orchha - die fröhlichkeit knallt einem direkt entgegen |
Kette spannen mit
kaputtem Werkzeug allein ist ja schon eine beschissene Angelegen-
heit.
Wenn um mich rum allerdings ein Dutzend Inder mit guten Ratschlägen
und gaffenden Gesichtsausdrücken stehen, der Staub des Platzes sich
in jede frischgewaschene Pore setzt und die Tempelwand gegenüber
tatsächlich bepisst stinkt, dann tun Menschen mit Herz und Verstand
einfach nur gut.
Ohne Worte packt der
13-jährige Kapel mit an, weiß, was zu tun ist und redet nicht viel.
Nur an der der Ratsche, die in Einzelteilen zerlegt ist, kann er auch
nichts ändern. Die Nieten sind verloren und bei jeder Bewegung
zerlegt sie sich erneut. Es macht keinen Spaß damit zu arbeiten und
ich brauche dreimal so lang als sonst, bis die Einstellung der Kette
zu stimmen scheint.
„My father is a
mechanic“, sagt er schüchtern, „come“.
Ich staune! Immer, wenn
ich was brauche, kommt es.
Ich könnt es später mal
mit ´Ben-Herwünschen` versuchen, mal schaun, was passiert.
Erstmal aber folge ich
dem Teenager in die Werkstatt seines Vaters.
Eigentlich stellt er
diese unwiderstehlichen Touristenfigürchen aller Gottheiten aus
Bronze her, die ich mit Abscheu betrachte und zwischen überflüssigem
Nippes und Umweltverschmutzung einordne. Aber er besitzt
entsprechendes Werkzeug und Geschick und dängelt mir neue Nieten in
meine Ratsche.
In der Zwischenzeit zeigt
mir der Kleine das Haus. Vier Räume sind schmal und schlauchförmig
hintereinander angelegt: zuerst die Werkstatt und Präsentationsraum
des Vaters, dann folgt das Schlafzimmer mit einem riesen Holzbett
ohne Bett, was tagsüber wohl als Wohnzimmer dient, dann kommt die
Küche und dann der Stall. Der fünfte Raum ist ein Hof, in dem eine
Kuh mit Kälbchen stehen. Die Großmutter scheint eine Seele von
Mensch zu sein, sie lacht andauernd und scheint erfreut über meinen
Besuch zu sein, denn obwohl sie nur wenig Brocken Englisch spricht,
erklärt sie mir das Leben hier.
Und dann entdecke ich
ihn.
Klein und unscheinbar, übersehbar in die Ecke des Stalles
gemauert; „What´s that?“
„For chiapati“,
antwortet die Oma, die übrigens kaum älter als ich zu sein scheint.
„Ciaptti?? You make
here?...“ „...Im Stall“, verkneife ich mir.
Ich kann mir das nicht
vorstellen, denn er sieht aus wie drei U-förmig zusammengestellte
Ziegelsteine in zwei Lagen, die mit Zement liebevoll verkleistert
sind.
„Yes – every day we
make.“
Mittlerweile ist auch der
große Bruder aufgetaucht. Ich scheine eine Abwechslung zu sein.
„Really?“, ich
wittere eine Chance, „Show me. Please. I want to see.“
„Not now. Every day at
6 pm. You come.“
Angebissen - Stefan würde
mich hassen.
„Really?? At 6?? I do.“
Ich weiß nicht ob ich
das glauben soll. Hab ich mich da jetzt frech selbst eingeladen, oder
wollen die mich wirklich wiedersehen? Aber ich sehe in die Gesichter
und sie strahlen.
Ich drohe nochmal:
„I come!“, die kennen
mich nicht.
„Promise!“; der
Kleine hält mir die Hand hin.
„Promise!“, der Große
schließt sich an.
„I promise“ ich drück
die Hand und mach das erste mal eine ernsthafte Versprechung in
diesem Land.
eigentlich wollt ich hier nur frühstücken ;-) |
Bei meinen Bummel durch
diesen netten entspannten Ort, der mal wieder voll von Heiligkeiten
zu sein scheint schließe ich einen Besuch in einer der zahlreichen
Konditoreien ein. So kann ich mit diesem Mitbringsel gleichzeitig
Dankeschön sagen und die Ernsthaftigkeit meines Besuchs
unterstreichen, nicht dass die nur kurz ein Chiapatti backen und mich
dann wegschicken, oder womöglich hinterher Geld für die
Präsentation fordern. Ma weiset nit.
Und es wirkt.
Omi strahlt und packt die
Schlemmerei sofort weg und setzt sich zu mir.
Ich fühl mich nur die
ersten Minuten etwas hilflos, als Großmutter und ich uns dann doch
recht schweigend gegenüber sitzen, weil wir an die Grenze unserer
Kommunikationsfähigkeit gekommen sind. Da hilft auch nicht
stundenlanges freundliches Angrinsen bis Muskelverhärtung droht.
Action muss her. Recht unverhohlen forder ich sie auf anzufangen und
voller Elan springt sie auf und wir machen wir schonmal Feuer.
vati wärmt sich nur... der tut nix |
bei der arbeit... |
...und das ergebnis |
Omi lächelt etwas
verlegen, als ich beginne ihr beim Zerteilen der Brennfladen zu
helfen und lacht laut auf, als ich mich bei diese kinderleichten
Übung recht dämlich anstelle.
kapel zeigt mir wie´s geht |
Nachdem das Feuer
gemütlich lodert wird das Gemüse geschnitten. Die Arbeitsplatte ist der
Fußboden und als Werkzeug wird neben einem Kartoffelschüler eine
Fußsichel benutzt. Ich pack natürlich fleißig mit an und schäme
mich fast zu erwähnen, dass ich mit zwischendrin nicht die Hände
gewaschen hab. Ohje, wie komm ich da jetzt raus? Kuhscheiße zwischen
Koreander und Kartoffelscheiben.
Ich schweige, während
Kapel mir zeigt, wie das Fußmesser funktioniert. „No Problem mit
meinen Händen“, denk ich, „der Lehmfußboden ist mit Sicherheit
nicht hygienisch rein und seine Füße sind auch den ganzen Tag durch
die vollgerotzten staubigen Straßen gelaufen.
Meine auch. Daher versuche ich mich ohne schlechtes Hygienegewissen an der Sichel. Das dauert aber so lange und meine Scheiben werden mal dick und mal dünn, dass ich genervt dieses Monstergerät zurückgebe. Ich lass mich ja gern begeistern von fremden Erleuchtungen, sonst hätt ich keine Parathapfanne gekauft, aber ein simples Messer hat sich einfach überall auf der Welt bewährt. Warum sollte hier auf einmal etwas besseres auftauchen, von dem die Welt nichts wissen will. Ich zücke mein Taschenmesser und leg angeberisch den Turbogang ein.
Meine auch. Daher versuche ich mich ohne schlechtes Hygienegewissen an der Sichel. Das dauert aber so lange und meine Scheiben werden mal dick und mal dünn, dass ich genervt dieses Monstergerät zurückgebe. Ich lass mich ja gern begeistern von fremden Erleuchtungen, sonst hätt ich keine Parathapfanne gekauft, aber ein simples Messer hat sich einfach überall auf der Welt bewährt. Warum sollte hier auf einmal etwas besseres auftauchen, von dem die Welt nichts wissen will. Ich zücke mein Taschenmesser und leg angeberisch den Turbogang ein.
Während wir schnibbeln,
bereitet die Großmutter nebenan eine Marinade aus Zwiebeln,
Knoblauch und Chilly, indem sie auf dem Boden hockend alle Zutaten
auf einem alten Holzbrett mit einem Stein zermantscht. Dies duftet
phänomenal und das Prinzip mit dem Stein gefällt mir
außerordentlich, da bei einem herkömmlichen Mörser immer alles
daneben fällt und ich beschließe in Köln nach einem entsprechenden
Stein am Rhein suchen.
Alsdann werfen wir alles
in einen Topf, um es auf dem auf der Kuhfladenfeuer im Stall zu
Kochen. Wir hocken gemütlich drumrum und quatschen.
„It´s better here,
because the Moskitos dont like Cowshit.“
Das freut mich. Die
Viecher sind bestimmt deutsche Aristokraten und stellen sich an.
(Später fahr ich durch Dörfer, in denen die Terrasse vor den
Häusern nach einem perfekt braunen Anstrich aussieht. Guddu erklärt
mir dazu, das die Frauen jeden Morgen Kuhmist vor den Häusern
verstreiche, weil das die Moskitos fernhält. Wieder eine
Marktlücke... wer brauch Autan und AntiBrumm?)
„Chai?“, werd ich
gefragt.
„Oh. Yes please“
„Black or white?“
„White please.“
„No problem.“
Während wir gemütlich
plaudern, holt die Hausherrin die Zutaten fürs Brot. Der kleine
Kapel fragt mich inzwischen leise und interessiert über die
Kamasutratempel aus, die ich morgen besuchen fahre und scheint an den
sinnlichen Darstellungen großen Gefallen zu finden.
„Pscht“ und ein Klaps
auf den Oberschenkel beenden das Gespräch schlagartg, als die Omi
zurückkommt. Und als wäre er beim Lesen eines Pornoheftes erwischt
worden, vergräbt er den Kopf an meiner Schulter. Süß, denke ich
und bin erstaunt, welch Charisma diese Tempel vierhuntdert Kilometer
weiter westlich bei der Local-Jugend ausstrahlen.
Aber geschickt wie
Teenager sind wechselt er das Gesprächsthema zum Rettich und schnell
planen sein Bruder und ich in zwei Jahren ein Bio-Resto mit Zutaten
seine Farm aufzumachen, Kochkurse für gelangweilte Touris, die schon
alles kennen, anzubieten und den Orchha-Besucher mit einem gekonnten
Marketingkonzept so richtig auszunehmen. Und während der Teig
geknetet wird sehen wir die Dollar fließen und lachen uns kaputt.
Und dann kommt mein
persönlicher Luftanhalter. Die Chiapatis werden rundausgerollt, mit
Mehl bestäubt und über eine halbrunde umgestülpte Tonform über
dem Feuer gelegt. Ganz kurz nur auf jeder Seite. Das Besondere an
Chiapati ist aber, wenn sie frisch sind, dass sie sich aufblähen.
Und das bekommt man nur, indem man ihnen Raum und Hitze dazu gibt.
Und das ist genau da am Feuer, wo die Kuhladen brennen und ihre
persönliche Duftnorte in einer Mischung aus Asche, Glut und
Organischem Restmüll abgeben.
Zack-zack stellt die
Küchenmeisterin die Halbfertigen an diese Stelle, legt schnell den
nächsten oben drauf, während der untere sich aufbläht, wendet den
halbaufgeblähten gekonnt, schlägt ihn auf dem Handrücken aus,
Sauberkeit muss sein und „flatsch“, schleudert ihn auf meinen
Teller.
„Start eating“, sagen
die Jungs im Chor und stellen mir Masala und frisches Gemüse dazu.
Ich aber muss erstmal veschnaufen und bin mir unklar darüber, was
mich mehr erstaunt, die traditionelle Backweise oder die Tatsache,
dass ich als Erste bekomme und loslegen soll zu essen.
Ich zöger, mentale
Verarbeitung des Gesehenen oder anerzogener Anstand zu Warten.
Es ist die Erziehung.
Denn der Vater wird sofort im Anschluss bedient und zögert nicht den
Bruchteil einer Sekunde damit die Nahrung in sich hinein zu
schaufeln.
Mir fällt es schwer zu
verstehen, dass ich als Besucher dem Familienoberhaupt in der
Essensrangfolge überlegen bin und noch schwerer fällt es mir
zuzusehen, wie die Jungs mir beim Essen zusehen. Denn erst wenn ich
und der Vater satt sind, dürfen sie beginnen. Ich glaube ich hab
heilige Familienregeln gebrochen, als ich beide auffordere von meinem
Teller mit zu essen, weil dieser immer wieder gefüllt wird und ich
bereits platze, währen ihre hungrigen Blicke diszipliniert auf
meinem Teller ruhen.
Die Jungs lachen, als ich
erzähle, dass bei uns erst gegessen wird, wenn jeder hat und dass in
der Wirtschaft derjenige die Runde zahlen muss, der antrinkt ohne
dass die anderen mit anstoßen.
Dieser Ausflug in die deutsche Kultur wird übrigens nicht übersetzt. Das würde der Hauptakteurin des Abends auch wenig schmecken, denn sie backt Brot, bis der Teig aufgebraucht ist, bewirtet uns, räumt weg, beginnt zu spülen, putzt und lässt sich dabei partout nicht helfen und dann... wenn dann alles erledigt ist und die Jungs mit mir weg sind und der Mann sich die Eier krault und das Essen kalt ist... dann.... dann... dann... darf sie essen.
Dieser Ausflug in die deutsche Kultur wird übrigens nicht übersetzt. Das würde der Hauptakteurin des Abends auch wenig schmecken, denn sie backt Brot, bis der Teig aufgebraucht ist, bewirtet uns, räumt weg, beginnt zu spülen, putzt und lässt sich dabei partout nicht helfen und dann... wenn dann alles erledigt ist und die Jungs mit mir weg sind und der Mann sich die Eier krault und das Essen kalt ist... dann.... dann... dann... darf sie essen.
Und von den zwölf
mitgebrachten Törtchen landen abgezählte sechs auf dem Tisch (äh..
Boden) und nur der Vater nimmt zwei. Ob die anderen jemals in den
Genuss kommen werden?
Zum Abschluss entführ
ich die Brüder tatsächlich noch auf einen Tee ins BlueSky, meinen
Wifi-Laden von heute Nachmittag, weil Kapel doch unbedingt wissen
will wie mein Mann aussieht. Er hat mindestens so lang mit Ben
gescyped wie ich, während es dem großen zu langweilig wurde und er
schon ging. Anschließend bringt er mich ganz weltmännisch zum
Hotel.
Das wird bestimmt mal n
toller Mann.
Ich hab den Abend sehr
genossen und werd dieses einfache Essen mindestens so in Erinnerung
behalten, wie manches Luxusdinner. Ich bin nur traurig, dass die
facbookadresse vom Bruder Deepak nicht funktioniert – das wäre mal
ne wichtige Verbindung gewesen – schon wegen unserer
Gechäftsidee...
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