gegenüber eine dämliche Sturheit an den Tag legen.
...als verkehrschaos!
„Ok“,ich dreh mich wieder zu dem ´Ab´-Schlepper, „show me our guesthouses, I give you the 100 Rupie“, ich feilsche noch nicht mal mehr.
„200“
„HÄÄÄÄ???“
„I don´t show U“
„Du hast den Arsch auf!“, kann ich leider nicht auf Englisch – ich werd´s demnächst mal googeln, das flucht sich bestimmt herrlich, aber ich versuche die Botschaft mit meinem Blick rüber zu bringen, schwing mich in den Sattel und gebe Gas. Vollgas!! Das ist kindisch, tut mir aber gut. So. Ich bild mir ein ich übertrage die Verachtung, die ich spüre.
Die ham ne Schraube locker – der Tourismus hat die Leute versaut.

Ich muss in den Gegenverkehr, das hab ich immerhin noch rausbekommen und ich schwitze schon bei dem Gedanken daran. Jede Richtung ist ein mehrspuriges Gewimmel aus hupenden, drängelnden Mofas, Rikshaws, Taxis, Händlerkarren und anderem Kleinvieh. Die Fahrbahnen sind immerhin durch eine mittlere Plastikbarrikade in ihre Richtung gewiesen. Diese Barrikade weist allerdings immer hilfreiche Lücken auf, durch die sich alles drängt, was die Spur wechseln möchte, ohne bis zum nächsten offiziellen U-Turn zu fahren. An den Stellen ist dann das Chaos perfekt, weil man von der schnellen Überholspur in kürzester Zeit auf Stand runterbremsen muss, um dann sofort aus dem Stand in einer 180 Grad Kehre auf der Überholspur des Gegenverkehrs zu landen.
Indien Roulette.
Aber es klappt.
Fast. Irgendwas blockiert meinen Lenkereinschlag. Ich krieg die Kurve nicht, so wie ich will. Lenken – lenken – ich taumel, ich schwitze noch mehr... und ich kreuze alle drei Spuren und schaff es mit Ach und Krach nicht in die parkenden Rikshaws zu lenken, weil die anderen aufgepasst haben und sich wie Wsser um Öl zur Seite gewunden haben, um sich anschließend wieder hinter mir zu schließen und mich in den Flow aufzunehmen. Ich atme auf. Danke. Jetzt bloß nicht halten und wieder den Verkehr irritieren. Das hat geklappt und ich grübel. Ich hatte das gleiche Problem vor ein paar Stunden, als ich rechts rum vor dem Obststand über die Straße gewendet habe. Da dachte ich zuerst, jemand hält mich fest...
Jetzt wird aber nicht gedacht, ich beschließe einfach enge Kurven und Gassen zu vermeiden. Pah. Und so halte gerade vor den nächsten jung und unschuldig aussehenden Männern in Uniform. „Studenten im Pulk“, denke ich, „werden keine Hotelschlepper sein“ und ich hab recht. Sie erklären ausführlich und schicken mich weiter in Richtung Guesthouseviertel.
Geht doch.
Mein nächster Stopp ist bei einem Ladenbesitzer – er kann auch kein Schlepper sein. Ich warten geduldig, bis er seine Arbeitsplatte mit Sekundenkleber auf den Unterschränken für die Ewigkeit fixiert hat, um eine commissionfreie Auskunft zu bekommen.
Geht doch.
Und dann kommt der Kreisverkehr. Rechts sagte er, aber rechts ist nun wirklich eine sehr kleine Gasse. Ich stoppe mitten im Kreisverkehr. Der große Typ wirkt etwas desorientiert und dämlich, aber ist der einzige, den ich mit einer Vollbremsung im Kreisverkehr erreichen kann. Und der ist bestimmt auch kein Schlepper, hier umkreist von vier Spuren hupender Blechlawine.
Geht bestimmt auch.
„Where is the area with the guesthouses please. Straight or right“
„Follow. I show you.“
Schlepper??
„No no no, I dont want to pay. I just want to know.“
„No pay. I go there, I live there. But drive slow, I have to walk.“
Und schon hab ich irgendwie unterschrieben.
Er geht rechts. Und links und links und rechts und..... irgendwann ist er zu Fuß doppelt so schnell wie ich. Die Gassen sind eng - sehr eng und mir vergeht der Spaß. Gottseidank ist der Boden ist an den Seiten abfallend, damit die Gülle besser abfließt, das bringt Abwechslung beim Bremsen, weil ich den Boden mit den Füßen kaum noch erreiche. Zudem liegen die Seiten voll Unrat vom Tagesgeschäft und es mischen sich verwesende Gemüseabfälle mit Kuhdung zu einer schmierigen Paste auf der ich ausrutsche, wenn ich dann doch mal den Boden erreiche. Zwischendrin liegen Plastiktüten die als Fußangeln dienen. Eine spannende neue Erfahrung für die letzten Tage in Indien. Aber schnell merke ich, dass ein Wegrutschen der Fuhre auch egal wäre, denn die eng stehenden Wände fangen mich an den Seitenkoffern auf. Indish Roulette – einen Tod musst du sterben.
Der hat nicht nur ne Schraube locker – der spinnt komplett.
„Hey Sir!“, er ist kaum noch auszumachen zwischen dem Fußvolk, aber er bleibt stehn, „What the fuck is that? I cant go there.“
„No problem. You can. Only two Minutes.“
Er dreht sich um und geht und ich gebe Gas. Vorsichtig. Ausweichen, Loch. Füßeln. Kuhscheiße.
Ich rutsch aus, aber alles `no problem`, die Koffer knallen gegen die Hauswand und halten mich fest.
„Bullshit“, brülle ich ihn an aber er ist schon wieder zu weit vor und mir kommen die gleich die Tränen. Noch nicht mal ein Ziel für meine Wut ist in akustischer Reichweite. Nach dreizehn Stunden Fahrt, die letzten Stunden über SchrottKackDrecksWege hab ich das echt nicht verdient.
„Fuck“ und nochmal. Fluchen tut gut und ich zeige auf ein Rad, das mir den Weg versperrt.
Der ist nicht nur ein Schlepper, der ist wahnsinnig. Und in meiner Phantasie sehe ich den Wahn auch schon aus seinen Augen sprühen, als er ohne die Miene zu verziehen ein Rad auf eine Fensterbank heben lässt, damit ich passieren kann.
Hier dreh ich nicht einfach um! Nein, hier bin ich gefangen im Irrgarten von Varanasis Altstadt einen Irren als Wegweiser in den Untergang. Wahrscheinlich erst zum Ausraub- und dann direkt zum Verbrennungsghat.
Die Passanten betrachten mich zwischen Verachtung und Belustigung, ich versuche zu lächeln aber innerlich fluche ich über meine Naivität in letzter Sekunde. Einzelne hüpfen schnell in Hauseingänge, wenn ich komme, Kinder werden zur Seite gerissen, ein Roller verschoben.
„What the hell is going on! Two minutes are gone!“, ich kill den Typ, wenn wir da sind. Meine Arme schmerzen, sie fühlen sich an, wie nach Stunden Endurorennen, meine Beine zittern, denn Anspannung gegen das Ausrutschen auf Scheiße ist zur Standardübung geworden.
„No problem, one minute.“
Ich hasse ihn.
Als ob ich dieses Hotel, wo immer ich auch lande, heute nochmal verlasse! Die Masche ist gut und ich kleb dran wie eine Fliege am Fänger, zappelnd, fluchend aber total hilflos. Wissend, ich bin dem Schicksal ausgeliefert.
von meinem balkon
Ein Hof. Mitten in diesem Gewimmel von Gassen öffnet sich ein Tor. Mit lachenden Gesichtern werde ich begrüßt. Ein Dutzend helfende Hände sind parat die parkenden Mopeds eifrig zur Seite zu stellen, vor Kopf ist der Eingang eines Tempels – Heiligkeit kann nicht schaden bei meiner Laune, links der Hoteleingang, sauber, beleuchtet, mit Blumen davor, der Manager kommt mir entgegen, als hätte er nur auf mich gewartet... Das war also das Telefonat eben...
Ich vergesse zu schimpfen, so willkommen fühl ich mich. Vielleicht ist es aber auch nur das Glück angekommen zu sein. Ich handel den Preis zwar noch etwas runter, aber wir wissen beide, dass ich meinen Arsch hier und heute nicht mehr wegbewege, zumal meine Argusaugen die erste saubere Bettwäsche in Indien erspäht haben.
Luft holen!
Ich esse im Hotel und setze keinen Fuß mehr vor die Tür. Heute schleppt mich hier keiner mehr ab und morgen hab ich dann weder Energie mich zu wehren.

zum glück gibts am ganges nicht nur schlepper..
„Coffee – Chai“
Ich bin am morgen fünf Meter aus dem Hotel raus. „No, thanx“
„Boattrip - very cheap“
Ich bin zehn Meter gegangen und noch nicht unten am Ganges. „No, thanx“
„Boattrip – very cheap“
Ancheinend ist Boattrip hier der Tourirenner. Muss ich das machen? „No, thanx“
„Boattrip – very cheap“
„F***no thanx!!!“
„Boattrip – only 100 Rupies for you. Alone madam?“
...sondern auch wartende...
„Fu***“ Ich wende den Kopf und schau in ein etwas trauriges Lächeln. Hundert Rupies für eine Stunde allein ohne eine Horde Knipssüchtiger Touristen – ich werde wach. Wir tauschen ein paar Worte, ich mach ein Foto von dem Jungen, damit ich ihn in der unüberschaubare Masse an Boat-Trip-Anbietern am Abend auch wiederfinde und ich bummel weiter.

...die tiefenentspannten...

...die frustrierten...
Meine Laune bessert sich nur schleppend, denn eine erschreckende Menge an Menschen stürzt auf mich ein und bietet Dienstleistungen an. Das fängt bei Boattrips an, geht über Massage und Handlesen bis hin zu Tourguides und Fotografen. Dazwischen all die Händler mit Ketten, Schals und Räucherstäbchen. Wie viele Trickberüger dazwischen sind kann ich nicht beurteilen, aber der „volunteer“ am Verbrennungsghat hat mir Geld entlockt, ein netter junger Mann, der mich eine Stunde begleitet und sogar zum Tee eingeladen hat, wollte mir am Schluss Ayuverda andrehen, der Kellner erschnorrt sich sein Trinkgeld in Zigarettenform und mit meinem Bootfahrer bin ich abends noch so aneinandergeraten, dass er die Länge der Tour nahezu verdoppelt und mich noch zum Spaghetti auf dem Kahn eingeladen hat.

...die beschäftigten...
Daher beschließe ich am nächsten Morgen ganz einfach nur den Fehler beim Lenkereinschlag an meinem Moped zu suchen. Ich mit ein paar Schrauben allein...herrlich...
… aber eine Utopie. Die Hotelbelegschaft schaut zu, einige Anwohner und ein paar Zaungäste hab ich auch. Immerhin wollen die keine Kohle von mir. Und der Stärkste von allen, den ich mit einem bestimmenden Lächeln dazu überredet habe mein Moped hinten zu belasten, will hoffentlich auch kein Bakshish.
Ich schraube die Plastiks ab, und die Zuschauer kommen fasziniert näher.
...die musischen...
Aber das Lenkerstoppen ist kein loses Plastikteil. Ich suche ratlos. Drehe den Lenker hin und her, fachsimpel mit dem kleinwüchsigen, stotternden Hotelmanager, der mir versucht mit Mopedgeschichten seiner wilden jungen Jahre zu imponieren, während ich Ursachenforschung am Moped betreibe und Dickbauch stetig das Hinterrad belastet.
Da.
Nicht nur die Schlepper haben hier eine Schraube locker
Ich seh sie genau: eine von den zwei Schrauben von der Cocpithalterung hat sich losvibriert und ist auf die Gabelbrücke gefallen, wo sie nun lustig eingeklemmt rumhopst und beim Lenkereinschlag eine Blockade bildet.
Das ist doch in Sekunden erledigt...
...denke ich,...
…aber ich krieg das Miststück nicht raus.
...die meditierenden...
Mein Hinterradballast hat sich verabschiedet, der Manager hat sich in die hintere Reihe zurückgezogen und die Belegschaft ist auch urplötzlich unpässlich.
Da isses wieder: Maul aufreißen und wenn´s drauf ankommt Schwanz ...
Ich reiß die Augen auf ... knarrend öffnet sich das Gatter zum Hof und ganz langsam und zögerlich schreitet ein junger Bursche mit seinen Freunden im Schlepptau zu mir. Ich komm mir vor wie in einem Western: die Musik dreht dramatisch auf, die Bande schreitet bedächtig mit großen Schritten und Händen in der Tasche auf einen zu, und wenn die Kamera auf den Blick des Alphatierchens lenkt, weiß der Zuschauer, ob der Killer oder der Retter kommt.
..ob er mal schauen dürfe....
???...???
...oder die arbeitenden.
Normalerweise wird direkt haptischer Kontakt zu den verführerischen Knöpfen der Armatur aufgenommen. Der hier fragt höflich - Anscheinend kommt der Retter.
Mein Blick wandert zum Hotelmanager, der mich jetzt schon zweimal vor zu engem Kontakt zu Local-People gewarnt hat. Er sieht definitiv den Killer kommen, ich merks genau, kümmer mich aber nicht.
Und während ich meinem Retter das Problem erkläre und seine Kumpel beteuern, dass er ein echt guter Mechaniker ist, fischt er schon die Schraube heraus.
Ich freu mich, seh aber direkt das nächste Problem, weil mir genau dieser Thorx-Schlüssel schon seit Monaten fehlt. Wie oft hab ich nach dem Werkzeug gesucht, war aber nie bereit, den ganzen Satz zu kaufen. Wegen dieser Schraube war ich in Pune in einer Werkstatt und die Schwächlinge konnten die Schraube mit nem Schlagschrauber nicht fest genug anziehen. Pune ist erst 2000 km her.
Aber mein neuer Freund, Lakki, hat natürlich eine Werkstatt, in die er mich entführt. Schlepper! Geldmacher. Ich zöger zwar, seh aber andererseits eine reelle Chance auf Erfolg und zieh mit meinem jungen Cowboy ab.
Sein Freund in der Werkstatt hat dieses Tool nicht, aber einen Scooter, mit dem mich Lakki durch halb Varanasi fährt, einfach so. Ich verspreche ihm vom Soziussitz aus, dass ich ihm den Sprit für meine die Tour zahle, aber er winkt nur ab. Immer weiter geht es, bis wir jemanden aus dem Schlaf wecken, der mir tatsächlich -wohl noch in Trance- ein Einzelstück verkauft.
Ich fühle Dankbarkeit in mir aufsteigen. Bescheidenheit bei einem Inder in Varanasi? Kaum zu glauben.
Und Hunger spüre ich auch - schließlich ist es mittlerweile drei Uhr.
Mein Schraubenengel fährt mich in eine Dharba und bestellt Thali – für mich.
„You don´t like – I invite you.“ füge ich noch hinzu.
„No thanx.“ Meine Standardantwort bescheiden aus seinem Mund.
Ich hasse es allein zu essen und geh posthum zum Kellner und bestell Thali – für ihn.
und endilch ein bild, was zum text passt
Fünfzig Cent für ein Gericht. Wenn er es wegschmeißt – soll er.
„You already had lunch?“, frage ich ihn.
„No.“
„But a big breakfast?“
„Just milk madam.“
„F..., why don´t you want to eat?“
Schulterzucken.
Er haut rein. Er schaufelt. Und er bestellt nach, und nach (das ist im Preis inbegriffen).
Welche Welt ist das hier. Nach zwei Tagen, an denen jede Begegnung mit latenter Abzocke verbunden ist, dieser bescheidene Kerl.
Ich erfahre, dass er eigentlich Boottouren für seinen Onkel fährt um seine Familie zu unterstützen, dass sein Onkel ein Halsabschneider ist und dass er um vier wieder arbeiten muss.
Also los.
Aber unterwegs möchte er mir noch sein zuhause zeigen. Es liegt fast neben meinem Luxushotel auf dem Weg zum Bootsanleger. Wir biegen in ein kleine enge Gasse. Menschen hocken auf Mauern und Stufen und schauen mich merkwürdig an. Links geht es an einer Häuserwand Stufen hinunter.
„It´s small.“
„Ok.“
Ein eiserner Türrahmen steht offen, die Türwand ist lediglich rostiger Kaninchendraht. Ich schau hinein.
„It´s very small.“ Irgendwie muss er das nochmal loswerden.
„I dont mind.“
Der Raum ist vielleicht zehn Quadratmeter groß, hat kein Fenster, kein Licht, und zig Töpfe stehen an einer Wand aufgestapelt. Die gegenüberliegenden Wand kann ich wegen der Dunkelheit schon nicht mehr erkennen. Auf dem Boden sitzt ein Jugendlicher und näht.
„My brother“, erklärt er.
Wie kann der hier nur was sehen?
„How many people live here?“
„Fife, my parents, my brother, my sister and me.
„?????? - Where do you sleep?“ - und ich muss an mein Meckern über dreckige Bettwäsche, schimmelige Wände, Klo aufm Flur und Preise über zwei Euro denken?
„Inside.“
OMG - Ich bin entsetzt, wie nah hier arm und reich nebeneinander leben. Gestern habe ich mit einem anderen Zwanzigjährigen abgehangen, der mich zum Tee eingeladen hat und erzählte, das seine Eltern ein Haus mit dreizehn Zimmern bewohnen – auch direkt hier um die Ecke.
so hab ich mich gefühlt: sprachlos
„Wait!“, auf dem Weg zum Bootsanleger stoppe ich ihn in einem Torbogen. Ich weiß mittlerweile, dass Agenten der Touristenpolizei überall unterwegs sind und entweder Schmiergelder kassieren oder sie anschwärzen, sobald sie sehen, dass Fremde den Einheimischen Geld geben. Das bedeutet nämlich, dass sie unter der Hand als Guides arbeiten. Außerdem will ich nicht, dass sein Onkel uns sieht. Die Rupies hab ich bereits in der Hand.
„I want to pay the petrol.“
„No thanx“
Idiot!!
„I don´t pay for your help. I pay the petrol.“ Ich hasse es, mich zu wiederholen. „Help comes from the heart, I know. But petrol from the station.“ Ich versuche es weiter, aber er wedelt ab und geht einfach.
„I give it to you mother!“ mein letzter Versuch.
Aber ich hab die Gasse nicht mehr gefunden.
Ich hab ihn auch abends nicht am Bootssteg getroffen, obwohl ich mehrfach nach ihm gesucht hab und wir grob für sieben verabredet waren.
Ich hab ihn auch am nächsten morgen nicht an dem Shop gesehen, an dem er angeblich immer ab fünf Uhr morgens sitzt.
Ich hab ihn auch um sieben Uhr morgens nicht am Bootssteg gesehen, wo er auf seine ersten Kunden wartet.
Aber in meine Herzen seh ich ihn noch als den, der die Ehre Varanasis hochgehalten hat. Einer, der keine Schraube locker hat.



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