Samstag, 5. Januar 2013

NeplswüstE

meine schuhe in reparatur
Gebucht hatten wir Sunrise mit Gipfelpanorama auf die Anapurnarunde. Wir haben uns im Hotel kennengelernt: Carina, eine RussischDeutsche mit ihrem französischn Freund Yvon, die sich vor neun Monaten in Australien kennengelernt haben. 
Dessen Freund Maxime, der die beiden für zwei Wochen besucht. Alle drei sind Anfang zwanzig und die Jungs Sportstudenten. Daneben glänze ich, die seit vier Monaten außer AlibiYoga am Strand, nichts sportlicheres als Gasgriffdrehen und Zigarettenstemmen trainiert hat. Für den Sunrise sind wir zwei harte Tage gewandert, weil wir die Runde in drei, statt wie in den üblichen vier Tagen schaffen wollten.

 Daher wartete nicht nur mehr Strecke am Tag auf uns, sondern wir mussten auch gegen den Uhrzeigersinn, und somit gegen das Gefälle laufen. Es ging nahezu permanent bergauf über Stufen, die von den Bergbewohnern angelegt sind und als Verbindung zwischen den Orten dienen. Die Lunge hat gebrannt, das Thema „nie wieder rauchen“ wurde latent wahrgenommen und bei jeder Pause von allen zur Seite geschoben. 
Zwischendurch hab ich den Gruppenzwang verflucht, der mich verpflichtet weiter zu gehen nur um Sunrise zu sehen und die Gruppendynamik verehrt, die mich mitzieht. Es war so kalt, dass wir nur in kompletter Wandermontur, zwischen Mützen und Schals nur ein Spalt vor dem Mund zur Nahrungaufnahme gelassen, unser Dinner einnehmen konnten. 
Bekloppt eigentlich.
Sunrise auf dem Poon Hill...

Es ist morgens um sechs Uhr. Es schneit, als wir auf 3200 m ankommen. Zudem ist es schweinkalt und die Auswirkungen asiatischer Massenveranstaltungen haben uns wieder eingeholt: Trotz Nebensaison ist der Pfad zum Gipfel von der Menschenkette nahzu nahtlos in Petzls Flutlicht getaucht, so dass ich meine verlorene Kopflampe gar nicht vermisse. So hab ich mir das nicht vorgestellt. Etwas sehnsüchtig denke ich an den Ararat.
Für ein Gipfelbild vor dem Schild müssen wir wir so lange die schlitzäugige Arroganz erdulden, dass mir der Geduldsfaden reißt: ich drücke meine Kamera unserem hilflosen Tourguide in die Hand, zerre mein Französisch-Deutsches-Gipfelteam vor die japanische Fröhlichkeit und wir binnen drei Sekunden können wir das Tal zum Frühstück stürmen.
Geht doch.
Nach dem Frühstück solls zurück nach Pokhara gehen.
Ich grübel...
...eigentlich schon seit Tagen.
Zu gern würd ich weiter nach Norden in die „Wüste Nepals“, aber mir macht der Schnee Sorgen... Wäsche hab ich nur für drei Tage und Geld auch... Der Akku meines Apparates ist fast leer...Was ist, wenn was passiert...
Andererseits:
Als wir zum Frühstück in Ghorepur einlaufen, hat es aufgehört zu schneien und die Wege sind nun wirklich offensichtlich... die Unterwäsche muss halt ein paar Tage länger halten und in Muktinath gibt’s angeblich einen ATM... Nur wegen ein paar Fotos zurückfahren und nochmal Eintritt in den Nationalpark zahlen??... und was soll passieren... pah???
Ich geh allein weiter.
Ich bin zwar ein wenig traurig, als die anderen abziehen, weil wir einfach ein klasse Team waren, aber ich erwisch mich beim Liedchenträllern, als ich aufbreche.
Der sympathische Ort riecht nach verbranntem Holz und der Schnee dämpft jegliche Geräusche. Mein Blick wandert in die Ferne und ich sehe die ersten blauen Himmelsstücke zwischen der Wolkenmasse auftauchen.
blick von tatopani
Lächeln! Auf in die Wüste. Hab ich doch wieder alles richtig gemacht.
„Wrong!“
Ich schrecke aus den Gedanken.
„Wrong way“, brüllt mich ein fröhliches Gesicht unter Bergen von Gepäck auf dem Rücken an: „this is a buffalo´s way.“
Ich schau mich um.
Soll ich mich jetzt verarscht fühlen, ist doch eindeutig...
...„Konzentration“, mahne ich mich. Bin ich doch verträumt einfach dem ausgetreteneren Weg gefolgt, weil der noch nicht benutzte Wanderweg im Schneeeinfach unerkennbar ist.
weg zu einer der heißen quellen in tatopani
Von da an passe ich auf, aber schon nach einer Stunde verschwindet die weiße Sanftheit, die Landschaft strahlt in warmen Farben über die Berge, die Sonne strahlt zeitweise hervor und machmal blitzen die weißen kargen Gifel der sechstausender durch die Wolken.
Es geht beständig sanft bergab und ich trab einfach so vor mich hin, begeistert von der Natur, den kleinen Ortschaften, dem Wetter, meiner Entscheidung und dem Gefühl allein zu sein.
Aber Allein reisen heißt mehr Kontakt als zu zweit zu haben.
In Tatopani übernachte ich – so war das geplant und beim Dinner in einem schäbigen Local Resto mit wirklich schlechtem Thali, setzt sich ein Australier zu mir, läd mich zu einem oder zwei Bier ein und wir quatschen uns fuselig. Am nächsten Morgen genieße ich unendlich die Wärme der Heißen Quelle in Ufernähe, mit Blick auf den schneebedeckten N..., der zwischen den Bergen hevorlugt. „Hey Kirsten, I have to leave have a nice trip“, brüllt mir der Australier vom Weg entgegen - scheiße ich bin zu spät, wir wollten zusammen frühstücken. Egal. Mach ich das eben mit dem Niederländer von gestern, der zeitgleich in dem Resto zum Frühstücken auftaucht, heißen Kaffee, Masala-Omlette und frisch gepresste O-Saft bestellt. Und als ich um neun an der Bushaltestelle einlaufe, Abfahrt des Busses ist so-ungefähr-zwischen-neun-und -und-zehn und dieser glatt an mir vorbeifährt, weil ich nicht wild mit den Armen Stoppsignale gegeben habe, ist das auch egal, denn ich hab mich mit einem Traveller festgequatscht, der seit Jahren mit seinem Bulli und seinem Hund durch den Asiatischen Raum reise, mir von Schießereien im Iran erzählt, zeigt wie er seinen Hund danach selber wieder zusammenflicken musste, von korrupten Indischen Zollbamten, kriminellen Banden in Kashmir, Autopannen, schlechten Straßen... hab ich ein Glück.
Der nächste Bus kommt so gegen elf und den passe ich wild fuchtelnd, schreiend, laufend ab, und er nimmt mich mit. Lazy living - so macht das Spaß.
Aber nicht auf der hintersten Bank im Bus. Wer das einmal mitgemacht hat weiß, warum die hinterste Reihe leer ist und sich vorne freiwillig vier Mann zwei Sitze mit einem Sack Reis teilen. Binnen Minuten schaffen es die durchgenudelten Blattfedern meinen Kopf mit Beulen zu übersähen und meinen Rucksack quer durch den Gang zu schießen. Ich bin fast dankbar, dass der erste Bus vorbeigefahren ist, denn der hätte mein noch nicht verdautes Frühstück ohne Probleme dem Fahrer ins Genick geschleudert. Ich setzt mich zwischen zwei Sitze, stemme meine Füße gegen die Sitzstreben beim Vordermann, drücke die Wirbbelsäule zwischen die Rückenlehnen und beschließe die Busfahrt als Multifunktion von Muskelaufbau, Rückenmassage mit angeschlossenem Reality-Action zu betrachten. Denn wenn sich rechts neben einem der Abgrund auftut und die Menschenkonserve sich dank im Weg liegender Felsbrocken beängstigend dem Schlund entgegen neigt, darf einem mal die Spucke wegbleiben ...
Das Kalli Galdhakki ist ein wunderschönes Tal und je weiter sich der Bus nach Norden hochackert, deto karger und berauschender wird die Landschaft. Ein Stopp auf halber Strecke lässt mich bei der Zigarette abseits der Mitreisenden staunen: Nicht verstaubte, abgerupften Brennesseln säumen den Wegesrand: Hanf, seiner ergiebigen Ausbeute beraubt kümmert dort unschuldig vor sich hin. Und bei der Weiterreise bemerke ich bushohe Pflanzen, die ich während der Fahrt aus dem Fenster hätte ernten können. Die Idee hatten aber bestimmt schon andere.
„Toll. Scheißbusverkackter, der mich heut morgen stehen gelassen hat.“ Ich geh an die Decke. Steh ich in eisiger Kälte in Jomsom und uninteressiert teilen mir teilnahmslose Gesichter mit, das heute kein Jeep mehr nach Muktinath geht.
FRAGZEICHEN.
Wir haben vier Uhr. Was soll ich verdammt nochmal in diesem Nest, ohne Geld, ohne Laptop oder Buch machen?
NOCH MEHR FRAGEZEICHEN.
Ohne Strom, ohne Heizung, ohne Ladegerät für den Fotoapparat.
Eine innere Wüste tut sich auf.
Es wird ein Kampf mit mir selbst so ohne Beschäftigung.
Sollte das denn nun wirklich sein?
Ich schaue den Kindern beim Spielen zu und opfere Reststrom für ein Foto, um das Lachen einzufangen, mit dem sie auf einem Stofftier reitend die Straße mit Fröhlichkeit versorgen.Vorsicht mit dem Akku.
Ich schlender um den Block aber dieser Teil des Ortes ist trostlos.
Ich überlege gar, ob ich zu dem anderen Ortsteil am Flughafen laufe, dort hab ich einen ATM gesehen, aber der Weg in der Dunkelheit ist mir zu kalt und zu weit und für heute und morgen den Jeep recht die Kohle.
Ich bestell mir Cowmen zum Dinner, mit Abstand das preiswerteste Gericht aber auch das geschmackloseste Nudelgepansch, was ich je gegessen hab. Aber heute ist mir das egal, es ist billig, warm und sättigend und morgen gibt’s Yaksteak mit Bier - koste es was es wolle.
…. wrong....
Welcher Arsch hat mir eigentlich gesagt, dass es hier einen ATM gibt!!!
Ich laufe Mittags in Muktinath auf checke im wärmstends empfohlenen Bob-Marly-Guesthouse ein: „I stay two nights. But first I need an ATM - where is it?“
„No ATM.“
Ich reiß die Augen auf.
„No, we don´t have ATM.
Schweißausbrüche und Schwindel. Das glaub ich jetzt nicht: „I only have fivehunderet Rupies left.“
Lüge, ich hab sechshundert und fünf Dollar überschlage ich schnell.
„ATM only in Johmsom.“
Scheiße – war ich gestern zu faul dahin zu gehen??
„Western Union? Bank? Can I pay with credit card? Money excange with credit card? Online banking?“ Mein Hirn sucht in Blitzgeschwindeigkeit nach Umleitungen,
Nichts.
Ich rechne durch: Zimmer einhundert Rupies, billigstes Dinner, billigstes Frühstück, Wasser aus der lokalen Quelle am Dorfplatz, dann komm ich mit +/-Null in Jomsom an. Dann MUSS der ATM aber auch funktionieren, sonst hab ich ein Problem.
Komischerweise ziehe ich aber auch nicht in Betracht meinen geplanten Abstieg einfach sofort zu beginnen. Es wäre entweder ein vorverlegtes Desaster, oder eine vorgezogene Lösung. Das mögliche Desaster kann ruhig einen Tag warten und eine mögliche Lösung am selben Tag würde mich einen schönen Tages in Muktinath berauben – wenn ich schon nicht die geplanten zwei oder drei Tage bleiben kann, dann wenigstens den einen.
Also verordne ich mir erstmal mentale Enspannung, was mir bekanntlich nicht leicht fällt. Kurzentschlossen nehme ich outgesourcte Hilfe an, wander in Zeitlupe zum Tempel auf dem Berg, schicke von dort unaufällig ein Stoßgebet zu einem Gott mit Migrationshintergrund - Rama die gute Seele wird mir das vergönnen, und ich stecke sogar erstmalig in meinem Leben zehn Rupies als Opfergabe in die Donationbox – das ist viel wenn man nichts hat.
Na, wenn das nicht hilft.
Und dann suche ich die kleine Monastry, die eine Australierin mir im Dorf empfohlen hat. Ich kaxel auf dem Fels herum, folge Irrwegen zu unendlich vielen Stupas, marschier einmal um das Tempelgelände - ich kann nichts finden. Dreimal beschließe ich, dass ich jetzt gehe, um im Ort nach finanzieller Lösung zu suchen und etwas billiges Nahrhaftes aufzutreiben, denn mein Magen knurrt um drei Uhr empfindlich laut - sieben Stunden ist mein Dhal, ein Schälchen Linsensuppe, her und mein Wasser ist auch bald aufgetrunken. Aber dreimal dreh ich um und suche weiter nach diesem Ort. Ich weiß nicht warum.
Rauch. Ein Stück weiter vorne steigt er auf und ich folge dem Zeichen.
Ein ordentlicher Haufen Steine bildet den Rest einer kniehohen Wand, knapp dahinter stützt eine mannshohe Wand den Berg und gibt dem offensichtlich eingestürztesn Steindach, was den Teppich dazwischen darstellen könnte, die letzte Ahnung von Wohnlichkeit.
„Come, come!“ werde ich hergerufen. Herzliche Augen mit langen Wimpern und ein strahlendes Lachen umrahmt von einem Bart winkt mich rüber. Arme, die in einem viel zu großen oft geflickten Wolljacket stecken gestikulieren mich zu ihm. Ein dreckiges Tuch locker als Turban um den Kopf geschlungen, ein weiteres dreckiges Tuch um die Hüfte gewickelt und eine handvoll Ketten um den Hals umrahmen das einladende Gesicht.
„Come, sit down.“
„Why not“, denk ich, was hab ich schon außer Zeit.
Und schon streicht er auf der eingestürzten Wand, die als Sitz, Arbeitsplatte, Ofengestell und Spüle dient eine weiteres dreckiges Tuch glatt und bittet mich Platz zu nehmen.
Er spricht einigermaßen Englisch, beherrscht die Höflichkeitsformeln und hat ein bildhübsches Gesicht – was macht der Kerl hier??
Ein krankes Husten und ein Zischen durch die Zähne, was Frieren hörbar macht, kommt aus der anderen Ecke des Acht-Quadratmeter-Wohnimmers-ohne-Wände-und-Dach. Sein Kumpel lacht mich an. Jeder dritte Zahn fehlt. Die halblangen schwarzen Haare stehen wie bei Strubbelpeter in alle Richtungen, um die freundliche Augen sind tausend feudvolle Falten, und er ist mindestens in genauso dreckige Lumpen gehüllt, wie sein Freund.
„Namaste – welcome“
Er kriecht aus einem Loch in der hinteren `echten` Wand und schält sich hustend aus einer dahinter liegenden Höhle. Ich erhebe mich um ihn zu begrüßen und bekomme ein „Sit down, sit down“ und eine Zigarette, als Antwort. Wir rauchen wie alte Bekannte und plaudern in flüssigem Hauptschulenglisch. Fast hab ich das Gefühl, die haben nur auf mich gewartet. Der Alte hustet fürchterlich: „You should stopp smoking – it kills you“, lach ich ihn muttermäßig an. Er lacht mit winkt ab - er versteht Spaß. Herrlich hier oben. Ich vergess meine Finanzrobleme.
Sie erzählen, dass sich schon immer hier draußen leben, aber jetzt kommt der Winter und der wird hart. Das Dach ihres Höhlen-Vorzimmers sei vor kurzem eingestürzt und diese Nacht hatte es geschneit. Die Morgensonne hat den Schnee dann schmelzen lassen und das Schmelzwasser sei durch die Steinritzen in ihre Höhle gelaufen. Und noch während wir qualmen beginnt der Ältere unter fürchterlichem Husten und bibbernd vor Kälte, Steine vom Boden zu suchen. Er versucht die Höhle mit Planen abzudichten, um sie mit Steinen von oben und der Seite zu beschweren und zu schützen. Ich helfe ihm. Blöd rumsitzen ist eh nicht mein Ding und obwohl er mir signalisiert ich soll ´downsitten´, arbeiten wir fröhlich Hand in Hand.
In mir regt sich was … ein Knurren!
Was mukkt denn mein Magen jetzt rum!
Aha!
Neben mir auf der halben Wand glimmt ein Feuer aus Kuhdung, auf dem ein großer Topf steht. Bisher im Schatten seiner Bedeutung rückt dieser Topf in den zentralen Focus: Mein hübscher Freund hat den Deckel abgehoben und eine köstlich duftende, gelb gewürzte Reispfanne sendet optische Botenstoffe an mein Hirn, das posthum akustische Mangelerscheinungen des Magens als Reaktion bekommt. Er rührt den Reis vorsichtig um, legt behutsam den Teller als Deckel wieder drauf und stellt den Topf beiseite.
Eine Erscheinung.
„Chai?“
Der reizt mich doch nicht mit Reis und fragt mich dann ob ich Chai will – saust mir durchs Oberstüchen. Das ist ja wie mit ner Enfield vorfahren und mich dann fragen ob ich Lust hab Rollschuh zu laufen.
„Oh. Yes please.“ Konditionierte Erziehung hat gesiegt – heißen Dank an mein Elternhaus. Heißer Tee ist auch gut, denn ich hab weder noch.
Und mit einer Engelsgeduld, ein Liedchen pfeifend geht er zur nahegelegene Wasserquelle, füllt den Kanister auf, füllt einen kleinen Topf damit, ordnet die Steine um das Feuer neu, damit der kleinere Topf darauf steht, legt Kuhfladen nach und stellt dann den Topf auf den `Herd`. Währenddessen versuchen wir zwei die Höhle wasserfest zu machen und das Ergebnis ist nicht schlecht. Nur noch der Eingang ist frei, aber er erklärt mir, dass er dafür ein Tuch hat.
Ich darf einen Blick in deren Wohnstube werfen. Links öffnet sich eine etwa zwei Quadratmeter großer kindsgroßer Raum, in dem Vorräte stehen. In die Tiefe des Berges dringt eine schlauchförmige Höhle, mit einem Durchmesser kaum größer, als ein HoolaHoopReifen, aber lang für zwei. Hier liege Decken und er erklärt mir, dass es kuschelig warm wird, wenn beide Fuß an Fuß hier liegen. Das glaub ich gerne, obwohl der Alte hustet und röchelt, so dass ich bezweifel, dass die Nächte kuschelig warm sind., Ich hätte jetzt gern meinen Sack Medikamente dabei, um irgendwie helfen zu können ...Idee! Ich krame mein Halstuch aus dem Rucksack, drück es ihm in die Hand und bin wieder Mutter und Lehrerin in einem: „You should wear that“, und ich meine es ernst. Ich hätte ja schwören können, dass er es ablehnt, aber er lächelt sogar dankbar und zieht es sich um Hals und Ohren.
Na, darauf spender ich auch noch ne Runde Zigaretten und überlege nicht unsmaritterlich, dass ich dann nur noch zwei für heute Abend habe.
Wir rücken zusammen im hinteren Teil des Vorhofes, in den die Sonne noch gemütlich scheint und meine Gastgeber zaubern ein Säckchen mit Ganja hervor und beginnen zu bauen. Ich muss schmunzeln, denn wenn die Kerle nichts und noch weniger haben, dann haben sie immer noch Ganja und ein Handy. Is wahr. Fast andächtig wird eine Zigarettenhülle mit dem Gras-Zigarettengemisch gestopft. Hier haben wir Zeit. Keiner hat Termine. Kein Stress. Alltagsdinge, die wir zwischen Tür und Angel unachtsam ins Leben rotzen, bekommen hier einen zeremoniellen Touch und werden zur erfüllenden Tagesaufgabe. Ich werde ruhig und stelle fest, dass ich die kurze Chance bekomme umzudenken: warum bin ich eigentlich gestresst, nur weil ich grad mal ohne Geld hier stehe. In meiner Welt bedeutet das ausgeliefert sein, ausgegrenzt vom gesellschaftlichen Leben vom Überleben. Die Jungs hier fragen nicht nach ATM, oder ob sie heute abend Yaksteak oder Nudelsuppe essen, Sie leben in den Tag und was sie haben teilen sie...
… ich bekomm die Gestopfte gereicht.
Ich reiß die Augen auf: „For me??? - Why do you know?“
Ein seitliches Kopf schief legen, ein Lächeln und ein gereichtes Feuerzeug und während ich genüsslich den ersten Zug nehme und das erste „Danke“ gen Himmel schicke stopfen die Beiden sich ihre Tonpfeife und rauchen mit.
...teilen. Mir geht Sankt Martin durch den Kopf.
Der Chai ist fertig. Genüsslich spült der Junge die Metallbecher während der Alte noch ein paar Kräuter pflückt, die vor der Hütte zwischen den Steinen wuchern und sie mit in den Topf schmeißt. Zucker. „Mmmmmmmmm“, und das liegt nicht an meiner Situation. Das ist mal ein Tee, der mit Liebe und Geschmack zubereitet ist. Würzig, aromatisch, nicht übersüßt und ohne Milch. Ein Traum. Ein zweites „Danke“ fliegt gen Himmel.
Aber nach dem Tee möchte ich mich gerne verabschieden. Ich ahne, dass das Essen aufgetischt wird, aber ich möchte ungern den armen Kerlen ihre Mahlzeit wegessen. So schlimm steht es um mich dann doch nicht und es ist mir äußerst unangenehm mich nicht revangieren zu können. Ich stehe auf, sortiere meine Sachen und erkläre, dass ich jetzt gehe.
„No! Rice finish.“
Jaja – und das duftet und ich würd ja gerne...“Oh, I don´t want to eat your dinner – You need it.“
„No no. Sit down.“ Es werden drei Teller gespült.
Ich gaub ich muss jetzt da durch und irgendwie will ich ja auch. Der Reis ist dunkel gelb, duftet nach angebratenen Zwiebeln und vielen Gewürzen, dampft heiß gegen den kalten blauen Himmel und verspricht eine Wohltat zu werden.
Ein Berg dieser Wunderspeise wandert mir entgegen, davon werd ich bis übermorgen satt.
„Eat!“, und da ich ja jetzt weiß, dass der Gast beginnen muss, lass ich mir das nicht zweimal sagen. Und der schmeckt!!! Ich bemühe mich nicht zu schaufeln und zu schlingen, was schwer fällt bei dem Hunger, dem Genuss und vor allem der Kälte, die viel zu schnell in die Speise dringt. Ich muss an Lakki in Varanasi denken, er wirkte wie ich jetzt fühle und ich genieße jeden Bissen. Ohne Übertreibung ist dies die schmackafteste Nahrung, die ich bisher Nepal bekommen habe.
Drittes Danke nach oben.
sonnenaufgang muktinath
Sankt Martin Modus umgedreht: Da steh ich mit teuer Spiegeleflexkamera, GPS und Multifunktionsklamotten und werd von vier Plastikkarten einfach nicht satt. Aber die Zwei hier, am Rande der Gesellschaft existierend, überleben hier oben grad besser als ich.
„It´s crazy...“, beginne ich, „I dont have money...“, ihre Blicke wandern zu mir „... right now“, füge ich schnell hinzu bevor ich als Idiot abgestemelt werde.
„People told me...“, ob die soviel Englisch können, um meine Monolog jetzt verstehen? Ich versuche einfache Worte zu nutzen und sie hören mir tatsächlich zu: „there is an ATM in Muktinath“ Viele Schlagworte, um die Zuhörer am Ball zu halten: „But there is NO ATM in MUKTUNATH!“
„No, no ATM here – Jomsom ATM.“
Aha! Sie haben also mich verstanden und wissen wo der nächste ATM ist. Da kann ich ja noch einen drauflegen um endlich mein Pfund Mitgefühl zu bekommen aber vor allem, um meine unendliche Dankbarkeit auszudrücken.
„I came to MUKTINATH with NO MONEY“, ich betone die Schlüsselwörter: „but there is NO ATM and so I have NO FOOD. But you helped me and gave me food.“ Meine Schüler hätten an der Stelle schon aufgegeben, weil sie die Vergangenheitsform nicht erkannt hätten, aber ich seh noch in wache Augen „I am really HAPPY to meet you.“
Die Gesichter strahlen.
Ich mach weiter:
„Look. You have nothing but a house with snowwater inside.“ Sie lachen – sie verstehen.
„I have my motorbike, my camera, my creditcard, I´m travelling... But now it changed..“, sicherheitshalber lasse ich die Hände mitarbeiten: „You have food and you helped me, and I have nothing“ Ich leg die Hände aneinander, so wie die Hindus grüßen und danken: „Thanks god...“, der muss jetzt mit ins Spiel gebracht werden, denn so funktioniert Völkerverständigung und Religinsfreiheit in den Köpfen „..thanks god, that I met you and thank you for the dinner.“
Nach einer Weile gehe ich aber wirklich, denn meine Freunde lassen mich weder beim Spülen helfen - das hätte ich auch falsch gemacht, denn sie spülen mit Wasser und mit Asche, noch bei Aufräumarbeiten mitmischen und als die Sonne verschwindet wird es richtig kalt. Ich hatte vergessen, dass ich auf 3800 Metern bin.
Im Hotel verkrümel ich mich mit einer glücklichen Erfarung und einer Kanne Gingertee ins Bett. Unter mir im Resto läuft Bob Marley und es wird gefeiert. Und in dem Moment könnt ich dann doch kotzen: Manchmal läuft das Leben einfach neben der , eigenen Vorstellung her.
Am nächsten Morgen kotz ich dann wirklich fast: Der Kellner empfielt mir Porridge: „It´s cheap and gives Power.“ Nagut – einmal Antifrühstück. Mir wird schon vom Namen schlecht, und noch nicht mal meine Gourmetvariante mit Zucker und Salz und einer Orange macht den schleimigen Brei erträglich. Ich schwöre bei allem, was mir schmeckt: das ess ich nie wieder. Und ich geh nie wieder mit zu weig Geld aus dem Haus.
Dafür werde ich mit einem der schönsten Abstiege und mit einmaligen Aussichten in die Wüste Nepals belohnt. In dem Moment spüre ich wieder Freude und weiß, dass sich der Weg gelohnt hat.
Der zweite ATM in Jomsom fuktioniert! Ich bleib noch eine Nacht und treffe Leute zum Feiern, übrigends die, die gestern unter mir saßen und fliege am nächsten morgen mit einer neuen Freundin nach Pokhara.
Ein Ausflug in die Wüste – nicht nur in die Nepals.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen