Sonntag, 27. Januar 2013

KulturloS

naja fast - das ist über dubai
Neuseeland klatscht mir seine potenzierte Spießbürgerlichkeit mitten in die Fresse.
Das fängt schon auf dem Flughafen in Singapore bei einem Zwangszwischenstopp an.
„Smoking not allowed“
„Pardon“, ich verstehe nicht, denn ich stehe draußen vor dem Gebäude.
„Smoking only at door one and eight.“
Ich schau mich um und entdecke mit Rauchverbotschildern gepflastere Wände und ein Hinweisschild, dass ich vor Eingang vier stehe. Also schiebe ich meinen Gepäckwagen und meine schlechte Laune drei Eingänge weiter, wo ich mich mit anderen armseligen Gestalten der Unterschicht um den einzigen Aschenbecher formatiere. Nach vierundzwanzig Stunden auf Flughäfen, einem verpassten Flug und dann dem doppelten Preis für den Anschluss eine unwürdige Angelegenheit. In Auckland wird das noch schlimmer. Hier empfangen mich Warnschilder, dass die Einfuhr von Obst und Gemüse mit bis zu vierhundert Dollar Strafe geahndet wird -ich schmeiße meine letzten Orangen schweren Herzens in die dafür vorgesehenen Eimer. Weiterhin müssen sogar getrocknete Lebensmittel deklariert werden und ein Verstoß wird mindestens mit derselben Buße geahndet. Ich habe Masala und Himalayasalz als Mitbringsel im Gepäck, deklariere natürlich nicht, sonst ziehen sie es womöglich ein und schwitze pures Adrenalin am Zoll. Ich beschließe beim nächsten Mal Kokain statt Himalayasalz zu schmuggeln, dann lohnt sich der Nervenaufwand wenigstens, den ich hier dank dreihundert Gramm heilender Geschenke durchstehe. Ich hab mir sagen lassen, dass Koks um die zehntausend Dollar pro Gramm bringt, was den Schweiß auf meiner Stirn und das Gefühl ein Schwerverbrecher zu sein, rechtfertigen würde. Zudem werden mein Zelt und meine Wanderschuhe biosphärisch untersucht, und während ich zwanzig Minuten auf mein Zelt warte, darf auch null komma nirendwo geraucht werden, weil „you´re breathing fresh air“ erklären mir die Schilder draußen und ich ignoriere sie, weil kerosingeschwängerte Luft durch eine Zigarette nicht an Wert verliert.
Oh Mann – mir reichts schon fast.
mit conny beim segeln
Conny hat tapfer vor dem Airport auf mich gewartet, sie kennt das Prozedere schon und nach eineinhalb Stunden cruisen wir endlich durch Vororte, die mich stark an die Gewerbegebiete von Köln Pesch erinnern. Auf den bügelglatt geteerten Straßen liegt kein Kaugummipapierchen, kein weggeschnipptes Kippchen kein Rotzfleck, der Rasen der Vorgärten hat messerscharfe Kanten und die schnuckeligen sauberen Häuschen haben nie mehr als eine Etage. Kulturschock und ich bin kurz vorm kotzen. Gut dass eine Freundin neben mir sitzt und erklärt, das das alles normal ist.
Normal?
Noch - der Eindruck ist nur eine Stunde alt -  kann ich dem Land nichts abgewinnen, was mich beeindruckt. Es ist wie zuhause, nur geordneter. Aber warten wir mal ab. Und.... es kommt schneller als ich denke: Conny zaubert nachts um zwei ein eiskaltes Becks aus ihrem Kühlschrank. Ich bin beeindruckt.
Nach fünf Tagen bei Conny´s Familie, erholsam, allein wegen dem Jetlag und der sauberen gepflegten Umgebung, schwing ich mich in den Sattel meines neuen Mietautos und freu mich zum ersten Mal dass die Mororradpreise so hoch sind, denn es regnet den ganzen Morgen. Der Kofferraum ist gefüllt mit Lebensmitteln für zweihundert Dollar. Ich kann alles wahllos reinschmeißen, was ich auch tue, denn ich muss die Vorteile eines Autos potentiert nutzen, damit ich mich mit meinem neuen Fahrzeug anfreunden kann. Mantramäßig maniulier ich mich selbst eifrig mit Gedanken: „Toll toll toll, ein Auto zu haben“, werfe die Klappe zu, steige ein und fahr los.
mein vehikel schleppt alles und ist überall schlafplatz
Ach nee - andere Seite. Ob ich mich daran gewöhne? Fünf Monate bin ich jetzt problemlos mit dem Motorrad links unterwegs gewesen, aber das Auto macht mich fertig. Beim Blinken setz ich grundsätzlich den Scheibenwischer in Gang und wenn ich gedankenlos schalten möchte, knall ich die rechte Hand gegen die Scheibe. Immer wieder erwisch ich mich beim Blickkontakt mit dem aufgezeichneten Gangschaubild auf dem Knüppel, weil ich die Gänge auch spiegelverkehrt erwarte und immer wieder rüttelt mich das Rappeln der linken Fahrbahnmarkierung aus der Illusion, dass ich jetzt alles im Griff hab.
„Fahranfänger“, schimpf ich mich zurecht und trau mich kaum über hundert zu fahren oder die Überholspur zu nutzen. Das muss sich ändern, das bin nicht ich.
AAAArg – , vor mir platzt ein Reifen, ich such die Lücke links, denn ich bin doch auf der Überholspur gelandet, die Scheibenwischer arbeiten im Turbogang, „scheiße - wieder falscher Hebel“, aber wer braucht schon Blinker. Die Scheißkarre zieht im fünften nicht spontan, also runterschaten... „Autsch“, ich hau wieder hektisch die rechte Hand gegen die Scheibe, weil ich den vierten Gang suche. F***, aber wer muss schon runterschalten?
Zäh quäle ich mich an dem Pferdetransporter mit floddernden Reifen vorbei. Hier aber wird nicht gedrängelt, hier ist Platz, hier sind die Menschen rücksichtsvoll im Verkehr. Und wenn eine hilflose Frau am Steuer mit wedelnden Scheibenwischern im Schneckentempo auf der falschen Seite einen Wagen mit geplatzen Reifen überholt...., dann lassen wir sie einfach. „No worries.“
Durchatmen.
Ich bin angespannt, genervt und kann hier noch nichts genießen.
Die Landschaft sieht aus wie die das Bergische Land, die Straßen sind leer, gut ausgebaut, perfekt beschildert, Rastplätze und MacDonalds alle paar Kilometer. Keiner hupt, nimmt einem die Vorfahrt, drängelt oder bleibt liegen. Keine Kühe, Menschen, Pferdekarren, Mopeds, kein Dieselgestank, keine Ausweichmanüver und kein hektisches GEHUPE. Es ist stinkend langweilig.
Ich hab mich in dem Hexenkessel Indien nach dieser Ordnung gesehnt und jetzt ödet mich das Land hier an. Ich will zurück.
Aber es ist nicht das Problem des reibungslos funktionierendenden Verkehrs. Dieser ist in dem Moment nur stellvertretend für ein riesiges Defizit des Landes, was ich nicht sehe.
Die Kultur.
auckland: kultur an jeder ecke ...
Seelenlos kommen mir die Menschen und das Land vor – Orte ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Kleine niedliche flache Häuser. Die Menschen sind cool durchgestyled modisch lässig. Sie treiben Sport, jeder, egal welchen Alters oder welcher Körperfülle. Die Supermärkte riesig, kalt unüberschaubar. Das Essen ein Überangebot aller Kulturkreise gekrönt mit allen namenhaften Fastfoodketten der Welt. Die Gesetzte ängstlich eingrenzend.
Wo ist die eigene Kultur des Landes?
... sogar richtig alte zwischen moderner architektur
Wo eine besondere Kleidung, ein Gericht, ein Aussehen eine Angewohnheit. Ich sehe Europa in seiner Vollendung.
Ich freu mich heut abend bei einem Couchsurfinggastgeber zu übernchten, der ein Maori ist und hoffe eine Antwort auf die Frage zu bekommen.
Vorher lade ich aber einen Tramper ein, der mir auch nichts näher bringt, als einen schönen Wald, den Reed-wood-forest, in dem eine Runde spazieren will, während ich auf Nachricht meines maorischen Kulturfinders warte. Na prima. Auch die Bäume sind nur ein Import aus Canada erklärt mir eine Schautafel. Um Glück fängt es auch noch an zu schütten, nochnichtmal der Sommer ist hier echt. Dafür gibt’s Toiletten, hunderte von Wanderwegn, Mountainbikestrecken, Reitwege und aberhunderte von Hinweisschildern, wer wem Vorfahrt zu gewähren hat, wo Müll hinkommt, dass man die Weg nicht verlassen darf, welcher Baum woher kommt und in wessen Gedenken er gepflanzt wurde. Und wieder der unübersehbare Hinweis: „Youre breathing fresh air – please don´t smoke“, der Wald ist übersäht mit diesen Schildern, dass man Angst hat, sich als Raucher zu outen.
Ich bin reizüberflutet. Und gereizt.
Ich ziehe trotz Regen los und suche latent einen Zeltplatz, man weiß nie, was kommt oder was nicht kommt. Und er kommt nicht - der Rückruf von meinem Host.
Meine Kulturrettung verlässt mich. Hier geht alles schief.
Und ich bin sauer. Sollte er doch meinen Eindruck der seelenlosen Menschen des kulturlosen Landes retten und mich aus dem Sumpf der Ignoranz ziehen.

traumhafter zeltplatz zehn tage später - geht doch
Langsam.... langsam freunde ich mich mit der PlanB an, hier im Wald mein Zelt auf zu bauen. Es ist nett hier, der Regen hat aufgehört und ich würde morgen mit der lila Wanderstrecke den Tag beginnen. Auch nicht schlecht. Ich packe mein Campingequipment aus dem Auto, Wein mit Schraubverschluss nicht vergessen für die letzte Stunde des Tages und.... Platzregen. Monsum. Katzen und Hunde, dass ich in Sekunden wieder klitschnass bin. Verfluchte Scheiße. Wofür bezahl ich hier eigentlich?? Wo ist die Prty, die ich erwartet habe.
Mir bleibt nichts übrig, als im Auto zu übernachten, denn es wird schon dunkel.
Jetzt muss eine Wutentladung per sms an meinen Liebsten her. Und ein Glas Wein. Und eine Kippe.
Da rollen Scheinwerfer an.
Jetzt noch? Mir schwant Fürchterliches.
Sie halten direkt neben mir. Leuchten ins Wageninnere. Ich lass das Fenster runter.
„We close now. Please leave the ground.“ Was knallt mir mehr ins Gesicht, der Regen durch die runtergelassene Scheibe, oder die Worte des Rangers.
„Close??? The forrest?“ , mein Gehirn versteht das nicht.
„Oh yes thanks“, mein Sprachzentrum reagiert weitaus besser.
„Fuck Newzealand!!!“, mein Gefühl gipfelt im Orgasmus der Bestätigung. Ich erinner mich, dass ich gelesen hab, dass der bekannteste Wanderweg nur in einer Richtung begangen werden kann und mit vorheriger Anmeldung bei den Übernachtungsstationen.
regen-urwald... herrlich

Mag mich das Land nicht?
Ich mag das Land jedenfall noch nicht. Bis jetzt scheint jedenfalls alles drauf hinauszulaufen.
Aber auch Ranger haben mal Feierabend und nachdem ich eine Alibirunde durch die Gegend gedreht habe, stell ich mich auf die Wiese vor die Schranke und gewöhn mich schon mal an das Schlafen auf Beifahrersitzen.
Ich träume von Verboten, Reglementierungen, schlechtem Wetter...
Wie soll das nur weitergehen?

Irgendwie nuss ich meinen Blick bereinigen.




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