...die jetzt ist
...und nebenbei ist dort auch noch kultur in hampi... |
und die du gleich darauf
vergisst,
geht ein Kamel auf allen
Vieren
im heißen Wüstensand
spazieren.
In Hampi am Flussufer
sitz ich etwas länger als eine Minute. Ich gestehe, dass ich sogar
den dritten Morgen hier sitze, obwohl ich ursprünglich nur nur zwei
Tage mit Doro bleiben wollte. Irgendetwas, magisches,
verführerisches, gemütliches, sphärisches, weiß der Kuckuck was,
hat mich aber hier gefesselt.
Nach nur zwei Stunden an
diesem Ort ist mir klar, dass ich mein Zugticket verfallen lassen
muss, dass ich Doro die grausame Wahl stellen muss entweder mit mir
hier zu bleiben oder alleine vor zu reisen, dass ich den Zimmerpreis
womöglich alleine zahlen muss, dass ich allein mit dem Zug reisen
muss... dass ich hierbleiben muss. Doro mit meiner Entscheidung zu
konfrontieren bereitet mir am meisten Gewissensbisse, weil ich
irgendwie an Stefans Reaktion in der Türkei denken muss, als ich
spontan eine andere Route eingeschlagen hab und ihn dadurch zwei Tage
allein gelassen habe. Aber ich kenn sie gut genug um einschätzen zu
können, dass sie mich nicht verzweifelt heulend verflucht, sondern
ihren eigenen Weg entsprechend anpassen kann. Und sie kennt mich gut
genug um zu wissen, dass sowas passieren kann und um mich zu
verstehen. Das sind eben Freunde. Und so kommts dann auch.
Ich sitze hier den
dritten Morgen und bin begeistert von der friedlichen und
geschäftigen Stimmung. Die Menschen gehen gelassen und ruhig ihrer
eigenen Beschäftigung nach.
Schon oben am Ghat (die
Treppen zum heiligen Fluss) stehen kleine Chaiverkäufer, die um
diese Uhrzeit noch zu müde sind die Touris anzujammern. So wirkt die
Stimmung authetisch und erholsam für mich. Am Treppenaufgang hat
sich der Friseur niedergelassen, der statt ´Bunte´ oder ´Focus´
eine XXL-Reality-Flatscreen mit Szenen vom Fluss bietet. Wahlweise
mit Sunrise- oder Sunset-Modus. Wahrscheinlich mit Vorreservierung.
Und unten am Fluss,
dessen magisch orangene Farbe eine unwirkliche Farbharmonie in die
Szene zaubert wird der Tag begonnen.
Da wird Wäsche gewaschen
und ausgeschlagen. Während der eine alte Mann lediglich seine zwei
Unterhosen wäscht, die er nach seiner eigenen Morgendusche just in
dem Moment unter seinem Rock ausgezogen hat, ist eine Gruppe Frauen
mit einem Großauftrag von Bettwäsche beschäftigt. Die gereinigten
Tücher liegen dicht an dicht über die Ghats des Flusses zum
Trocknen ausgebreitet und erinnern mich mit ihrer streifenförmigen
Farbigkeit an moderne Bilder von Gerhard Richter.
Eine junge dralle Frau
wäscht sich. Es ist ein sinnlicher Anblick, wenn sie sich mit Wasser
übergießt und langsam ihre Haare ausstreift. Ob sie weiß, wie sie
wirkt? Wie sie allerdings sauber wird in ihrer vollen Montur an
Unterröcken, Kleidern, Saris, Armreifen, Shirts bleibt wohl ebenso
ihr Geheimnis, wie die Magie der Stadt die ich an nichts Konkretem
festmachen kann.
Eine andere Frau hat ihr Bad beendet und wechselt
umständlich ihre Kleidung. Sie ist mit ihrem Mann hier und beide
harmonisieren wortlos miteinander, als würden sie dies seit Jahren
so handhaben.
Eine leicht verhärmt wirkende
Frau hat ihre Wäsche und sich selbst gereinigt und malt sich mit
weißer Farbe Muster auf Arme und Gesicht. Zwischendurch erhebt sie
immer wieder in unterschiedlichen Gesten ihre Hände zum Himmel. Mein
Kopf formt die merkwürdigsten Bedeutungen dieses Rituals aus - so
vieles weiß ich nicht über die Kultur. Gestern erst hab ich mich
mit einem Mann am Flussufer unterhalten, der mir erzählte, dass sein Vater
gestorben ist und er nun neun Tage lang jeden Morgen für eine Stunde
an den Fluss kommt, um mit einem kleinen Feuer seines Todes oder
seines Lebens zu gedenken. Ich fand das beachtlich, wurde allerdings
stutzig, als er so gar nicht in Trauer wirkend um ein paar deutsche
Euromünzen bat, die er seinem Vater darbringen wollte. Leider wurde
die Geschichte dadurch dann doch etwas unglaubwürdig und in mir wuchsen schon
morgens um sieben latente Hassgefühle, auf diese
Geldforderungsmaschinerie, die der Tourismus in Wallung gebracht hat.
Aber der Frau konnte ich Tele-sei-Dank ins Gesicht blicken und ihr
hätte ich ohne Zweifel diese Geschichte abgenommen.
Die Jugend ist auch
dabei. Ein Junge pinkelt ins Wasser. Andere beschmieren sich
Daumendick mit Creme und werfen die leere Tube in den Strom. Wen
kümmert´s? Gewaschen wird zwei Meter Stromabwärts, da ist das
schon verdünnt.
Und den Mann, der daneben steht und betet, der ist
grad eh in einer anderen Welt.
Der tempeleigene Elefant,
der tagsüber für zehn Rupies den Spender mit seinem Rüssel segnet,
liegt schon seit einer halben Stunde gemütlich auf der Seite und
lässt sich von Kopf bis Schwanz mit einer Bürste abschrubben. Auf
einen Stubser mit dem Stock des Pflegers hebt er in Zeittlupe das
Bein, so dass auch die Kimme geschrubbt werden kann. Jeden Morgen
kommt er in den Genuss dieser Wohltat. Nur gestern Morgen wurde er
mit einem LKW abtransportiert. Wahrscheinlich zur wöchentlichen
Pediküre. Hach - Einmal ein Tempelelefant sein, huscht durch den
Kopf, während der Dicke sein Bein wieder in Zeitlupe ablegt.
Gleichzeitig überlege ich, warum hier eigentlich kein Eintritt
verlangt wird, denn zwei Hände voll Touris sitzen auf den Stufen und
die Videokameras schnurren und ein Blitzlichthagel begleitet das
Spektakel.
Ein Junge setzt in den
klassischen runden Körben zur anderen Seite über. Das wirkt
zwischen wild romantischem und hoffnungslosem Unterfangen, denn er
dreht sich dabei hin und her. Trotzdem bin ich sprachlos, wie schnell
er letzendlich in dem archaischen Stoh-Wok sein Ziel erreicht.
Vielleicht sollte ich ein Foto mal Stefan Raabs Redaktion schicken,
als neuer Herausforderung für seine Schwachsinns-Sport-Events, die
das deutsche Winterloch während der Bundesligapause füllen können.
An diesem Morgen
beschließe ich einfach mal zum anderen Ufer über zu setzen und dort
den Tag zu beginnen.
Mal sehn was da alles so in einer Minute passiert...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen