meine schuhe in reparatur |
Gebucht hatten wir
Sunrise mit Gipfelpanorama auf die Anapurnarunde. Wir haben uns im
Hotel kennengelernt: Carina, eine RussischDeutsche mit ihrem
französischn Freund Yvon, die sich vor neun Monaten in Australien
kennengelernt haben.
Dessen Freund Maxime, der die beiden für zwei
Wochen besucht. Alle drei sind Anfang zwanzig und die Jungs Sportstudenten. Daneben glänze ich, die seit vier Monaten außer AlibiYoga am
Strand, nichts sportlicheres als Gasgriffdrehen und Zigarettenstemmen
trainiert hat. Für den Sunrise sind wir zwei harte Tage gewandert,
weil wir die Runde in drei, statt wie in den üblichen vier Tagen
schaffen wollten.
Daher wartete nicht nur mehr Strecke am Tag auf uns,
sondern wir mussten auch gegen den Uhrzeigersinn, und somit gegen das
Gefälle laufen. Es ging nahezu permanent bergauf über Stufen, die
von den Bergbewohnern angelegt sind und als Verbindung zwischen den
Orten dienen. Die Lunge hat gebrannt, das Thema „nie wieder
rauchen“ wurde latent wahrgenommen und bei jeder Pause von allen
zur Seite geschoben.
Zwischendurch hab ich den Gruppenzwang
verflucht, der mich verpflichtet weiter zu gehen nur um Sunrise zu
sehen und die Gruppendynamik verehrt, die mich mitzieht. Es war so
kalt, dass wir nur in kompletter Wandermontur, zwischen Mützen und
Schals nur ein Spalt vor dem Mund zur Nahrungaufnahme gelassen, unser
Dinner einnehmen konnten.
Bekloppt eigentlich.
Sunrise auf dem Poon
Hill...
Es ist morgens um sechs
Uhr. Es schneit, als wir auf 3200 m ankommen. Zudem ist es
schweinkalt und die Auswirkungen asiatischer Massenveranstaltungen
haben uns wieder eingeholt: Trotz Nebensaison ist der Pfad zum Gipfel
von der Menschenkette nahzu nahtlos in Petzls Flutlicht getaucht, so
dass ich meine verlorene Kopflampe gar nicht vermisse. So hab ich mir
das nicht vorgestellt. Etwas sehnsüchtig denke ich an den Ararat.
Für ein Gipfelbild vor
dem Schild müssen wir wir so lange die schlitzäugige Arroganz
erdulden, dass mir der Geduldsfaden reißt: ich drücke meine Kamera
unserem hilflosen Tourguide in die Hand, zerre mein
Französisch-Deutsches-Gipfelteam vor die japanische Fröhlichkeit
und wir binnen drei Sekunden können wir das Tal zum Frühstück
stürmen.
Geht doch.
Nach dem Frühstück
solls zurück nach Pokhara gehen.
Ich grübel...
...eigentlich schon seit
Tagen.
Zu gern würd ich weiter
nach Norden in die „Wüste Nepals“, aber mir macht der Schnee
Sorgen... Wäsche hab ich nur für drei Tage und Geld auch... Der
Akku meines Apparates ist fast leer...Was ist, wenn was passiert...
Andererseits:
Als wir zum Frühstück
in Ghorepur einlaufen, hat es aufgehört zu schneien und die Wege
sind nun wirklich offensichtlich... die Unterwäsche muss halt ein
paar Tage länger halten und in Muktinath gibt’s angeblich einen
ATM... Nur wegen ein paar Fotos zurückfahren und nochmal Eintritt in
den Nationalpark zahlen??... und was soll passieren... pah???
Ich geh allein weiter.
Ich bin zwar ein wenig
traurig, als die anderen abziehen, weil wir einfach ein klasse Team
waren, aber ich erwisch mich beim Liedchenträllern, als ich
aufbreche.
Der sympathische Ort
riecht nach verbranntem Holz und der Schnee dämpft jegliche
Geräusche. Mein Blick wandert in die Ferne und ich sehe die ersten
blauen Himmelsstücke zwischen der Wolkenmasse auftauchen.
blick von tatopani |
Lächeln! Auf in die
Wüste. Hab ich doch wieder alles richtig gemacht.
„Wrong!“
Ich schrecke aus den
Gedanken.
„Wrong way“, brüllt
mich ein fröhliches Gesicht unter Bergen von Gepäck auf dem Rücken
an: „this is a buffalo´s way.“
Ich schau mich um.
Soll ich mich jetzt
verarscht fühlen, ist doch eindeutig...
...„Konzentration“,
mahne ich mich. Bin ich doch verträumt einfach dem ausgetreteneren
Weg gefolgt, weil der noch nicht benutzte Wanderweg im Schneeeinfach
unerkennbar ist.
weg zu einer der heißen quellen in tatopani |
Von da an passe ich auf,
aber schon nach einer Stunde verschwindet die weiße Sanftheit, die
Landschaft strahlt in warmen Farben über die Berge, die Sonne
strahlt zeitweise hervor und machmal blitzen die weißen kargen Gifel
der sechstausender durch die Wolken.
Es geht beständig sanft
bergab und ich trab einfach so vor mich hin, begeistert von der
Natur, den kleinen Ortschaften, dem Wetter, meiner Entscheidung und
dem Gefühl allein zu sein.
Aber Allein reisen heißt
mehr Kontakt als zu zweit zu haben.
In Tatopani übernachte
ich – so war das geplant und beim Dinner in einem schäbigen Local
Resto mit wirklich schlechtem Thali, setzt sich ein Australier zu
mir, läd mich zu einem oder zwei Bier ein und wir quatschen uns
fuselig. Am nächsten Morgen genieße ich unendlich die Wärme der
Heißen Quelle in Ufernähe, mit Blick auf den schneebedeckten N...,
der zwischen den Bergen hevorlugt. „Hey Kirsten, I have to leave
have a nice trip“, brüllt mir der Australier vom Weg entgegen -
scheiße ich bin zu spät, wir wollten zusammen frühstücken. Egal.
Mach ich das eben mit dem Niederländer von gestern, der zeitgleich
in dem Resto zum Frühstücken auftaucht, heißen Kaffee,
Masala-Omlette und frisch gepresste O-Saft bestellt. Und als ich um
neun an der Bushaltestelle einlaufe, Abfahrt des Busses ist
so-ungefähr-zwischen-neun-und -und-zehn und dieser glatt an mir
vorbeifährt, weil ich nicht wild mit den Armen Stoppsignale gegeben
habe, ist das auch egal, denn ich hab mich mit einem Traveller
festgequatscht, der seit Jahren mit seinem Bulli und seinem Hund
durch den Asiatischen Raum reise, mir von Schießereien im Iran
erzählt, zeigt wie er seinen Hund danach selber wieder
zusammenflicken musste, von korrupten Indischen Zollbamten,
kriminellen Banden in Kashmir, Autopannen, schlechten Straßen... hab
ich ein Glück.
Der nächste Bus kommt so
gegen elf und den passe ich wild fuchtelnd, schreiend, laufend ab,
und er nimmt mich mit. Lazy living - so macht das Spaß.
Aber nicht auf der
hintersten Bank im Bus. Wer das einmal mitgemacht hat weiß, warum
die hinterste Reihe leer ist und sich vorne freiwillig vier Mann zwei
Sitze mit einem Sack Reis teilen. Binnen Minuten schaffen es die
durchgenudelten Blattfedern meinen Kopf mit Beulen zu übersähen und
meinen Rucksack quer durch den Gang zu schießen. Ich bin fast
dankbar, dass der erste Bus vorbeigefahren ist, denn der hätte mein
noch nicht verdautes Frühstück ohne Probleme dem Fahrer ins Genick
geschleudert. Ich setzt mich zwischen zwei Sitze, stemme meine Füße
gegen die Sitzstreben beim Vordermann, drücke die Wirbbelsäule
zwischen die Rückenlehnen und beschließe die Busfahrt als
Multifunktion von Muskelaufbau, Rückenmassage mit angeschlossenem
Reality-Action zu betrachten. Denn wenn sich rechts neben einem der
Abgrund auftut und die Menschenkonserve sich dank im Weg liegender
Felsbrocken beängstigend dem Schlund entgegen neigt, darf einem mal
die Spucke wegbleiben ...
Das Kalli Galdhakki ist
ein wunderschönes Tal und je weiter sich der Bus nach Norden
hochackert, deto karger und berauschender wird die Landschaft. Ein
Stopp auf halber Strecke lässt mich bei der Zigarette abseits der
Mitreisenden staunen: Nicht verstaubte, abgerupften Brennesseln
säumen den Wegesrand: Hanf, seiner ergiebigen Ausbeute beraubt
kümmert dort unschuldig vor sich hin. Und bei der Weiterreise
bemerke ich bushohe Pflanzen, die ich während der Fahrt aus dem
Fenster hätte ernten können. Die Idee hatten aber bestimmt schon
andere.
„Toll.
Scheißbusverkackter, der mich heut morgen stehen gelassen hat.“
Ich geh an die Decke. Steh ich in eisiger Kälte in Jomsom und
uninteressiert teilen mir teilnahmslose Gesichter mit, das heute kein
Jeep mehr nach Muktinath geht.
FRAGZEICHEN.
Wir haben vier Uhr. Was
soll ich verdammt nochmal in diesem Nest, ohne Geld, ohne Laptop oder
Buch machen?
NOCH MEHR FRAGEZEICHEN.
Ohne Strom, ohne Heizung,
ohne Ladegerät für den Fotoapparat.
Eine innere Wüste tut
sich auf.
Es wird ein Kampf mit mir
selbst so ohne Beschäftigung.
Sollte das denn nun
wirklich sein?
Ich schaue den Kindern
beim Spielen zu und opfere Reststrom für ein Foto, um das Lachen
einzufangen, mit dem sie auf einem Stofftier reitend die Straße mit
Fröhlichkeit versorgen.Vorsicht mit dem Akku.
Ich schlender um den
Block aber dieser Teil des Ortes ist trostlos.
Ich überlege gar, ob ich
zu dem anderen Ortsteil am Flughafen laufe, dort hab ich einen ATM
gesehen, aber der Weg in der Dunkelheit ist mir zu kalt und zu weit
und für heute und morgen den Jeep recht die Kohle.
Ich bestell mir Cowmen
zum Dinner, mit Abstand das preiswerteste Gericht aber auch das
geschmackloseste Nudelgepansch, was ich je gegessen hab. Aber heute
ist mir das egal, es ist billig, warm und sättigend und morgen
gibt’s Yaksteak mit Bier - koste es was es wolle.
…. wrong....
Welcher Arsch hat mir
eigentlich gesagt, dass es hier einen ATM gibt!!!
Ich laufe Mittags in
Muktinath auf checke im wärmstends empfohlenen Bob-Marly-Guesthouse
ein: „I stay two nights. But first I need an ATM - where is it?“
„No ATM.“
Ich reiß die Augen auf.
„No, we don´t have
ATM.
Schweißausbrüche und
Schwindel. Das glaub ich jetzt nicht: „I only have fivehunderet
Rupies left.“
Lüge, ich hab
sechshundert und fünf Dollar überschlage ich schnell.
„ATM only in Johmsom.“
Scheiße – war ich
gestern zu faul dahin zu gehen??
„Western Union? Bank?
Can I pay with credit card? Money excange with credit card? Online
banking?“ Mein Hirn sucht in Blitzgeschwindeigkeit nach
Umleitungen,
Nichts.
Ich rechne durch: Zimmer
einhundert Rupies, billigstes Dinner, billigstes Frühstück, Wasser
aus der lokalen Quelle am Dorfplatz, dann komm ich mit +/-Null in
Jomsom an. Dann MUSS der ATM aber auch funktionieren, sonst hab ich
ein Problem.
Komischerweise ziehe ich
aber auch nicht in Betracht meinen geplanten Abstieg einfach sofort
zu beginnen. Es wäre entweder ein vorverlegtes Desaster, oder eine
vorgezogene Lösung. Das mögliche Desaster kann ruhig einen Tag
warten und eine mögliche Lösung am selben Tag würde mich einen
schönen Tages in Muktinath berauben – wenn ich schon nicht die
geplanten zwei oder drei Tage bleiben kann, dann wenigstens den
einen.
Also verordne ich mir
erstmal mentale Enspannung, was mir bekanntlich nicht leicht fällt.
Kurzentschlossen nehme ich outgesourcte Hilfe an, wander in Zeitlupe
zum Tempel auf dem Berg, schicke von dort unaufällig ein Stoßgebet
zu einem Gott mit Migrationshintergrund - Rama die gute Seele wird
mir das vergönnen, und ich stecke sogar erstmalig in meinem Leben
zehn Rupies als Opfergabe in die Donationbox – das ist viel wenn
man nichts hat.
Und dann suche ich die
kleine Monastry, die eine Australierin mir im Dorf empfohlen hat. Ich
kaxel auf dem Fels herum, folge Irrwegen zu unendlich vielen Stupas,
marschier einmal um das Tempelgelände - ich kann nichts finden.
Dreimal beschließe ich, dass ich jetzt gehe, um im Ort nach
finanzieller Lösung zu suchen und etwas billiges Nahrhaftes
aufzutreiben, denn mein Magen knurrt um drei Uhr empfindlich laut -
sieben Stunden ist mein Dhal, ein Schälchen Linsensuppe, her und
mein Wasser ist auch bald aufgetrunken. Aber dreimal dreh ich um und
suche weiter nach diesem Ort. Ich weiß nicht warum.
Rauch. Ein Stück weiter
vorne steigt er auf und ich folge dem Zeichen.
Ein ordentlicher Haufen
Steine bildet den Rest einer kniehohen Wand, knapp dahinter stützt
eine mannshohe Wand den Berg und gibt dem offensichtlich
eingestürztesn Steindach, was den Teppich dazwischen darstellen
könnte, die letzte Ahnung von Wohnlichkeit.
„Come, come!“ werde
ich hergerufen. Herzliche Augen mit langen Wimpern und ein
strahlendes Lachen umrahmt von einem Bart winkt mich rüber. Arme,
die in einem viel zu großen oft geflickten Wolljacket stecken
gestikulieren mich zu ihm. Ein dreckiges Tuch locker als Turban um
den Kopf geschlungen, ein weiteres dreckiges Tuch um die Hüfte
gewickelt und eine handvoll Ketten um den Hals umrahmen das
einladende Gesicht.
„Come, sit down.“
„Why not“, denk ich,
was hab ich schon außer Zeit.
Und schon streicht er auf
der eingestürzten Wand, die als Sitz, Arbeitsplatte, Ofengestell und
Spüle dient eine weiteres dreckiges Tuch glatt und bittet mich Platz
zu nehmen.
Er spricht einigermaßen
Englisch, beherrscht die Höflichkeitsformeln und hat ein
bildhübsches Gesicht – was macht der Kerl hier??
Ein krankes Husten und
ein Zischen durch die Zähne, was Frieren hörbar macht, kommt aus
der anderen Ecke des
Acht-Quadratmeter-Wohnimmers-ohne-Wände-und-Dach. Sein Kumpel lacht
mich an. Jeder dritte Zahn fehlt. Die halblangen schwarzen Haare
stehen wie bei Strubbelpeter in alle Richtungen, um die freundliche
Augen sind tausend feudvolle Falten, und er ist mindestens in genauso
dreckige Lumpen gehüllt, wie sein Freund.
„Namaste – welcome“
Er kriecht aus einem Loch
in der hinteren `echten` Wand und schält sich hustend aus einer
dahinter liegenden Höhle. Ich erhebe mich um ihn zu begrüßen und
bekomme ein „Sit down, sit down“ und eine Zigarette, als Antwort.
Wir rauchen wie alte Bekannte und plaudern in flüssigem
Hauptschulenglisch. Fast hab ich das Gefühl, die haben nur auf mich
gewartet. Der Alte hustet fürchterlich: „You should stopp smoking
– it kills you“, lach ich ihn muttermäßig an. Er lacht mit
winkt ab - er versteht Spaß. Herrlich hier oben. Ich vergess meine
Finanzrobleme.
Sie erzählen, dass sich
schon immer hier draußen leben, aber jetzt kommt der Winter und der
wird hart. Das Dach ihres Höhlen-Vorzimmers sei vor kurzem
eingestürzt und diese Nacht hatte es geschneit. Die Morgensonne hat
den Schnee dann schmelzen lassen und das Schmelzwasser sei durch die
Steinritzen in ihre Höhle gelaufen. Und noch während wir qualmen
beginnt der Ältere unter fürchterlichem Husten und bibbernd vor
Kälte, Steine vom Boden zu suchen. Er versucht die Höhle mit Planen
abzudichten, um sie mit Steinen von oben und der Seite zu beschweren
und zu schützen. Ich helfe ihm. Blöd rumsitzen ist eh nicht mein
Ding und obwohl er mir signalisiert ich soll ´downsitten´, arbeiten
wir fröhlich Hand in Hand.
In mir regt sich was …
ein Knurren!
Was mukkt denn mein Magen
jetzt rum!
Aha!
Neben mir auf der halben
Wand glimmt ein Feuer aus Kuhdung, auf dem ein großer Topf steht.
Bisher im Schatten seiner Bedeutung rückt dieser Topf in den
zentralen Focus: Mein hübscher Freund hat den Deckel abgehoben und
eine köstlich duftende, gelb gewürzte Reispfanne sendet optische
Botenstoffe an mein Hirn, das posthum akustische Mangelerscheinungen
des Magens als Reaktion bekommt. Er rührt den Reis vorsichtig um,
legt behutsam den Teller als Deckel wieder drauf und stellt den Topf
beiseite.
Eine Erscheinung.
„Chai?“
Der reizt mich doch nicht
mit Reis und fragt mich dann ob ich Chai will – saust mir durchs
Oberstüchen. Das ist ja wie mit ner Enfield vorfahren und mich dann
fragen ob ich Lust hab Rollschuh zu laufen.
„Oh. Yes please.“
Konditionierte Erziehung hat gesiegt – heißen Dank an mein
Elternhaus. Heißer Tee ist auch gut, denn ich hab weder noch.
Und mit einer
Engelsgeduld, ein Liedchen pfeifend geht er zur nahegelegene
Wasserquelle, füllt den Kanister auf, füllt einen kleinen Topf
damit, ordnet die Steine um das Feuer neu, damit der kleinere Topf
darauf steht, legt Kuhfladen nach und stellt dann den Topf auf den
`Herd`. Währenddessen versuchen wir zwei die Höhle wasserfest zu
machen und das Ergebnis ist nicht schlecht. Nur noch der Eingang ist
frei, aber er erklärt mir, dass er dafür ein Tuch hat.
Ich darf einen Blick in
deren Wohnstube werfen. Links öffnet sich eine etwa zwei
Quadratmeter großer kindsgroßer Raum, in dem Vorräte stehen. In
die Tiefe des Berges dringt eine schlauchförmige Höhle, mit einem
Durchmesser kaum größer, als ein HoolaHoopReifen, aber lang für
zwei. Hier liege Decken und er erklärt mir, dass es kuschelig warm
wird, wenn beide Fuß an Fuß hier liegen. Das glaub ich gerne,
obwohl der Alte hustet und röchelt, so dass ich bezweifel, dass die
Nächte kuschelig warm sind., Ich hätte jetzt gern meinen Sack
Medikamente dabei, um irgendwie helfen zu können ...Idee! Ich krame
mein Halstuch aus dem Rucksack, drück es ihm in die Hand und bin
wieder Mutter und Lehrerin in einem: „You should wear that“, und
ich meine es ernst. Ich hätte ja schwören können, dass er es
ablehnt, aber er lächelt sogar dankbar und zieht es sich um Hals und
Ohren.
Na, darauf spender ich
auch noch ne Runde Zigaretten und überlege nicht unsmaritterlich,
dass ich dann nur noch zwei für heute Abend habe.
Wir rücken zusammen im
hinteren Teil des Vorhofes, in den die Sonne noch gemütlich scheint
und meine Gastgeber zaubern ein Säckchen mit Ganja hervor und
beginnen zu bauen. Ich muss schmunzeln, denn wenn die Kerle nichts
und noch weniger haben, dann haben sie immer noch Ganja und ein
Handy. Is wahr. Fast andächtig wird eine Zigarettenhülle mit dem
Gras-Zigarettengemisch gestopft. Hier haben wir Zeit. Keiner hat
Termine. Kein Stress. Alltagsdinge, die wir zwischen Tür und Angel
unachtsam ins Leben rotzen, bekommen hier einen zeremoniellen Touch
und werden zur erfüllenden Tagesaufgabe. Ich werde ruhig und stelle
fest, dass ich die kurze Chance bekomme umzudenken: warum bin ich
eigentlich gestresst, nur weil ich grad mal ohne Geld hier stehe. In
meiner Welt bedeutet das ausgeliefert sein, ausgegrenzt vom
gesellschaftlichen Leben vom Überleben. Die Jungs hier fragen nicht
nach ATM, oder ob sie heute abend Yaksteak oder Nudelsuppe essen, Sie
leben in den Tag und was sie haben teilen sie...
… ich bekomm die
Gestopfte gereicht.
Ich reiß die Augen auf:
„For me??? - Why do you know?“
Ein seitliches Kopf
schief legen, ein Lächeln und ein gereichtes Feuerzeug und während
ich genüsslich den ersten Zug nehme und das erste „Danke“ gen
Himmel schicke stopfen die Beiden sich ihre Tonpfeife und rauchen
mit.
...teilen. Mir geht Sankt
Martin durch den Kopf.
Der Chai ist fertig.
Genüsslich spült der Junge die Metallbecher während der Alte noch
ein paar Kräuter pflückt, die vor der Hütte zwischen den Steinen
wuchern und sie mit in den Topf schmeißt. Zucker. „Mmmmmmmmm“,
und das liegt nicht an meiner Situation. Das ist mal ein Tee, der mit
Liebe und Geschmack zubereitet ist. Würzig, aromatisch, nicht
übersüßt und ohne Milch. Ein Traum. Ein zweites „Danke“ fliegt
gen Himmel.
Aber nach dem Tee möchte
ich mich gerne verabschieden. Ich ahne, dass das Essen aufgetischt
wird, aber ich möchte ungern den armen Kerlen ihre Mahlzeit
wegessen. So schlimm steht es um mich dann doch nicht und es ist mir
äußerst unangenehm mich nicht revangieren zu können. Ich stehe
auf, sortiere meine Sachen und erkläre, dass ich jetzt gehe.
„No! Rice finish.“
Jaja – und das duftet
und ich würd ja gerne...“Oh, I don´t want to eat your dinner –
You need it.“
„No no. Sit down.“ Es
werden drei Teller gespült.
Ich gaub ich muss jetzt
da durch und irgendwie will ich ja auch. Der Reis ist dunkel gelb,
duftet nach angebratenen Zwiebeln und vielen Gewürzen, dampft heiß
gegen den kalten blauen Himmel und verspricht eine Wohltat zu werden.
Ein Berg dieser
Wunderspeise wandert mir entgegen, davon werd ich bis übermorgen
satt.
„Eat!“, und da ich ja
jetzt weiß, dass der Gast beginnen muss, lass ich mir das nicht
zweimal sagen. Und der schmeckt!!! Ich bemühe mich nicht zu
schaufeln und zu schlingen, was schwer fällt bei dem Hunger, dem
Genuss und vor allem der Kälte, die viel zu schnell in die Speise
dringt. Ich muss an Lakki in Varanasi denken, er wirkte wie ich jetzt
fühle und ich genieße jeden Bissen. Ohne Übertreibung ist dies die
schmackafteste Nahrung, die ich bisher Nepal bekommen habe.
Drittes Danke nach oben.
sonnenaufgang muktinath |
Sankt Martin Modus
umgedreht: Da steh ich mit teuer Spiegeleflexkamera, GPS und
Multifunktionsklamotten und werd von vier Plastikkarten einfach nicht
satt. Aber die Zwei hier, am Rande der Gesellschaft existierend,
überleben hier oben grad besser als ich.
„It´s crazy...“,
beginne ich, „I dont have money...“, ihre Blicke wandern zu mir
„... right now“, füge ich schnell hinzu bevor ich als Idiot
abgestemelt werde.
„People told me...“,
ob die soviel Englisch können, um meine Monolog jetzt verstehen? Ich
versuche einfache Worte zu nutzen und sie hören mir tatsächlich zu:
„there is an ATM in Muktinath“ Viele Schlagworte, um die Zuhörer
am Ball zu halten: „But there is NO ATM in MUKTUNATH!“
„No, no ATM here –
Jomsom ATM.“
Aha! Sie haben also mich
verstanden und wissen wo der nächste ATM ist. Da kann ich ja noch
einen drauflegen um endlich mein Pfund Mitgefühl zu bekommen aber
vor allem, um meine unendliche Dankbarkeit auszudrücken.
„I came to MUKTINATH
with NO MONEY“, ich betone die Schlüsselwörter: „but there is
NO ATM and so I have NO FOOD. But you helped me and gave me food.“
Meine Schüler hätten an der Stelle schon aufgegeben, weil sie die
Vergangenheitsform nicht erkannt hätten, aber ich seh noch in wache
Augen „I am really HAPPY to meet you.“
Die Gesichter strahlen.
Ich mach weiter:
„Look. You have nothing
but a house with snowwater inside.“ Sie lachen – sie verstehen.
„I have my motorbike,
my camera, my creditcard, I´m travelling... But now it changed..“,
sicherheitshalber lasse ich die Hände mitarbeiten: „You have food
and you helped me, and I have nothing“ Ich leg die Hände
aneinander, so wie die Hindus grüßen und danken: „Thanks god...“,
der muss jetzt mit ins Spiel gebracht werden, denn so funktioniert
Völkerverständigung und Religinsfreiheit in den Köpfen „..thanks
god, that I met you and thank you for the dinner.“
Nach einer Weile gehe ich
aber wirklich, denn meine Freunde lassen mich weder beim Spülen
helfen - das hätte ich auch falsch gemacht, denn sie spülen mit
Wasser und mit Asche, noch bei Aufräumarbeiten mitmischen und als
die Sonne verschwindet wird es richtig kalt. Ich hatte vergessen,
dass ich auf 3800 Metern bin.
Im Hotel verkrümel ich
mich mit einer glücklichen Erfarung und einer Kanne Gingertee ins
Bett. Unter mir im Resto läuft Bob Marley und es wird gefeiert. Und
in dem Moment könnt ich dann doch kotzen: Manchmal läuft das Leben
einfach neben der , eigenen Vorstellung her.
Am nächsten Morgen kotz
ich dann wirklich fast: Der Kellner empfielt mir Porridge: „It´s
cheap and gives Power.“ Nagut – einmal Antifrühstück. Mir wird
schon vom Namen schlecht, und noch nicht mal meine Gourmetvariante
mit Zucker und Salz und einer Orange macht den schleimigen Brei
erträglich. Ich schwöre bei allem, was mir schmeckt: das ess ich
nie wieder. Und ich geh nie wieder mit zu weig Geld aus dem Haus.
Dafür werde ich mit
einem der schönsten Abstiege und mit einmaligen Aussichten in die
Wüste Nepals belohnt. In dem Moment spüre ich wieder Freude und
weiß, dass sich der Weg gelohnt hat.
Der zweite ATM in Jomsom
fuktioniert! Ich bleib noch eine Nacht und treffe Leute zum Feiern,
übrigends die, die gestern unter mir saßen und fliege am nächsten
morgen mit einer neuen Freundin nach Pokhara.
Ein Ausflug in die Wüste
– nicht nur in die Nepals.
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