Donnerstag, 28. März 2013

Tioman ist ein kleines kultiviertes Paradies. Nicht überlaufen aber touristich erschlossen und Air Batang (keiner weiß warum, kurz aber ABC genannt) gleicht einem gemütlichen Backpackernest mit kleinen noch einheimissch wirkenden Restos, bunt bepinselten Bars, die wahlweise Reggae oder Metal spielen, zerfallenen Hütten oder Booten am Wegesrand und einer Unsumme an Tauchschulen. ABC hat immer noch keine Straßenverbindung zum Hauptort in der Nachbarbucht und das macht alles noch einen Tic gemütlicher. Eine Insel mit Bergen und vielen Stränden. Das Wasser ist kristallklar, die Luft frisch und das Wetter einmalig. Wandern, Schnorcheln, Tauchen, Relaxen.

Zudem hab ich eine gemütliche Hütte und eine Gruppe netter Menschen um mich: Colin, der britische Kanadier, der seit Monaten durch Asien reist, Genevieve und Kirsten, die britschen Aussteigerinnen, die in KL arbeiten und im krassen Gegensatz dazu Esa und Marc, zwei finnische Brüder, die nur eine Woche Urlaub haben und mal eben für ein Paar Tage hierher geflogen sind. Jede Jeck is anders.
 
Der erste Abend dient direkt dazu mich ab Morgen für vier Tage an die Tauchschule zu ketten, um bloß nicht das Gefühl von Kiki-tut-mal-nix aufkommen zu lassen und dann genieße ich den ersten Abend mit meinen neuen Freunden der Reggae-Bar.
Heute kann ich noch feiern, erst ab übermorgen geht’s ins Meer runter. Die Theorie mach ich doch mit links.
Denk ich.
Aber die Theorie ist heftig und wird nach amerikanischem Vorbild in mich geprügelt: Zwei Videos mit geballten Infos über physikalische Gesetzte, Strömungen, Equipment und medizinische Probleme, die ich mithilfe von Büchern verstehen muss, um am Nachmittag die ersten Tests in Englisch zu bestehen. Mir qualmt der Kopf und ich bin froh, dass anschlieend die ersten Übungen im Pool den Lernfrust auflockern.
 
„You need a beer?“, fangen mich die Norweger ab, als ich ihre Hütte passiere. Was für eine Frage. Ich hab die kalte Dose ja auch schon im Gepäck, lass mich aber gern bei ihnen nieder, um mir eine Packung seelische Aufmunterung für den nächsten Tag einzustecken. Die anderen trudeln auch wie auf Bestellung ein: Essen gehen, Bier trinken, Loslassen und Abschalten. Dafür gibts Freunde. Wenn auch nur für drei Tage.
Als ich um Mitternacht in mein Bett falle, bin ich heilfroh, totmüde und glücklich. Warum nur zum Teufel ist mein geliebter Schatz jetzt nicht mit dabei? Er hätte seine Freude an dem kleinen Paradies, den Menschen und am Tauchen lernen.
Nachts werd ich wach.
Eine Silouette?
ICH SCHREI!!!
Da ist jemand in meiner Hütte. Flink wie ein Wiesel springt er aus dem Fenster. Ich pack den Schlafsack um mich und brüll hinterher: „Ashole“
Licht an, Klamotten an. Fehlt was?
Laptop da, Kamera da, Bauchtasche...
Wo ist die Bauchtasche?
Lag die nicht neben mir im Bett?
Ich wühl alles durch. Keine Chance.
Papiere, Unsummen an Geld, weil Tauchschule bezahlt werden muss, Kreditkarte und EC Karte.
Scheißdreckhochdreihundert. Und nu???
Mein erster Gedanke ist, dass ich weiterpenne und morgen zur Polizei gehe. Was soll ich denn schon tun?
Gibts hier überhaupt Polizei?
Wann soll ich das morgen wie machen?
Und gibt’s dann eine reelle Chance meine Sachen wieder zu bekommen?
Ein Scheißgedanke.
Wenn es eine Chance gibt, dann jetzt. - Das „wie“ ergibt sich schon. Hauptsache sofort.
Los!
 
Ich verriegel die Fester, schnapp mir mein Taschenmesser – lächerlich, aber weiß der Kukuk wo mein Pfefferspray ist, wahrscheinlich in der Bauchtasche – und geh hinterher. Ja ich gehe, ich bummel sogar fast. Der Wichser ist eh schneller als ich und längst über alle Berge. Und sollte er noch in der Umgebung sein, warne ich ihn, wenn ich renne und womöglich schreie. Nein, lässig bummelnd schlendern.Allein das Geld sind hier zwei Monatseinkommen. Ich zitter und will rennen. Ruuuuhig...
Ah, vier Uhr und noch Licht in dem Haus. Ob er das ist?
Ich schleiche zum Fenster. Die Vorhänge sind zugezogen. Sehr verdächtig. Aber man kann durch die Ritze der Holzverkleidung linsen.
Gottseidank. Ich muss nicht mein Schweizer Klappmesser vor mich halten, das Haus stürmen und grollend „Hände hoch“ brüllen. Ein Comuterjunkie zockt.
Weiter geht’s.
Wieder Licht.
Was hier nachts noch alles so los ist.
Vor dem Haus hockt eine Frau und sortiert Schuhe. Ha, ich muss lächeln und an Beate denken, die mit Vorliebe Samstag nachts nach der Party die Treppe putzt.
Aber sie könnte eine Zeugin sein.
„Excuse me“, spreche ich sie an.
„Yes, can I help you?“ eine Bierfahne weht mir entgegen.
„Excuse me. Have you seen a man running down the way, a few minutes ago?“
Sie reißt die Augen auf: „Yes – but there were two. Why? He was drunken.“
„Oh, I got robbed at the moment, i just wanna know if the thief could be in this direction.“
„WHAT? Wait, wait“, sie reißt die Tür auf und brüllt nach ihrem Mann.
„He had a red T-shirt?“
„Maybe – I dont know, I was asleep“, aber ich schwöre, in dem Moment hatte der Typ ein rotes T-Shirt für mich an. Wehe, mir begegnet eins. Dem ramm ich mein Messer bis zum roten Griff in die Rippen, dass das schweizer Kreuz über seinem Herzen steckt.
„What happened?“, die nächste Fahne haut mich aus den FlipFlops. Aber der Kerl hat schon das Handy am Ohr und wirkt stocknüchtern. Ich erzähl nochmal, aber währenddessen telefoniert er bereits, als hätte er drahtlose Verbindung zu allen Kleinkriminellen, zieht sich die Schuhe an und rennt weiter in Fluchtrichtung. Wir folgen ihm, denn für mich versprüht er Hoffnung mit seinem Elan und seine Frau bekommt wohl noch ne spannende Nach geboten.

Später versteh ich die Aufregung, denn „Never shit the own place“ ist hier ein ungeschriebenes Gesetzt. Daraus folgt: „Sorge für den guten Ruf im Dorf!“ und „Denn alles Übel kommt von außerhalb“. Eine tugendhafte Form von Rassismus im touristischen Microkosmos, der mir recht ist.
Als wir um die Ecke biegen stehn dort ein Dutzend junge Leute, die Hälfte davon in roten T-Shirts. Meine Hoffnung sinkt: Die Belegschaft vom Sunset-Cafe, Einheitslook rot, lungert noch mit Kumpels rum. Soll ich auf Verdacht in jedes rote T-Shirt stechen. Lebenslänglich. Wahrscheinlich hat sich die Frau geirrt.
Hey, aber ihr Mann ist fit. Er redet und redet, ich versteh gar nichts, die Masse wird unruhig, alles redet wild durcheinander... war da doch was?
Und auf einmal kommt Bewegung in den Pulk.
Was geht jetzt ab? Zwei schießen wie vom Teufel gejagd davon und andere jagen hinterher. Ich folge nur meinem Instinkt ohne zu wissen, wer hier welche Rolle spielt. Noch ist jeder für mich potentieller Dieb. Ich renne. Aber ich bin zu langsam, der Abstand wird zu groß. Kurz bin ich mir sicher, die Jungs regeln das besser ohne mich, aber es siegt das Gefühl aktiv mein Eigentum zu sichern. Scheiß auf die Latschen, sie bleiben an der Treppe stehen, die über den Hügel zur Nachbarbucht führt und dann leg ich den Turbogang ein. Ich werde schneller, aber mein Turbo reicht noch lange nicht an den Groundspeed der jungen Einheimischen ran und als ich mit die Lunge aus dem Hals hechelnd über den Hügel bin, stehet die Gruppe schon da und diskutiert wild.
Wer zum Teufel ist jetzt gut und wer ist böse?
In billigen Filmen sieht man das direkt. Hier nicht.
Die zwei Kerls in abgewetzten Klamotten? Die hättens nötig. Oder doch eins von den roten Shirts? Die hat die Frau gesehen. Und war der Einbrecher vielleicht blond? Das hätte ich getippt. Ich verdächtige erstmal unsinnig jeden, lass Taschen durchwühlen, frage sinnlos die Flodder nach dem Grund der Flucht, bis ich merke, dass die kein Englisch verstehen. Das bringt nichts.
Meine Logik schlägt Saltos, mein Verstand will jetzt Ergebnisse sehen und mein Gefühl sagt mir, dass ich so nah dran bin. Aber ich bin nicht in einem deutschen Gerichtssaal, sondern um fünf Uhr morgends mit Besoffenen und Kriminellen in einer schummrig beleuchteten Ecke in Malaysia. Hier müssen Einheimische das Wort in ihrer Sprache führen. Und derer sind viele da und sie fühlen sich verdammt verpflichtet mir zu helfen – mehr noch: sie haben Spaß dabei und fühlen sich in ihrem Heldentum herausgefordert.
Die Hauptverdächtigen sind schnell die armen Schlucker und das Bild passt immerhin in jeden Film, der mit gängigen Klischees spielt.
„Police is comming“, sagt mir einer.
 
Blitzartig scant mein Hirn die Erinnerung der Landkarte durch. Hier sind die Buchten nur mit dem Boot zu und mein Blick gleitet aufs Meer hinaus. Cool, kommt die Polizei mit dem Speedboat. Kann ich da mitfaren – ich schweife schon siegessicher ab. Aber – Potzblitz, bei der Flucht sind die Täter über die Treppe in der Bucht mit dem Hauptort gelandet, und da gibt’s die einzige Straße der Insel. Siehste Kiki, die regeln dass für dich. Schutzengel und Einheimische in Teamwork. Hab ich ein Glück. Dankbar schnorr ich mir eine Kippe: ich bin raus. Typisch deutsch warte ich jetzt einfach bis die Executive anrückt und alles regelt.
Malaysia ist anders.
Die Verdächtigen werden weiter ausgehorcht, fast hab ich Mitleid und ich überlege schon, ob ich in der Hektik auch richtig im Zimmer gesucht habe. Manchmal passiert das ja.
Da kommt erneut Bewegung in den Pulk.
Der eine würgt und kotzt Richtung Strand -Uaaaahekelhaft- während der andere auf einmal von der Mauer hochgerissen wird, sich einige Jungs auf ihn stürzen und ein Paar Schläge in die Magengegend verteilen. Er würgt auch. Der Kotzende pellt sich in Begleitung eines Sunset-Kellners aus der Gruppe, der mir strahlend zuruft: „He was it - he was it.“
Ich reiß die Augen auf.
„We´re going to look for the bag. Wait“
KLAR warte ich!!!! und ein Stein, so groß wie der Fels zwischen den zwei Buchten, fällt mir vom Herzen. „Sie ham´s, sie ham´s“, jubel ich innerlich und suche nach jemandem, den ich umarmen kann, aber erstens ist da niemand und zweitens ist die Tasche auch noch nicht da.
Plötzlich wird’s laut, der eigentliche Täter klemmt hilflos in einer Ecke zwischen Mauer und abgestelltem Gerümpel und muss Schläge kassieren. Mir wird mulmig. „Er hats doch jetzt zugegeben, wie positiv...“ murmelt der Amateur-Sonderpädagoge-Fachgebiet-Mediation in mir. Ich geh einen Schritt näher. Mein Gesicht muss Bände gesprochen haben, denn eine Hand legt sich von hinten auf meine Schulter:
„Don´t worry, it´s ok.“
„No, it´s not ok, they should stop.“
„Here is Malaysia“
Er hat recht – das ist auch Teil ihrer Sprache.
„Never piss the own town – thats an unwritten law here. They are from Bali“, erklärt er sanft die Art, wie hier das eigene Revier markiert und verteidigt wird, während der andere auf dem Boden liegt und wimmert, wie ein frischgeborener Straßenköter, weil er mit Tritten malträtiert wird. Aha, im Namen der Dorfgemeinschaft wird die Prügelstrafe unter den Heiligenschein der Ehrenrettung mit gutem Grund und Gewissen gestellt. Er windet sich die Mauer entlang, aber irgendeiner der Locals steht immr parat um nochmal handfest klar zu machen, dass hier im falschen Revier gepisst wurde, und dass er daher wohl für mindestens jeden Einwohner und obendrauf jeden zahlenden Touristen Schläge zu kassieren hat. Das entbehrt nicht der Logik.
Als ich kurz darauf einen erneuten Versuch wage mit beschwichtigenden Worten die sinnlos gewordene Prügelei zu stoppen – verdammt, so viele Einwohner gibt’s hier nun wirklich nicht, macht einer der Rächer eine knappe Handbewegung und die Selbstjustiz stoppt apprubt. Dem Geschundenen wird sogar aufgeholfen. Aha! Kulturverständigung! Sie sehen meinen Einwand wohl ein.
Falscher Stolz!
Die Polizi rückt an.
Die sehen zwar aus wie robuste herzensgute Kinderkrankenpfleger in der Ausbildungsphase, zumal keiner auch nur eine Uniform oder etwas ähnliches trägt, machen aber demzutrotz kurzen Prozess: Hosentaschenkontrolle -mein Geld steckt gebündelt dadrin- Handschellen, abführen. Ohne dass irgendwer auch nur eine Aussage gemacht hat, oder das ich angsprochen wurde.
Der Partner kommt zurück und hat meine Bauchtasche incl Reisepass dabei: Handschellen, abführen.
Leider fehlt mein Portemonai mit Maestro und Kreditkarte. Aber die Nacht ist ja noch nicht zu Ende und ich muss erstmal mit auf die Wache, nicht ohne den freundlichen Beamten darauf hinzuweisen, dass ich schuhlos bin und somit gerne auch einen Rücktransport gewährleistet hätte. Gebongt! Das würds in Deutschland nicht geben.
Ich danke den Beteiligten überschwenglich für die bilderbuchreife Aufklärungsarbeit -sie waren wirklich Gold wert- und steige auf den Beifahrersitz, während die Kriminellen hinter Gittern auf der Ladefläche bewacht werden. Das Happy End rückt näher.
Auf der Wache dauert alles sehr lange, obwohl eigentlich nichts passiert.
Für mich nicht.
Die Wache ist in einem neuen Gebäude, was fast gemütlich wirkt. Auch das Erste was einem beim Betreten des Raumes auffällt, ist die alternde Sofagarnitur rechts und links der Tür mit einem Teppich dazwischen. Kaffee und Kuchen hätten mich wie bei Großmutter fühlen lassen. Ah, gegenüber steht ein Schreibtisch, der dem ganzen einen ofiziellen Touch gibt. Ich soll auf dem unbequemen Stuhl am Schreibtisch platznehmen, wähend die Täter nebeneinander in Handschellen auf dem Dreier flätzen dürfen. Was ist das denn? Ich bin auch müde, es ist schließlich mitlerweile halb sechs .
Da kommt der Polizeichef. Dick, gemütlich, lässig und mit einem Schnäuzer, aber mit ernstem Gesicht. Zack. Jetzt wird aufgtanden, wie Schüler unsere beim Morgengruß. Er gibt mir die Hand. Ich darf sitzenbleiben. Die Bösen nicht.
Es ist erbärmlich und fast erniedrigend, dass die Taschen hier auf dem Boden vor allen ausgepckt werden. Erst jetzt merke ich, dass die Hose des Hauptdiebes nur noch an wenigen Stellen zusammenhält und total verdreckt ist. Man kann ihm im Schritt bis auf seine gelbe Unterhose und noch weiter blicken. Auch das T-Shirt hängt nur halbherzig über seinen Schultern, aber das muss er eh ausziehen und der harte aber schmale und lieblos tätowierte Oberkörper wird frei. Den Gürtel muss er auch schonmal ablegen, und nicht nur seine Hose sackt jetzt noch tiefer. Dass in dem Moment aber noch eine reizvolle Damenunterhose in mintgrüner Spitze mit zwei Fingern aus seinem Gepäck gezogen wird, über die lauthals gelacht wird, setzt dem Ganzen die Krone auf. LOL geht innerlich bei mir ab, denn herrliche Comedyszenen flitzen durch meine Visionen, trotzdem steigt Mitleid in mir hoch, denn gleichzeitig denke ich an manche Schüler, die mit Sicherheit ähnlich enden werden. Und keiner fragt je nach der Freiwilligkeit des Lebensweges .
In seiner Tasche befinden sich gefühlte dreißig Feuerzeuge und Unmengen an Zigarettenpackungen. Meine übrigends auch, die ich mir sofort unter den Nagel reiße. Das ist nur fair, so wird das Schauspiel etwas ertäglicher für mich, aweil ich mir Dayly-Soap-Athmosphäre verschaffe.
Ansonsten scheint er noch genau ein T-Shirt und mehrere Deoroller zu besitzen. Ansonsten nix. Vor meinen Augen seh ich mich meinen Rucksack schleppen und von Ladekabel, bis Drittobjektiv, von Teebaumöl bis Shirts für alle Klimazonen. Ich denk an das Zimmer, was ich möbliert vermietet habe und den Keller, der voll mit Hausrat steht. Was man alles so für lebennotwendig erachtet. Und der hier?
Aber in dem Moment erregt etwas anderes die Aufmerksamkeit der Obrigkeit: drei Handys und eine Kamera. Hoppla: Menschen, die nur ein Tshirt besitzen, haben nicht zwei Handys.
Und noch etwas wird in einer leeren Zigarettenpackung gefunden: Heroinbesteck -und die Lässigkeit der Beamten verschwindet schlagartig. Der unschuldigere Kumpel wird gepackt und weggebracht. Erst als sie zurückkommen verstehe ich, dass die eine Hausdurchsuchung gemacht haben, denn da ist einiges im Handgepäck: Laptop, Tauchuhren, Microsoundanlage, eine kostspielige Angel. Außerdem kommen noch zwei Männer mit. Einer mit BMW-Racing-Shirt, was mich stutzig macht. Der wirkt reich.
Und jetzt geht’s schnell.
Beide müssen vor dem Sofa stehen. Der erste wird angebrüllt, während sein Blick nicht mehr dem eines beim Rauchen erwischten Schülers auf der Klassenfahrt gleicht, sondern dem eines bei der Abschlussprüfung beim Pfuschen erwischten. Zukunftsangst. Und das muss er jetzt auch wohl haben.
Fragen werden ohne Lächeln gestellt.
Auf eine ansatzweise läppische Antwort gibt’s eine schallende Ohrfeige vom Polizisten. Hoppla, wunder ich mich, aber schon rasseln die nächsten Schläge in sein Gesicht.
„Nyanyi“, ich versteh das nicht. Der Angesprochene wohl schon, denn er schaut ungläubig auf.
„Nyanyi“, wird befehlend wiederholt und die nächste Ohrfeige scheppert durch die Stille.
Und ich verstehe, denn er fängt leise an zu singen, während er zu Boden schaut und die Cops weiter jedes Detail durchwühlen.
„Nyanyi“, wird gebrüllt und bevor die nächsten Schläge rasseln, drückt er die Repeattaste für die Endlosschleife.
Ich schau auf die Uhr. Halb sieben. Ich sitzt nur blöd rum und bin totmüde. Leute, eine Unterschrift und ab ins Bett. Mir wird langweilig. Ich hatte meinen Film und ab jetzt läuft nur noch Abspann. Aber die Cops suhlen sich in ihrem Erfolg. Viel scheint hier sonst nicht zu tun zu sein.
Endlich darf er aufhören und wird in die Zelle gesperrt. Mir gegenüber am Ende des Ganges. Er sitzt im Neonlicht auf dem Boden, direkt vor der Eisentür. Soll ich ihn beobachten, oder ist die Zelle so klein, das er nicht um die Ecke sitzen kann? Er schnippt ein paar Kakerlaken weg, sinkt langsam zusammen und rollt sich endlich auf dem Boden ein. Kein Wasser, keine Decke, noch nicht mal sein T-Shirt.
Aufwachen... spricht da jemand mir mir? Warum zum Teufel nuschelt er so? Gebiss vergessen? Jeden Satz muss er für mich wiederholen. Ah, jetzt kommts, es geht wirkich um mich:
Ich hab zwei Möglichkeiten, Anzeige zu machen (KLAR!!!), dann muss ich in ein zwei Monaten in KL vor dem Gericht erscheinen, um Aussage zu machen (NIE!!!), oder ich gehe einfach, weil ich alles zurückbekommen habe und dann bin ich frei.
Cool, aber was ist mit meinen Kreditkarten?
Die soll ich einfach sperren. Aber die Kreditinstitute wollen meist ne Anzeige (dann muss ich doch nach KL?)
Und was ist überhaupt mit den Verbrechern, sind die morgen auf freiem Fuß, wenn ich keine Anzeige mach?
„Nonono, we found stuff to take drugs. There will be a test, that takes minimun two weeks. Come on, we go.“
„Go? No report, no signature?“
„No need“
Der Fahrer steht auf, lächelt und fährt mich ans Ende der Bucht. Dafür bin ich also mitgenommen worden? Naja, immerhin erklärt mir der nette Bulle noch, dass die zwei andern Männer auch Geschädigte waren, unter anderem der Chef der Jetty, der Arbeitgber der Diebe, die erst vor zwei Tagen bei ihm angefangen haben. Wahrscheinlich macht der Anzeige.
Eigentlich könnte jetzt hier Ende sein. Ist es aber nicht.
Ich ärger mich, dass meine teuren Flipsflops aus Neuseeland weg sind, als ich über den Hügel bin- aber das ist jetzte das geringste Übel -, geh zu meiner Hütte, um die Wertsachen weg zu bringen, schnapp mir mein Handy, meine einzige noch nicht verlorene Taschenlampe und versuche damit die Felsen am Hügel nach meinem Portemonai abzusuchen. Dort haben sie es wohl weggeschmissen. Keine Chance. Die Lampe ist zu schwach. Und ohne Schuhe ist kaum ein Klettern möglich. Ich brauch drigend eine Lampe, denn wenn die Flut kommt, hab ich keine Schnitte mehr, und in dem Moment, werd ich von der Seite angerufen:
„You got everything?“ - Der gute Helfer ist immer noch wach. Klar erklärt er, die Polizei war ja auch andauernd hier.
„What are you doing here?“
„I try to find my moneycase. But my torch is not strong enough.“
„And why dont you wear shoes?“
„They were gone, when I came back, someone took them I guess.“
„Wait.“
Und er weckt seine Mutter, reicht mir eine Lampe und meint nur: „You climb the rock, I look at the beach.“ Engel können Bierfahnen haben, weiß ich in dem Moment.
Ich kraxel barfuß über die Felsen und das Laub, die Lampe ist gut, aber ich finde nichts, da brüllt es: „You miss a red lighter?“
Ich renne zu ihm. ´Wo mein Feuerzeug, da meine Kreditkarte´ lautet mein persönliches Gesetz.
Es stimmt. Seine Frau und er stehen am Beach und halten nicht nur mein Feuerzeug, sondern auch mein Portemomai in der Hand, mit allen Karten und alle Adresszettel und Flugnummern und einem Kilo Sand.
Und jetzt hab ich jemanden, den ich um den Hals fallen kann. Und das tu ich auch.
Schlaf gibt’s keinen mehr an dem Morgen. Aber die Story ist immer noch nicht zu Ende.

Mittgs treffe ich Colin und erzähl ihm von meinr Nacht, weil er mich schuhlos von Schatten zu Schatten über den heißen Weg rennen sieht. Abends schenkt er mir vor dem Essen gehen seine alten FlipFlops, die zwar Größe 45 haben, aber er fliegt morgen heim und braucht sie nicht mehr.
Essen gehen wir auf meinen Wunsch hin alle zusammen in dem Laden, gegenüber von dem Paar, was meine helfenden Engel in der Nacht waren. Ich möchte ihnen die obligtorischen zehn Prozent Finderlohngeben. Die könnn das bestimmt gebrauchen, bei dem Bierkonsum.
Ich klopf an deren Tür, er öffnet und bevor ich etwas sagen kann dreht er sich um, hält meine Schuhe in der Hand und fragt lächelnd: „You still look for your shoes?“
Ich fass es nicht: „No, I mean yes, but actually I´m here to say thank you.“
Er hört gar nicht zu und erklärt, dass er die auch noch gefunden habe.
Jetzt fall ich ihm nochmal um den Hals.
 
Ich drück ihm das Geld in die Hand, erkläre, dass ich sauer bin, wenn er es nicht nimmt, allein die Schuhe haben doppelt so viel gekostet, wie diese hundert Ringits – das sag ich nicht laut – und kehre zu meinen Freunden mit diesen Neuigkeiten zurück.
Der Jubel ist riesig. Nicht nur bei mir.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen